Weitreichende Änderungen im Grunderwerbsteuerrecht ab 2024 – mit und ohne Reform

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat den Bundesländern Anfang Juli einen Diskussionsentwurf des Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetzes zur Abstimmung vorgelegt. Der Entwurf setzt einen Teil der seit Ende März bekannten Reformvorschläge des sog. Modernisierungsmodells um. Das Gesetz soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Hintergrund

Der Wegfall der gesamthänderischen Vermögensbindung zum 1. Januar 2024 infolge des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) wirft seit dessen Verkündung im August 2021 Fragen nach dem Anpassungsbedarf im Grunderwerbsteuerrecht auf. Die Abschaffung des Konzepts des Gesamthandsvermögens wirkt sich sowohl auf die Vergünstigungen für Personengesellschaften in den Befreiungsvorschriften der §§ 5, 6 und 7 GrEStG, die damit unanwendbar werden, als auch auf die Berechnungsmethoden bei Anteilsübertragungen nach § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG aus.

Das Ende März bekannt gewordene „Modernisierungsmodell“ des Arbeitskreises Grunderwerbsteuerrecht der Universität Leipzig nahm das MoPeG zum Anlass für eine umfassende Reform, die nicht nur dem Wegfall der gesamthänderischen Mitberechtigung Rechnung trägt, sondern gleichzeitig eine Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens und einen Ausschluss bestehender Gestaltungsmöglichkeiten zum Ziel hat. Der vorliegende Gesetzesentwurf übernimmt und konkretisiert einen Teil dieser Reformvorschläge.

Wichtigste Änderungen des BMF-Diskussionsentwurfs

Die umstrittenen, zuletzt im Mai 2021 reformierten Share-Deal-Tatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG sollen aufgehoben und durch einen rechtsformneutral ausgestalteten, umfangreichen Ergänzungstatbestand des § 1a GrEStG ersetzt werden. Die 10-Jahres-Fristen sowie die 90 %-Grenze werden abgeschafft. Gleichzeitig werden neue Tatbestandsmerkmale „Erwerbergruppe“, „dienendes Interesse“ und „vermittelnde Gesellschaft“ eingeführt. Die Befreiungsvorschriften der §§ 5–7 GrEStG für Personengesellschaften und Umwandlungsvorgänge („Konzernklausel“) sollen aufgehoben und durch eine weit gefasste Befreiungsvorschrift für Konzerne ersetzt werden. Der Kreis der Steuerschuldner wird erweitert.

Nach dem neuen § 1a GrEStG sollen Anteilserwerbe an einer Grundstücksgesellschaft bei Vereinigung der Gesamtheit der Anteile (100 %) besteuert werden. Dabei werden mehrere Anteilserwerber als sog. Erwerbergruppe besteuert, wenn sie ihre Erwerbe miteinander abgestimmt haben. Anteile, die im „dienenden Interesse“ anderer Erwerber gehalten oder erworben werden, werden diesen Erwerbern zugerechnet. Im neuen § 1b GrEStG werden Sondervermögen von offenen Immobilienfonds trotz fehlender Rechtsträgerschaft erstmals in die Besteuerung einbezogen und damit grunderwerbsteuerlich Gesellschaften gleichgesetzt. Die Steuervergünstigung für Umstrukturierungen von Unternehmen soll auf alle Erwerbsvorgänge erweitert werden, wenn sich der „bestimmende Einfluss“ über das Grundstück nicht ändert. Entgegen der ursprünglichen Zielsetzung des „Modernisierungsmodells“ erfolgt allerdings keine Abkehr von den aufwendig zu überwachenden Vor- und Nachbehaltensfristen. Die neue Befreiungsvorschrift enthält fünfjährige Vor- und Nachbehaltensfristen, die diesmal allerdings nicht die Gesellschaft, sondern den Gesellschafter treffen. Entscheidend ist damit, wie lange das Grundstück beim Gesellschafter verbleibt bzw. verblieben ist. Die Nachbehaltensfristen der geltenden Befreiungsvorschriften wurden in der Übergangsvorschrift (§ 23 Abs. 27 GrEStG) ausdrücklich adressiert und sind auch nach dem 1. Januar 2024 weiterhin einzuhalten. Damit hat das MoPeG keine Auswirkungen auf die in der Vergangenheit gewährten Steuerbefreiungen und deren Nachbehaltensfristen. Die Anzeigefrist wird von zwei Wochen auf einen Monat verlängert.

