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„Social Freezing“ umsatzsteuerfrei?
Das Finanzgericht Münster hat dieser Auffassung in einem aktuellen Urteil (FG Münster vom 6.2.2020; Az.: 5 K 158/17-U) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH widersprochen. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes steht noch aus.
Gemäß § 4 Nr. 14 UStG werden Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die durch entsprechend qualifizierte Personen (Ärzte, Heilpraktiker etc.) oder Einrichtungen (Krankenhäuser, Rehabilitationszentren etc.) erbracht werden, von der Umsatzsatzsteuer befreit. Werden für Zwecke der künstlichen Befruchtung Ei- oder Samenzellen entnommen und zur Lagerung eingefroren (Kryokonservierung), stellt sich die Frage, ob diese Konservierung ebenfalls zu den Heilbehandlungen in diesem Sinne zählt und damit umsatzsteuerfrei erbracht werden kann.
Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 29.07.2017 (Az.; XI R 23/13 in BStBl 2017 II S. 733) hierzu ausgeführt, dass die Kryokonservierung nur dann zu der steuerbefreiten Heilbehandlung gehört, wenn hiermit ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, wie zum Beispiel zur Herbeiführung einer (ggf. weiteren in der Zukunft liegenden) Schwangerschaft bei einer andauernden organisch bedingten Sterilität.
Die Finanzverwaltung hat sich diese Entscheidung zu eigen gemacht und vertritt ergänzend hierzu die Auffassung, dass die bloße Lagerung durch dritte Unternehmer, wie zum Beispiel Kryobanken, die nicht auch die vorhergehende oder sich ggf. anschließende Fruchtbarkeitsbehandlung erbringen, regelmäßig umsatzsteuerpflichtig ist (A 4.14.2 Abs. 3 S. 4 UStAE).
In dem strittigen Fall hatten sich drei Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu einer Partnerschaft zusammengefunden, die (u. a.) mit ihren Patienten Verträge über die Kryokonservierung von Eizellen/Embryonen abschlossen. Außerdem hatten die Ärzte eine GbR gegründet, deren Gesellschaftszweck im Einlagern von tiefgekühlten Ei- und Samenzellen bestand („Lager-GbR“). Hinsichtlich der Lagerung der vorgenannten Eizellen/Embryonen schlossen die Patienten mit dieser Lager-GbR einen gesonderten Vertrag. Das Finanzamt versagte der Lager-GbR die Steuerbefreiung für die von ihr an die Patienten erbrachten Umsätze mit der Begründung, sie und die Partnerschaft hätten als getrennt voneinander zu beurteilende Unternehmer gehandelt. Die Lager-GbR habe lediglich die bloße nicht steuerbefreite Lagerung der kryokonservierten Eizellen/Embryonen übernommen und damit keine Heilbehandlungsleistung.
Das FG Münster widerspricht dieser Auffassung. Es zieht für seine Entscheidung das Urteil des EuGH vom 18.11.2010 (Az.: C-156/09; Verigen Transplantation Service International) heran. In dem damals entschiedenen Fall wurden dem Patienten durch einen Arzt Gelenkknorpelzellen entnommen und an den Kläger (ein Labor) gesendet. Beim Labor wurden die Proben dann aufbereitet, also durch Züchtung vermehrt, wobei hier nicht mehr medizinisches, sondern weniger qualifiziertes Laborpersonal eingesetzt wurde; danach wurden die gezüchteten Zellen dem behandelnden Arzt zur Reimplantation beim Patienten zurückgesendet. Nach Auffassung des EuGH ist die Vermehrung von Gelenkknorpelzellen im Rahmen der therapeutischen Entnahme und Reimplantation ein „unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil des Verfahrens, dessen einzelne Abschnitte nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können“. Daher gehöre auch die Vermehrung der Gelenkknorpelzellen zu der (von der Umsatzsteuer befreiten) Heilbehandlung. Auch sei es für die Steuerbefreiung unschädlich, dass zeitweise weniger qualifiziertes Personal eingesetzt werde.
In diesem Sinne hat auch das Finanzgericht die Entnahme von Eizellen, deren Konservierung durch Einfrieren und das spätere Einsetzen als ein Gesamtverfahren zu therapeutischen Zwecken angesehen, bei dem die von der Lager-GbR erbrachten Konservierungsleistungen ebenfalls als unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil des Gesamtverfahrens der künstlichen Befruchtung eingestuft werden müssten. Damit kommt es zu dem Ergebnis, dass die Konservierungsleistungen der GbR (ebenso wie die eigentliche Behandlung der Patienten durch die Partnerschaft) von der Umsatzsteuer zu befreien sind.
Weil das FG insoweit von den Vorgaben der Finanzverwaltung abweicht, hat es die Revision ausdrücklich zugelassen (anhängig beim BFH unter dem Az.: V R 10/20).
Bieten Ärzte die Kryokonservierung aus medizinischem Anlass an und wird die damit verbundene Einlagerung direkt mit angeboten und abgerechnet, ist die gesamte Leistung umsatzsteuerfrei. Wird der Einlagerungsvorgang auf einen Dritten ausgelagert, so ist nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung dessen Leistung umsatzsteuerpflichtig, sodass aus Sicht des Patienten das „Gesamtpaket“ teurer wird.
Dieser Wettbewerbsnachteil wird durch das Urteil des FG Münster aufgehoben. Vor diesem Hintergrund sollte die Entscheidung des BFH aufmerksam und mit Spannung verfolgt werden. Bis dahin sollten Umsatzsteuerbescheide mit diesbezüglichen Sachverhalten verfahrensrechtlich offengehalten und ggf. das Ruhen des Verfahrens sowie die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.
Außerdem sei darauf hingewiesen, dass damit weiterhin zu unterscheiden ist zwischen steuerfreien Heilbehandlungen und dem steuerpflichtigen Social Freezing ohne medizinischen Anlass. Sollte sich die Rechtsauffassung des FG Münster durchsetzen, müsste der Dritte, der „einlagernde“ Unternehmer, für jeden Auftrag darüber informiert werden, ob für eine spätere steuerfreie Heilbehandlungsleistung oder für steuerpflichtige Zwecke „eingelagert“ wird.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2020. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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