FG Nürnberg, Urteil vom 1. Februar 2023 (3 K 596/22) – Rechtmäßigkeit der Anforderung von Unterlagen trotz DSGVO

Das FG Nürnberg hat mit Urteil vom 1. Februar 2023 entschieden, dass die Finanzbehörden von Vermietern im Rahmen der Prüfung ihrer Einkommenssteuererklärung die Übermittlung von Mietverträgen und Schreiben über Mietänderungen verlangen können. Die Vermieter können dies nicht mit Hinweis auf Datenschutzrecht verweigern. Aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 und 3 und Art. 9 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat der Gesetzgeber mit § 29b AO für die Finanzbehörden den datenschutzrechtlichen Bereich der Verarbeitung personenbezogener Daten geregelt. Damit bestätigt das FG den Grundsatz „Steuerrecht schlägt Datenschutzrecht“.

Hintergrund

Gestritten wurde vor dem FG Nürnberg über die Rechtmäßigkeit einer Anforderung von Unterlagen durch das Finanzamt von einem Steuerpflichtigen. Im konkreten Fall handelte es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Vermieter und bei den von ihm geforderten Unterlagen um Mietverträge und ggf. Schreiben über Mietänderungen. Diese verlangte das Finanzamt im Zuge der Bearbeitung der vom Vermieter eingereichten Einkommenssteuererklärungen.

Gegen diese Aufforderung legte der Vermieter Einspruch ein, mit der Begründung, die Offenlegung der geforderten Unterlagen sei ohne Zustimmung der jeweils betroffenen Mieter nicht mit den Grundsätzen der DSVGO vereinbar. Das Finanzamt wies diesen Einspruch wiederum als unbegründet zurück und führt in der Einspruchsentscheidung aus, dass es sich bei der konkreten Unterlagenanforderung um ein geeignetes und angemessenes/zumutbares und damit verhältnismäßiges Mittel handelt. Weiterhin beruft sich das Finanzamt auf die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 1 AO. Ferner wird angeführt, dass auch die Grundsätze der DSGVO nicht gegen die Erfüllung der Mitwirkungspflicht sprechen, da dem Vermieter gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO das Recht zusteht, diese personenbezogenen Daten zu verarbeiten; das Recht der Verarbeitung beinhalte so auch die Weitergabe an das Finanzamt.

Die vom Gericht zu klärende Frage war, ob die gesetzlich normierten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren durch die DSGVO eine Einschränkung erfahren.

Kernaussage der Entscheidung des FG Nürnberg

Das FG Nürnberg hat entschieden, dass die Finanzbehörden die Vorlage von Mietverträgen sowie Schreiben über Mietänderungen auch unter der Berücksichtigung der DSGVO zum Zwecke der Prüfung der in der Steuererklärung gemachten Angaben verlangen dürfen.

Die DSGVO ist zwar auch auf Vorlageverlangen der Finanzbehörden anwendbar. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Finanzbehörden ist nach § 29b AO aber zulässig, wenn sie für deren konkrete Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Das FG Nürnberg teilt die Ansicht des Finanzamts, dass nur durch Vorlage aller Mietverträge und Zustimmungserklärungen über Mieterhöhungen die Möglichkeit besteht, die Vermietungseinkünfte zu prüfen. Es bestünden keine sinnvollen oder zumutbaren Alternativen, sodass die Maßnahme erforderlich ist. Und sie ist unter Abwägung der Interessen des Steuerpflichtigen (restriktive Verarbeitung seiner sensiblen Daten) und der Interessen der Finanzbehörden (Datenverarbeitung zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung) auch verhältnismäßig, da die Interessen an einer ordnungsgemäßen und gleichmäßigen Besteuerung überwiegen.

In der Anforderung der Unterlagen ist auch keine rechtswidrig durchgeführte Außenprüfung des Finanzamts zu sehen.

Die Revision wurde zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine höchstrichterliche Entscheidung zu einem Vorlageverlangen des FA unter Berücksichtigung der Grundsätze der DSGVO noch nicht vorliegt. Das Verfahren ist vor dem BFH anhängig.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des FG Nürnberg steht vom Ergebnis her im Einklang mit früheren anderen Urteilen zum Verhältnis von Datenschutz und Steuerrecht. Auch wenn Datenschutz in unserer Rechtsordnung einen sehr hohen Stellenwert hat, am Steuerrecht kommt man damit nicht vorbei. In der Vergangenheit hatten bereits zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsträger erfolglos versucht, die Herausgabe von Daten an die Finanzverwaltung unter Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht zu vermeiden. Es dürfte auch hier zu erwarten sein, dass der BFH das Ergebnis des FG Nürnberg bestätigen wird. Steuerpflichtige sollten keine große Hoffnung darauf setzen, dass sie ein Herausgabe- oder Informationsverlangen der Steuerbehörden unter Hinweis auf Datenschutzpflichten zurückweisen können.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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