Zur Förderung des Erwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum soll es den Ländern möglich sein, für Rechtsvorgänge im Sinne des § 1 Absatz 1 GrEStG, bei denen der Erwerber des Grundstücks eine natürliche Person ist, einen ermäßigten Steuersatz einzuführen, soweit sich der jeweilige Rechtsvorgang auf ein Grundstück bezieht, das nach dem Erwerb eigenen Wohnzwecken dienen soll.

Das Gesetz soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten und für Erwerbsvorgänge nach dem 31. Dezember 2023 gelten. Die Länder müssen dem Diskussionsentwurf zunächst noch zustimmen. Aus dem Kreis der Bundesländer wird bereits mangelnde Abstimmung vor Veröffentlichung des Reformvorhabens in dieser konkreten Form beklagt.

Bedeutung für die Praxis

Die Abschaffung der Steuerbarkeitsgrenze von aktuell 90 % bei Anteilsübertragungen bedeutet ein Ende der sog. RETT-Blocker-Strukturen, in denen ein Altgesellschafter einen Anteil von mindestens 10,1 % gehalten hat.

Nach dem Gesetzesentwurf soll die Neueinführung der §§ 1a und 1b GrEStG zu nicht bezifferbaren Mehreinnahmen, die Überführung der bisherigen Steuervergünstigungen in §§ 5–6a GrEStG in § 5 GrEStG n. F. und deren Ausweitung dagegen zu Steuermindereinnahmen in Höhe von 310 Mio. € führen. Dieser Prognose liegt die Erwartung zugrunde, dass Share Deals aufgrund eingeschränkter Gestaltungsmöglichkeiten häufiger die Grunderwerbsteuer auslösen werden. Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen sollen dagegen häufiger einer Steuerbefreiung unterliegen.

Die Verlängerung der Anzeigefrist von zwei Wochen auf einen Monat ist begrüßenswert, weil die kurze Anzeigefrist bisher kaum einzuhalten war. Dasselbe gilt für den Wegfall des erst seit Dezember 2022 geltenden § 16 Abs. 4a GrEStG, der eine ausdrückliche Anzeigepflicht von Signing und Closing bei Anteilsübertragungen einführte. Eine Erleichterung für die Praxis ist ferner die neue klarstellende Regelung der Grundstückszurechnung, die auf die Aufgabe der in den Ländererlassen verankerten fiktiven Grundstückszurechnung bei der Muttergesellschaft sowie den Verzicht auf die Maßgeblichkeit der Grundbuchlage bei Umwandlungsvorgängen hindeutet. In beiden Fällen handelt es sich um aktuell geltende Zurechnungsregeln, die die Gefahr einer Doppelbesteuerung desselben Vorgangs begründen.

Eindeutig zeigt sich durch den vorgelegten Diskussionsentwurf, dass die parallel geplante Änderung des § 39 AO im Hinblick auf die Beibehaltung der steuerlichen Transparenz von Personengesellschaften auch nach Ansicht des BMF zwar für Ertragsteuern, nicht aber für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein dürfte.

Letztlich wirft die grundlegende Umgestaltung des Grunderwerbsteuerrechts unvermeidbar zahlreiche Anwendungsfragen auf, die anstatt der erhofften Vereinfachung Rechtsunsicher-heit schaffen. Die neuen unbestimmten Rechtsbegriffe müssen mit Leben gefüllt werden und auch die Definition der „vermittelnden Gesellschaft“ lässt noch konkrete Einzelfragen unbeantwortet.

Schafft es der Gesetzgeber in diesem Jahr nicht, das Grunderwerbsteuerrecht zu reformieren, sind geplante Grundstückstransaktionen zwischen Gesellschaftern und ihren Personengesellschaften bzw. Anteilstransaktionen an grundbesitzenden Personengesellschaften ab 2024 nicht mehr befreit bzw. nur noch genauso eingeschränkt begünstigt wie bei (intransparenten) Kapitalgesellschaften.

Praxishinweis

Mehrstufige Umstrukturierungsprojekte, die über den Jahreswechsel hinaus umgesetzt werden, sollten darauf überprüft werden, ob die angewandten Befreiungsvorschriften zum jeweiligen Stichtag noch Anwendung finden. Dies gilt unabhängig davon, ob die vorgestellte Grunderwerbsteuerreform wie geplant zum 1. Januar 2024 umgesetzt wird.

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Autorin

Paulina Oster
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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