DAC6 – welche Anzeigepflichten müssen Sie beachten?
Rechtspolitischer Hintergrund dieses Gesetzesvorhabens ist es, die Finanzverwaltung über die Umsetzung potenziell aggressiver – dennoch legaler – grenzüberschreitender Steuergestaltungen frühzeitig in Kenntnis zu setzen. Der Regierungsentwurf folgte nur knapp zwei Wochen auf die Veröffentlichung des Referentenentwurfs vom 26. September 2019 durch das BMF. Dies trägt der Umsetzungspflicht der Richtlinie bis zum 31. Dezember 2019 Rechnung.
Grundsätzliche Anmerkungen zum Referentenentwurf
Im Vergleich zum ersten unveröffentlichten Diskussionsentwurf vom 30. Januar 2019 – und im Einklang mit dem Referentenentwurf – beinhaltet der Regierungsentwurf nicht mehr die vielfach kritisierte Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen. Der Meldung unterliegen nur bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Zur Information verpflichtet sind in erster Linie sogenannte „Intermediäre“. Die Inhalte des Regierungsentwurfs sind insgesamt sehr nah am zuvor veröffentlichten Referentenentwurf gehalten. Es bleibt mithin bei einer sehr weitreichenden Regelung, die schon jetzt eine Vielzahl von Steuerpflichtigen und Beratern betrifft.
In der Begründung zum Regierungsentwurf wird „aufgrund der weitgefassten Mitteilungspflichten“ eine Schätzung vorgenommen, wonach jährliche Mitteilungen im fünfstelligen Bereich erwartet werden. Zu beachten ist außerdem die zeitliche Rückwirkung der Mitteilungspflicht, wonach nicht nur künftige grenzüberschreitende Steuergestaltungen erfasst werden, sondern auch grenzüberschreitende Steuergestaltungen nachgemeldet werden müssen, deren Umsetzung bereits nach dem 25. Juni 2018 erfolgte.
Einzelheiten zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen und zur Mitteilungspflicht
Was ist eine grenzüberschreitende Steuergestaltung im Sinne des Regierungsentwurfs?
Unter die Mitteilungspflicht fallen zunächst Gestaltungen, die eine Steuerart betreffen, auf die das EU-Amtshilfegesetz anwendbar ist. Dies betrifft insbesondere die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Umsatzsteuer ist ausgenommen. Weiterhin müssen die Steuergestaltungen einen grenzüberschreitenden Charakter aufweisen, das heißt mehrere Staaten betreffen, darunter mindestens einen EU-Mitgliedsstaat. Dieses grenzüberschreitende Merkmal ist sehr weit zu verstehen und beispielsweise erfüllt, wenn zwei an einer grenzüberschreitenden Zahlung Beteiligte in verschiedenen Staaten ansässig sind, ferner auch bei Doppelansässigkeiten oder Betriebstättensachverhalten. Zeitlich werden grenzüberschreitende Steuergestaltungen erfasst, deren erster Umsetzungsschritt nach dem 25. Juni 2018 vollzogen wurde (Rückwirkung).
Welche grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind mitteilungspflichtig?
Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung wird dann „mitteilungspflichtig“, wenn sie mindestens eines der in § 138e Abs. 1 und 2 AO-E aufgeführten Kennzeichen erfüllt. Dabei muss bei den Kennzeichen in § 138e Abs. 1 AO-E zusätzlich der sogenannte „Main benefit“-Test angewandt werden. Dieser ist erfüllt, wenn „ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der oder einer der Hauptvorteile“ der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils liegt. Bei den übrigen Kennzeichen reicht deren alleiniges Vorliegen für die Mitteilungspflicht einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung aus. Die Kennzeichen sollen zwar auf Steuervermeidung hindeuten, betreffen indes teilweise alltägliche Transaktionen wie grenzüberschreitende Zahlungen im Konzern, die Umwandlung von Einkünften (z. B. steuerpflichtige Erträge in steuerfreie Dividenden) oder die Inanspruchnahme von Safe-Harbour-Regelungen im Bereich der Verrechnungspreise. Die Auflistung der Kennzeichen im Regierungsentwurf orientiert sich stark am Richtlinienwortlaut und wird dem Vernehmen nach noch punktuell angepasst. So stellt der Regierungsentwurf teilweise allgemeiner auf „grenzüberschreitende Zahlungen“ ab, wohingegen die Richtlinie nur an abzugsfähige Zahlungen anknüpft.
