Entwurf des EZB-Leitfadens zu Klima- und Umweltrisiken
Kreditinstituten kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, Europa bis zum Jahr 2050 in die Klimaneutralität („European Green Deal“) zu führen, da sie maßgeblich über die Kapitalflüsse an Unternehmen entscheiden. Trotz der angestrebten Klimaneutralität wird zukünftig mit einem Anstieg der Risiken (z. B. Sachschäden als Folge des Klimawandels oder Umweltzerstörung) zu rechnen sein. Nachdem zunächst die BaFin Ende letzten Jahres ein Merkblatt für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht hat, hat im Mai dieses Jahres die EZB einen Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken zur Konsultation gestellt, welcher nachfolgend vorgestellt wird.
Bei Klima- und Umweltrisiken unterscheidet die EZB als wesentliche Risikotreiber das physische Risiko und das Transitionsrisiko, wobei es sich bei ersterem um das direkte Risiko, dem die Menschheit aufgrund des Klimawandels ausgesetzt ist, handelt. Hierzu zählen beispielweise Überflutungen und Waldbrände sowie langfristige Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels. Auf der anderen Seite beinhaltet das Transitionsrisiko finanzielle Verluste, die Instituten direkt oder indirekt infolge der Umstellung der Wirtschaft auf klimafreundlichere Alternativen entstehen können. An dieser Stelle sei auf politische Maßnahmen wie den Handel mit Emissionszertifikaten verwiesen.
Im Umgang mit Klima- und Umweltrisiken hat die EZB in ihrem Leitfaden insgesamt 13 Erwartungen gegenüber Instituten in den folgenden vier Bereichen formuliert:
- Geschäftsmodell und Geschäftsstrategie
- Governance und Risikoappetit
- Risikomanagement
- Offenlegungen
Der Ausgangspunkt soll für alle Institute die Erlangung eines Verständnisses über die aus Klimawandel und Umweltzerstörung erwachsenden Risiken im Geschäftsumfeld (z. B. auf geografischer und Produkt-/Dienstleistungsebene) sowie deren kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf das eigene Geschäft bilden. Die Ergebnisse dieser Analyse sind entsprechend bei der Festlegung der Geschäftsstrategie zu berücksichtigen. Es sollten dabei außerdem Leistungskennzahlen definiert werden, anhand derer sich die Umsetzung der Geschäftsstrategie überwachen lässt.
Aus dem EZB-Leitfaden ergeben sich im Bereich Governance bestimmte Erwartungen an die Geschäftsleitung eines Instituts. Von dieser wird beispielsweise erwartet, dass sie Rollen und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Klima- und Umweltrisiken bestimmt und sich nicht nur im Rahmen des Geschäftsstrategieprozesses aktiv mit diesen Risiken auseinandersetzt. Aufbauend auf der Geschäftsstrategie sind die identifizierten Klima- und Umweltrisiken auch in die Risikostrategie zu integrieren. Neben einer ausführlichen Beschreibung der Risiken sollte diese des Weiteren eine Darstellung von Risikoindikatoren sowie der dazugehörigen Limite enthalten. Institute werden zudem dazu aufgefordert, ihre Vergütungssysteme dahingehend zu überprüfen, ob durch diese Verhaltensweisen gefördert werden, die im Einklang mit der Geschäfts- und Risikostrategie bzw. den etwaigen Klima- und Umweltzielen stehen.
Um eine angemessene Steuerung von Klima- und Umweltrisiken sicherzustellen, sollte eine klare interne Zuweisung von Zuständigkeiten auf Basis des „Three-Lines-of-Defence-Modells“ erfolgen und dokumentiert werden. Zudem ist eine wirksame interne Berichterstattung zu Klima- und Umweltrisiken zu gewährleisten, sodass das Leitungsorgan sowie andere Entscheidungsträger über ausreichende Entscheidungsgrundlagen verfügen.
In einem eigenen Abschnitt geht der Leitfaden auf die Erwartungen im Bereich Risikomanagement ein. Es wird insbesondere eine vollständige Integration von Klima- und Umweltrisiken in die bestehenden Risikomanagementprozesse erwartet. Angefangen bei der Risikoinventur ist dabei vorwiegend zu analysieren, inwieweit diese Risiken bei den bisherigen Risikoarten schlagend werden. Darauf aufbauend sind angemessene Risikoquantifizierungsverfahren und -steuerungsmethoden einzurichten, damit sowohl aus ökonomischer als auch aus normativer Perspektive die Angemessenheit der Kapitalausstattung überprüft werden kann. Der Leitfaden legt einen besonderen Fokus auf die Steuerung des Kreditrisikos. So sind während des gesamten Kreditgewährungs- und ‑weiterbearbeitungsprozesses Klima- und Umweltrisiken einzubeziehen, was beispielsweise eine ausführliche Analyse des Kreditnehmers in Bezug auf seine Anfälligkeit gegenüber diesen Risiken erforderlich macht. Aber auch Erwartungen im Zusammenhang mit operationellen Risiken, Reputations- und Haftungsrisiken, Marktrisiken sowie Liquiditätsrisiken werden im Leitfaden thematisiert. Daneben haben Institute die Angemessenheit ihrer Stresstestszenarien zu überprüfen und ggf. anzupassen, sofern Klima- und Umweltrisiken als wesentlich eingestuft wurden und bislang nur unzureichend berücksichtigt werden.
Abschließend thematisiert der Leitfaden die Erwartungen der Aufsicht in Bezug auf Offenlegungen. Das Ziel der EZB ist es, dass aussagekräftige Informationen und Kennzahlen veröffentlicht werden, um die Transparenz gegenüber Marktteilnehmern zu erhöhen. In diesem Zusammenhang verweist die EZB insbesondere auf die „Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen: Nachtrag zur klimabezogenen Berichterstattung“ der Europäischen Kommission, an denen sich Institute bei ihren Offenlegungen orientieren sollen.
Die Konsultationsphase läuft noch bis zum 25. September 2020. Der EZB-Leitfaden richtet sich zwar vorwiegend an die bedeutenden Institute, jedoch sollten sich auch weniger bedeutende Institute mit diesem auseinandersetzen, da die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Erstellung des Leitfadens mitgewirkt haben. Unabhängig davon ist das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken unverändert als Orientierungshilfe zu beachten.
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