VK Bund – Dienststellenähnliche Kontrolle und Berücksichtigung einer institutionellen Förderung bei Inhouse-Vergaben

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 29. Juli 2024 (VK 2 – 61/24) entschieden, dass die im Rahmen der Inhouse-Vergabe erforderliche dienststellenähnliche Kontrolle über eine juristische Person nach § 108 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB) voraussetze, dass sich deren beschlussfassende Organe ausschließlich aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen. Ferner müsse eine institutionelle Förderung bei der Anwendung der 80-Prozent-Regelung nach § 108 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB („Wesentlichkeitskriterium“) außer Acht bleiben.

Zum Sachverhalt

Die Antragsgegnerin (Ag) beabsichtigte, die Beigeladene (Bg) im Wege einer Direktvergabe mit Forschungsdienstleistungen zu beauftragen. Im Rahmen der freiwilligen Ex-ante-Transparenzbekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB teilte sie mit, dass es sich hierbei um eine Inhouse-Vergabe im Sinne des § 108 Abs. 1, 4 und 5 GWB handele.

Satzungsgemäße Aufgaben der Bg – einer gemeinnützigen Gesellschaft – sind naturwissenschaftlich-technische Forschung und Entwicklung. An der Bg sind der Bund und das Land X beteiligt. Der Aufsichtsrat der Bg besteht aus höchstens 12 Mitgliedern, von denen vier durch den Bund und zwei durch das Land entsandt werden. Fünf weitere Mitglieder werden von der Gesellschafterversammlung gewählt. Der*Die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Bg ist ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrates.

Die Einnahmen der Bg bestehen zu über 50 Prozent aus einer institutionellen Förderung, die die Bg vom Bund und dem Land zur Aufwandsdeckung des laufenden Betriebs und zur Realisierung von Investitionen aus Haushaltsmitteln erhält.

Die Antragstellerin (Ast), die die streitgegenständlichen Leistungen gegenwärtig für die Ag erbringt, stellte einen Nachprüfungsantrag, in dem sie gegen die beabsichtigte Direktvergabe vorging. Als Begründung führte sie an, dass die Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe nicht vorlägen.

Die Entscheidung

Die VK hielt den Antrag für begründet und untersagte der Ag, den Auftrag im Wege der Direktvergabe an die Bg zu vergeben.

Die Vergabekammer stützte ihre Entscheidung insbesondere auf zwei Argumente:

  • Nach § 108 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 GWB erfordere eine dienststellenähnliche Kontrolle über die juristische Person, dass sich deren Entscheidungsorgane ausschließlich aus Vertretern aller beteiligten öffentlichen Auftraggeber zusammensetzten. Der Begriff „ausschließlich“ ist in der Vorschrift zwar nicht zu finden; da allerdings die Begrenzung auf Vertreter der teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber ohnehin selbstverständlich und schon vom Begriff „zusammensetzen“ gedeckt sei, wäre die Verwendung dieses Zusatzes überflüssig. Muss sich ein Gremium aus Vertretern der teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber zusammensetzen, so impliziere dies eine Ausschlusswirkung zulasten anderer. Andernfalls müsse die Formulierung lauten, dass jeder teilnehmende öffentliche Auftraggeber in dem Gremium vertreten sein muss, was – anders als „zusammensetzen“ – keine Ausschlusswirkung in Bezug auf andere Vertreter beinhalten würde. Die relevante Aussage in § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB liege vielmehr im Kontext der gemeinsamen Kontrolle durch mehrere öffentliche Auftraggeber darin, dass jeder öffentliche Auftraggeber, der Gesellschafter der juristischen Person ist, auch in den Leitungsorganen vertreten sein müsse, um an der gemeinsamen Kontrolle teilzuhaben und sich auf die Inhouse-Privilegierung berufen zu können.
  • Zudem sei auch das Wesentlichkeitskriterium im Sinne des § 108 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB, nach welchem mehr als 80 Prozent der Tätigkeit der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen muss, mit denen sie von dem bzw. den öffentlichen Auftraggeber(n) betraut wurde, hier nicht erfüllt. Die von der Bg genannte institutionelle staatliche Förderung sei kein „Umsatz“ in diesem Sinne, da sie keine Art von Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit darstelle und demnach bei der Berechnung des 80-Prozent-Anteils außer Betracht bleiben müsse. Das Betreiben von Wissenschaft und Forschung als generelle Zweckbestimmung der Bg stelle keine Aufgabenbetrauung im Sinne des § 108 GWB dar. Die institutionelle Förderung sei damit weder „Gesamtumsatz“ noch ein „anderer tätigkeitsgestützter Wert“ (i. S. d. § 108 Abs. 7 GWB).

Die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes ist noch nicht bestandskräftig, da die Ag Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt hat.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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