Wer ist zur Mitteilung verpflichtet?
Zur Mitteilung verpflichtet sind grundsätzlich sogenannte Intermediäre. Als Intermediär kommt jede Person in Betracht, die an der Konzeption und/oder der Umsetzung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung beratend mitwirkt, indem sie die Gestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert, zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet. Der Begriff „Intermediär“ ist nicht auf eine bestimmte Berufsgruppe beschränkt, sondern umfasst in Deutschland unter anderem Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Unternehmensberater sowie Vertreter der Finanz- und Versicherungsbranche. Unterliegt der Intermediär einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht, können Teile der Mitteilungspflicht auf den Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung übergehen. Nach dem deutschen Gesetzentwurf obliegt jedoch stets dem Intermediär die Pflicht, allgemeine Informationen zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung im Rahmen einer „Erstmitteilung“ mitzuteilen, während im Anschluss daran die Meldung nutzerbezogener Informationen in einer „Zweitmitteilung“ durch den Nutzer selbst zu veranlassen ist. Dem Nutzer ist indes die Möglichkeit einzuräumen, den Intermediär von seiner Verschwiegenheit zu entbinden, sodass dieser die Mitteilung sämtlicher Daten vornehmen kann. Wenn der Nutzer ohne Einbindung von Intermediären eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung umsetzt (Inhouse-Gestaltung), obliegt ihm die vollumfängliche Meldung der Informationen.
Die neuen Regelungen sehen grundsätzlich vor, jeweilige Daten einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung einmalig zu übermitteln. Damit sollen Mehrfachmitteilungen bei mehreren Intermediären hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung vermieden werden.
An wen muss die Mitteilung erfolgen?
Die Mitteilung erfolgt an das Bundeszentralamt für Steuern. Die Daten werden nach einem amtlich vorgeschriebenen Datensatz über eine amtlich bestimmte Schnittstelle übermittelt.
Wann muss die Mitteilung erfolgen?
Grundsätzlich hat die Meldung 30 Tage nach dem in § 138f Abs. 2 AO-E fristauslösenden Ereignis zu erfolgen. Fristauslösendes Ereignis ist bei Einbindung eines Intermediärs in der Regel die Bereitstellung einer Gestaltung, bei durch den Nutzer selbst konzipierten und umgesetzten Gestaltungen dessen Umsetzungsbereitschaft. Die vorstehend beschriebene Mitteilungsfrist gilt für Fälle, deren erster Umsetzungsschritt ab dem 1. Juli 2020 durchgeführt wurde. Für die Fälle, mit deren Umsetzung zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 1. Juli 2020 begonnen wurde, ist die Mitteilung bis zum 31. August 2020 einzureichen.
Neben der zeitnahen Mitteilung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist der Nutzer verpflichtet, die Steuergestaltung im Rahmen seiner Steuererklärung (veranlagungsbegleitende Funktion) durch Angabe der erteilten Registrier- und Offenlegungsnummer zu übermitteln. Die Registriernummer wird derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung einmalig vergeben, hingegen kann die Anzahl der Offenlegungsnummern in Abhängigkeit der Summe der Mitteilungen variieren.
Was passiert, wenn schuldhaft gegen die Mitteilungspflicht verstoßen wird?
Bei einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht kann im Inland ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro verhängt werden. Dies gilt auch, wenn der betroffene Nutzer keine Angabe zur Umsetzung einer bereits mitgeteilten grenzüberschreitenden Steuergestaltung in seiner Steuererklärung tätigt.
Fazit und Ausblick
Das neue Gesetz zur Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen wird eine Vielzahl von Intermediären und Nutzern betreffen, da auch alltägliche grenzüberschreitende Transaktionen eine Mitteilungspflicht auslösen können. Intermediäre und Steuerpflichtige sind gehalten, das Gesetzgebungsverfahren aufmerksam zu begleiten und dazu parallel bereits Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen, indem einerseits eine Betroffenheitsanalyse durchgeführt und andererseits interne Prozesse auf das Gesetz und damit einhergehende Compliance-Pflichten umgestellt werden.
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