Die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck iSv. § 52 AO
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung noch vom Begriff der politischen Bildung gedeckt sei. Nun hat er seine Entscheidung bestätigt: Die Durchsetzung eigener Vorstellungen allgemeinpolitischer Art ist mit der Gemeinnützigkeit unvereinbar.
Sachverhalt
Der Attac-Trägerverein verfolgt nach seiner in 2010 geänderten Satzung u.a. folgende Ziele: Förderung von Bildung, Wissenschaft, Forschung, des Schutzes der Umwelt, des Gemeinwesens, des demokratischen Staatswesens und der Solidarität (unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung) sowie der Völkerverständigung und des Friedens. Er plant und führt vor allem Aktionen und Kampagnen zu tagespolitischen Themen durch.
Das FA sah den Verein nicht als gemeinnützig an. Dem widersprach das FG im ersten Rechtsgang und bejahte die Gemeinnützigkeit im Hinblick auf die Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO) und die Förderung des demokratischen Staatswesens (Nr. 24). Alle Aktionsformate wie etwa Demonstrationen, Petitionen, Seminare oder öffentliche Veranstaltungen stünden in einem Gesamtzusammenhang zum gemeinnützigen Zweck. Der BFH hob die Entscheidung des FG mit seinem Urteil vom 10.01.2019 - V R 60/17 auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang wies das FG nunmehr die Klage ab. Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner Revision.
Entscheidung des BFH
Wie der BFH bereits in seinem Attac-Urteil entschieden hat, gehört weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 des PartG) noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG) zu den nach § 52 Abs. 2 AO eigenständig steuerbegünstigten Zwecken. Dementsprechend ist der steuerbegünstigten Körperschaft eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung verwehrt. Die Körperschaft darf mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen. Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung kann nur dann begünstigt sein, wenn diese Tätigkeit konkret der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient. Die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen. Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Ziele und deren Verwirklichung erfordert. Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung darf gegenüber dem begünstigten Zweck also nur dienenden Charakter haben. Denn eine derartige Tätigkeit muss in "geistiger Offenheit" erfolgen. Daran fehlt es bei den Betätigungen von Attac. Denn sie bezweckt mit ihren Kampagnen nicht die (begünstigte) politische Bildung, sondern die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung zur Durchsetzung eigener Vorstellungen zu tagespolitischen Themen.
Auswirkungen
Attac kündigte hiergegen eine Verfassungsbeschwerde an. Sofern die Entscheidung des BFH aber Bestand haben sollte, könnte dies Auswirkungen auf andere steuerbegünstigte Organisationen haben, die sich z. B. für die Interessen der Wirtschaft einsetzen und durch eine starke Lobbyarbeit im eigenen Interesse auffallen (falls es sich nicht ohnehin um sog. „Berufsverbände“ handelt, die i. d. R. gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG von der Ertragsteuer befreit sind).