BFH, Urteil vom 20. April 2023 (III R 25/22) – Schranken bei der Änderung von Antrags- und Wahlrechten

Mit seinem Urteil vom 20. April 2023 hat der BFH eine lange Kette von Urteilen zur Ausübung und Änderung von Antrags- und Wahlrechten fortgesetzt. Es gibt leider viele Restriktionen für Steuerpflichtige, die es erschweren, eine einmal getroffene Entscheidung zu ändern. Gerade im Verfahrensrecht lauern Tücken, mit denen Steuerpflichtige häufig nicht rechnen.

Hintergrund

Bei Begünstigungen für Steuerpflichtige sehen die Steuergesetze häufig Antrags- oder Wahlrechte vor. Den Steuerpflichtigen wird also in die Hand gelegt, ob und welche Begünstigung sie gewährt bekommen wollen. So gibt es bei Umwandlungen die Möglichkeit, diese auf Antrag zum Buchwert, also ohne steuerpflichtige Aufdeckung von stillen Reserven vorzunehmen. Bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer haben die Erwerber*innen von Betriebsvermögen die Möglichkeit, sich zwischen der Regelverschonung und der Optionsverschonung zu entscheiden. Im Urteilsfall ging es um die ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 EStG, die Steuerpflichtige einmal im Leben per Antrag in Anspruch nehmen können.

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte der Steuerpflichtige für das Jahr 2007 einen Antrag auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 EStG gestellt, dem das Finanzamt folgte.

Infolge eines Einspruchsverfahrens und einer Betriebsprüfung ergab sich Jahre später nach mehrfacher Änderung des Steuerbescheids bei Abschluss der Steuerveranlagung, dass die ermäßigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns keine großen Auswirkungen mehr auf die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen hatte, sich für ihn also nicht mehr gelohnt hat. Dafür hatte der Steuerpflichtige aber in 2014 einen viel höheren Veräußerungsgewinn aus einer anderen Transaktion erzielt. Da Steuerpflichtige die Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG nur einmal in Anspruch nehmen können, nahm der Steuerpflichtige in dem vom BFH entschiedenen Fall seinen Antrag für das Jahr 2007 zurück und stellte stattdessen einen Antrag auf ermäßigte Besteuerung für das Jahr 2014. Diese Änderung seines Antragsrechtes wurde ihm zunächst vom Finanzamt und schließlich auch vom BFH verwehrt.

Entscheidungsgründe des BFH

Grundsätzlich sind die Ausübung, Änderung und Rücknahme von Antrags- und Wahlrechten nach der Rechtsprechung des BFH so lange möglich, bis der Steuerbescheid, in dem sie sich auswirken, formell und materiell bestandskräftig wird. Solange die Steuerveranlagung also noch nicht formell und materiell abgeschlossen ist, kann der Steuerpflichtige ohne Begründung Antrags- und Wahlrechte ausüben, ausgeübte Rechte wieder ändern oder zurückzunehmen.

Ergehen im Laufe der Steuerveranlagung Änderungsbescheide, kann die Möglichkeit der Ausübung, Änderung und Rücknahme von Antrags- und Wahlrechten aber durch § 351 Abs. 1 AO eingeschränkt sein. Denn dann kann das Verfahrensrecht dazu führen, dass eine Anpassung nur noch im Volumen der durch den Änderungsbescheid geänderten Steuer erfolgen kann.

In dem vom BFH entschiedenen Fall führte § 351 Abs. 1 AO dazu, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag auf begünstigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei der Einkommensteuer 2007 nicht mehr zurücknehmen konnte.

Fazit/Bedeutung für die Praxis

Obwohl Antrags- und Wahlrechte regelmäßig den Zweck verfolgen, Steuerpflichtigen eine Wahlmöglichkeit einzuräumen, wann sie welche Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen wollen, legt das Verfahrensrecht den Steuerpflichtigen viele Steine in den Weg. Neben der vom BFH angesprochenen Sperrwirkung des § 351 Abs. 1 AO, die auch einer späteren Antragstellung im Weg stehen kann, gibt es auch noch Antrags- und Wahlrechte, die aus verfahrensrechtlichen Gründen gar nicht geändert oder zurückgenommen werden können, wie zum Beispiel das Wahlrecht auf Rückbeziehung einer Einbringung gemäß § 20 Abs. 5 UmwG (BFH, Urteil vom 19. Dezember 2018, I R 1/17). Den gesetzlichen Formulierungen sieht man z. B. diese Besonderheit nicht an.

Steuerpflichtige tun gut daran, Antrags- und Wahlrechte nicht einfach spontan auszuüben. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften können schnell dazu führen, dass eine einmal getroffene Entscheidung nicht mehr geändert werden kann. Vor jeder Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts sollte man sich über diese verfahrensrechtlichen Rahmen und Tücken gut informieren.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autor

Bernd Schult
Tel.: +49 30 208 88 1340

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Kontakt