Zum Umfang der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 20 GewStG und Fragen der Gewinnermittlung

Das Finanzgericht Münster hat in seiner Entscheidung vom 15.11.2024 (AZ: 12 K 817/19 G, F) u.a. zu folgenden steuerlich interessanten Fragen Stellung genommen:
  • Anwendung des § 3 Nr. 20 GewStG auf den Patientenfahrservice einer Klinik sowie die Erträge aus der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen
  • Berechnungsgrundlage für die Verwaltungskostenumlage
  • Zeitpunkt der Bildung von Steuerrückstellungen

Sachverhalt

Bei der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, die eine Klinik betreibt, wurden im Rahmen der Betriebsprüfung seitens der Finanzverwaltung einzelne als Betriebsausgaben angesetzte Kosten nicht anerkannt. Die Betriebsausgaben betrafen diverse Leistungen von einer nahestehenden GmbH an die Klägerin, die diese auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung bezog.

Die Berechnung der Entgelte erfolgte in der Form, dass die nicht direkt zurechenbaren Kosten nach Maßgabe des Kostenanteils der KG an den Gesamtkosten der Dienstleistungs-GmbH auf Basis deren Personaleinsatzes zzgl. 5 % Gewinnaufschlag in Rechnung gestellt wurden. Die Betriebsprüfung hat den Ansatz eines anderen Berechnungsschlüssels gefordert und die Gewinnermittlung entsprechend korrigiert.  

Ferner hatte das Gericht zu entscheiden, in welchem Geschäftsjahr eine Rückstellung für steuerliche Auswirkungen von Prüfungsfeststellungen gebildet werden darf. Die Betriebsprüfung war der Auffassung, dass die nach der Betriebsprüfung entstandenen Umsatzsteuernachzahlungen bereits in den Jahren der Steuerentstehung als Rückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB zu berücksichtigen wären. Dementsprechend wurde die Gewinnermittlung korrigiert.

Ein weiterer in der Betriebsprüfung aufgegriffener Punkt betraf die Frage der gewerbesteuerlichen Behandlung von Entgelten für Begleitpersonen von Patienten. Die entsprechenden Kosten für die Verpflegung und Unterbringung wurden entgegen der Handhabung durch die Klägerin seitens der Betriebsprüfung zu 95 % als gewerbesteuerpflichtig behandelt und der Besteuerung unterworfen. Ebenfalls strittig war in diesem Zusammenhang, ob die Transportleistungen der Klägerin gegenüber ihren Patienten als gewerbesteuerfreie Leistungen zu qualifizieren waren. Hier vertrat die Betriebsprüfung ebenso die Auffassung, dass der Transport der Patienten zur Klinik und nach Hause nach dem Abschluss der Behandlung nicht in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 20 GewStG falle.              

Entscheidung des FG

Die Klage war zum Teil erfolgreich.

Hinsichtlich der Kürzung der Betriebsausgaben vertrat das Gericht die Auffassung, dass grundsätzlich die zivilrechtlich wirksamen Vereinbarungen auch steuerlich Geltung haben. Aufgrund des im Urteilsfall vorliegenden Näheverhältnisses war darüber hinaus die Überprüfung nach dem Fremdvergleichsmaßstab auszurichten, der jedoch nach Auffassung des Gerichts zu keinem anderen Ergebnis führte.

Das Gericht stellte insbesondere darauf ab, dass die Steuerpflichtigen nicht zwingend eine „Methode“ zur Ermittlung eines Entgelts verwenden müssen. Der im Urteilsfall zur Prüfung stehende Ansatz ausschließlich auf der Grundlage des Personaleinsatzes zzgl. eines Gewinnaufschlags sei nach Ansicht des Gerichts eine grundsätzlich fremdübliche Vergütungsstruktur im bilateralen Verhältnis zwischen dem Dienstleister und dem Empfänger für die im Streitfall vorliegenden Leistungen. Der Betriebsprüfung bzw. dem beklagten Finanzamt oblag die Darlegungslast darüber, dass die festgelegten Entgelte die Bandbreite der fremdüblichen Preise überschritten habe. Diesen Nachweis hat die Behörde nicht erbracht. Dementsprechend hat das Gericht die Anerkennung der angesetzten Betriebsausgaben der Klägerin zugesprochen.     

Bezogen auf die Fahrserviceleistungen der Klägerin gegenüber ihren Patienten sowie die Kosten für die Aufnahme von Begleitpersonen ordnete das Gericht entsprechende Erträge dem Grunde nach zum steuerbefreiten Bereich zu. Denn nach Ansicht des Gerichts handelt es sich dabei um Leistungen, die aus dem Betrieb der Einrichtung gem. § 3 Nr. 20 GewStG (hier Krankenhaus) selbst erzielt werden und somit als steuerfrei zu behandeln sind. So wird auch dem Ziel der Vorschrift – nämlich, die Sozialversicherungsträger von zusätzlichen Kosten zu entlasten – Rechnung getragen.

Bei der Prüfung der steuerfreien Zuordnung von Erträgen aus der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen i. R. d. § 3 Nr. 20 GewStG sei nach Auffassung des Gerichts insbesondere darauf abzustellen, ob die Unterbringung der Begleitpersonen einen nachweisbar (unmittelbaren) medizinischen Nutzen für die Versorgung und/oder Genesung der Patienten habe. Bei den Transportleistungen sah das Gericht die Voraussetzungen der Steuerbefreiung uneingeschränkt als gegeben an.         

Zu der Frage, in welchem Veranlagungsjahr die Rückstellung für Steuernachzahlung zu bilden sei, wendet sich das Gericht unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (H 4.9. amtl. EStH). Nach Auffassung des Gerichts sei eine Rückstellung frühestens in dem Jahr vorzunehmen, in dem der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat, und zwar unabhängig davon, ob der Steuernachzahlung eine Steuerhinterziehung zugrunde liegt oder nicht.

Das Gericht hat insbesondere hinsichtlich der Fragestellungen des Umfangs der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG und des Zeitpunkts der Rücklagenbildung die Revision zugelassen.  

Fazit

Die Entscheidung steht hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 3 Nr. 20 GewStG in einer Reihe weiterer Entscheidungen, die diese Befreiungsnorm konkretisieren und einzelne Leistungen bewerten (z.B. FG Berlin-Brandenburg vom 11.03.2025, Urteilsbesprechung in HC-Newsletter 3/2025), und ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Entscheidungen können als Argumentationsgrundlage für die steuerliche Bewertung der eigenen Leistungen von den entsprechenden Krankenhaus-Trägern herangezogen werden und können auch für steuerbegünstigte Krankenhausträger im Rahmen des Anwendungsbereichs des Krankenhauszweckbetriebs nach § 67 AO ggf. relevant sein.

Ausweislich der Homepage des BFH hat die Finanzverwaltung Revision zur Frage des Umfangs von § 3 Nr. 20 GewStG eingelegt. Inwiefern auch die Frage der Rückstellungsbildung im Rahmen der Revision entschieden wird, ist nicht ersichtlich. Eine Klarheit vonseiten des BFH wäre hier wünschenswert.

 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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