USt-Steuerschuld bei betrügerischer Rechnungsausstellung
Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) lag folgender Anlassfall vor: Eine Gesellschaft betrieb eine Tankstelle, die von einer Arbeitnehmerin der Gesellschaft geleitet wurde. Die Arbeitnehmerin stellte im Namen der Gesellschaft Rechnungen aus, in denen ein Umsatzsteuerbetrag von rund € 319.000 ausgewiesen war. Allerdings gab es keinen tatsächlichen Leistungsaustausch und die Rechnungen wurden ohne Zustimmung oder Wissen der Geschäftsführung ausgestellt. Das Ziel war offenbar, den Empfänger:innen der Rechnungen unrechtmäßige USt-Erstattungen bzw. Vorsteuerabzüge zu ermöglichen. Die Arbeitnehmerin hatte zwar die Befugnis, Rechnungen auszustellen, tat dies jedoch eigenmächtig und betrügerisch.
Nach einer Steuerprüfung setzte die zuständige Behörde die von der Gesellschaft geschuldete USt mittels Bescheid fest. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens gegen den Bescheid wurde der EuGH befragt, ob der Arbeitgeber für die USt verantwortlich gemacht werden kann, wenn ein:e Mitarbeiter:in ohne das Wissen und die Zustimmung des Arbeitgebers falsche Rechnungen ausstellt, und ob dem:der Arbeitgeber:in eine Verletzung seiner Aufsichtspflichten vorgeworfen werden kann.
Entscheidung des EuGH
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte klar, dass derjenige, der eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt, diese auch schuldet – unabhängig davon, ob er schuldhaft gehandelt hat. In diesem Fall stellte sich jedoch die Frage, ob die Gesellschaft selbst als Steuerschuldner in Frage kommen kann, wenn die Rechnung ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung ausgestellt wurde.
Diesbezüglich betonte das Gericht, dass es gegen das Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug laufen würde, jemandem eine Steuerpflicht aufzuerlegen, dessen USt-Identifikationsdaten betrügerisch verwendet wurden. Aus diesem Grund kommt der:die tatsächliche Rechnungsaussteller:in – hier die Arbeitnehmerin – als Steuerschuldner in Frage, selbst wenn er:sie kein:e Steuerpflichtige:r ist.
Die eigentliche Bedeutung des vorliegenden Urteils liegt in der Frage der Verantwortlichkeit der Arbeitgeber:innen. Der EuGH entschied, dass Arbeitgeber:innen eine Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Angestellten haben, wenn diese im Name der Arbeitgeber:innen Rechnungen ausstellen dürfen. Wird diese Pflicht verletzt, etwa durch mangelnde Aufsicht, kann den Arbeitgeber:innen das Handeln der Mitarbeiter:innen zugerechnet werden, sodass die Arbeitgeber:innen die USt in den Rechnungen schuldet. Der EuGH erklärte, dass Arbeitgeber:innen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um zu verhindern, dass ihre Mitarbeiter:innen in Steuerbetrug verwickelt werden.
Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass Arbeitgeber:innen eine umfassende Verantwortlichkeit und Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit Handlungen ihrer Mitarbeiter:innen tragen – insbesondere dann, wenn Mitarbeiter:innen dafür zuständig sind, im Namen und auf Rechnung ihrer Arbeitgeber:innen USt-Rechnungen auszustellen. Wird diese Sorgfaltspflicht verletzt, können Arbeitgeber:innen für die entstehende Steuerforderung haftbar gemacht werden, auch wenn sie von den betrügerischen Handlungen ihrer Mitarbeiter:innen nichts wussten.