EU-Parlament beschließt in erster Lesung die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD)

Das EU-Parlament hat am 14. März 2023 in erster Lesung eine ambitionierte Position zur Neufassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (im Folgenden: „EPBD“) beschlossen. Zwar ist der Beschluss des EU-Parlamentes noch nicht verbindlich, aber er stellt die Grundlage der nun daran anknüpfenden Verhandlungen mit dem Europäischen Rat über die verbindliche inhaltliche Ausgestaltung der Gebäuderichtlinie dar.

Nach Maßgabe der EPBD soll das für die gesamte EU beschlossene Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 auch im Gebäudesektor erreicht werden. Im Kern der EPBD steht daher die Sanierung von energieineffizienten Gebäuden sowie die Emissionsfreiheit von Neubauten. Konkret sollen Neubauten ab dem Jahr 2028 emissionsfrei sein und Bestandsgebäude bis 2050 schrittweise in Nullemissionsgebäude umgebaut bzw. saniert werden. Das EU-Parlament hat im ersten Schritt bereits konkrete Sanierungsverpflichtungen mit straffem Zeitplan zur Erreichung energieineffizienterer Wohn- und Nichtwohngebäude bis spätestens 2030 bzw. 2033 und 2027 bzw. 2030 vorgeschlagen. Die Energieeffizienz ist anhand einer Skala von A (Nullemissionsgebäude) bis G (sehr energieineffizient) einzuordnen.

Die langfristige Renovierungsstrategie sollen die Mitgliedstaaten bis zum 30. Juni 2024 in einem vorläufigen Gebäuderenovierungsplan und bis zum 30. Juni 2025 in einem verbindlichen Gebäuderenovierungsplan darlegen. Darin soll in einem zweiten Schritt festgelegt werden, ab wann welche Gebäudekategorien welcher Gebäudeeffizienz mit einer verbindlichen Sanierungspflicht und Zielvorgaben für die Jahre 2040 und bis 2050 belegt werden. Wohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz sollen vorrangig saniert werden müssen.

Die wesentlichen Regelungsinhalte mit allgemeinem Immobilienbezug aus dem mehr als 147 Seiten umfassenden Richtlinienentwurf beinhalteten u. a. die folgenden Eckpunkte, die wir hier nur überblicksmäßig wiedergeben.

Bau- und Sanierungspflichten für Gebäude

  • Nach den beschlossenen Änderungswünschen des EU-Parlaments sollen alle Neubauten ab dem 1. Januar 2028 emissionsfrei sein. Ein Gebäude ist insbesondere dann emissionsfrei, wenn es keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursacht. Für Neubauten, die Behörden nutzen und anmieten (!), betreiben oder besitzen, soll das schon ab dem 1. Januar 2026 gelten. Zudem sollen alle Neubauten bis zum 31. Dezember 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden.
  • Alle Bestandsgebäude sollen bis 2050 emissionsfrei sein. Bestandsgebäude, die Nichtwohngebäude sind, sollen ab dem 1. Januar 2027 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und ab dem 1. Januar 2030 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse D haben.
  • Bestandsgebäude, die Wohngebäude sind, sollen ab dem 1. Januar 2030 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und ab dem 1. Januar 2033 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse D haben.
  • Bestandsgebäude sollen mit Solaranlagen ausgestattet werden. Im Einzelnen sollen bis zum 31. Dezember 2026 alle bestehenden öffentlichen Gebäude und alle Nichtwohngebäude (Büros etc.) mit Solaranlagen ausgestattet werden; und bis zum 31. Dezember 2032 alle Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden.
  • Für die Renovierung aller anderen Gebäude legt jeder Mitgliedstaat Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz in seinem nationalen Gebäudesanierungsplan fest, in dem die Renovierungspflichten mit Zielvorgaben für 2040 und bis 2050 festzulegen sind.
  • Ausgenommen von der Regelung sollen denkmalgeschützte bzw. zu erhaltende historische Gebäude sein. Aus diesem Grund sollen die Mietglieder ihre derzeitige Einstufung von denkmalgeschützten Gebäuden überprüfen und bis zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie möglichst sämtliche dies betreffende Gebäude in den Status des Denkmalschutzes überführen. Zusätzliche Ausnahmeregelungen können die EU-Staaten für folgende Gebäudekategorien beschließen:
    • Gebäude, die für Gottesdienste und religiöse Zwecke genutzt werden;
    • provisorische Gebäude mit einer Nutzungsdauer bis einschließlich zwei Jahren, infrastrukturelle Versorgungspunkte, Industrieanlagen, Werkstätten, nicht Wohnzwecken dienende Betriebsgebäude und landwirtschaftliche Nutzgebäude mit niedrigem Energiebedarf sowie landwirtschaftliche Nutzgebäude, die in einem Sektor genutzt werden, auf den ein nationales sektorspezifisches Abkommen über die Gesamtenergieeffizienz Anwendung findet;
    • Wohngebäude, die weniger als vier Monate jährlich genutzt werden oder werden sollen, oder alternativ Wohngebäude, die für eine begrenzte jährliche Dauer genutzt werden oder werden sollen und deren zu erwartender Energieverbrauch weniger als 25 % des zu erwartenden Energieverbrauchs bei ganzjähriger Nutzung beträgt;
    • freistehende Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von weniger als 50 m²;
    • Sozialwohnungen, bei denen Renovierungen zu Mieterhöhungen führen würden.

Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in bzw. an Gebäuden

Die Infrastruktur für nachhaltige Mobilität soll ebenfalls ausgebaut werden. Eine neue Norm-Vorgabe soll u. a. ein „Laderecht“, d. h. die verpflichtende Installation von Ladepunkten in neuen und größer renovierten Nichtwohngebäuden sein.

  • Neue Nichtwohngebäude und Nichtwohngebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, oder wenn ein verbundenes Parkhaus mit mehr als fünf vorhandenen Stellplätze renoviert wird, sollen mindestens einen Ladepunkt je fünf Stellplätze erhalten.
  • Bestandsgebäude, die Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen sind oder mit mindestens 10 Stellplätzen sollen mindestens einen Ladepunkt bzw. einen je 20 Stellplätze erhalten.
  • Neue Wohngebäude und Wohngebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, sollen die Vorverkabelung für jeden Stellplatz und mindestens einen Ladepunkt erhalten.

Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz

Bis zum 31. Dezember 2025 sollen alle Energieausweise über die Gesamtenergieeffizienz auf einer europaweit neu skalierten und harmonisierten Skala von Gesamtenergieeffizienzklassen beruhen. Aktuell verwendet etwa Deutschland Energieausweise mit einer Skala von A bis H, während die EU zukünftig eine Skala von A bis G vorschreiben will. Die höchste Klasse A wird dabei für Nullemissionsgebäude vergeben, während die niedrigste Klasse G die 15 % der Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz im nationalen Gebäudebestand umfasst. Gleichzeitig soll die Gültigkeitsdauer der Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz der unteren Klassen D bis G auf fünf Jahre verkürzt werden.

Digitale Renovierungspässe für Bestandsgebäude

Bis zum 31. Dezember 2024 soll ein System von „Renovierungspässen“ eingeführt werden. Der Renovierungspass soll von zertifizierten Sachverständigen nach Inaugenscheinnahme des jeweiligen Gebäudes erstellt werden und einen maßgeschneiderten Fahrplan für die umfassende Renovierung des jeweiligen Gebäudes enthalten. Darin soll eine maximale Anzahl von aufeinanderfolgenden Renovierungsschritten nebst Kostenschätzung aufgelistet sein, durch die das Gebäude bis spätestens 2050 zu einem Nullemissionsgebäude umgebaut wird.

Der Renovierungspass soll dabei auch zusätzliche Informationen über alle größeren Renovierungen des Gebäudes enthalten, wie Installationen oder Änderungen eines gebäudetechnischen Systems, die die Gesamtenergieeffizienz oder Teile der Gebäudehülle betreffen. Daneben können die Renovierungspässe auch Information zur Zusammensetzung des Haushalts und alle nicht energierelevanten Renovierungen enthalten.

Digitales Gebäudelogbuch

Gebäudeeigentümer, Mieter und Verwalter sowie ggfs.Dritte sollen über ein zentrales Register direkten Zugang zu den Daten der Gebäudesysteme und der gebäudetechnischen Systeme haben. Das sog. digitale Gebäudelogbuch ist ein Register, in das Gebäudedaten, wie die Gesamtenergieeffizienz, ihr Lebenszyklus und die Raumklimaqualität, zum Zwecke des Informationsaustauschs zwischen Bauwirtschaft, Gebäudeeigentümern und -bewohnern, Finanzinstituten und Behörden eingetragen werden sollen. Auch Renovierungspässe und Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz sollen in das digitale Gebäudelogbuch eingebunden und in mehreren Stufen gesammelt werden.

Förderprogramme

Der Zugang zu Zuschüssen und Finanzierungen zwecks Gebäudesanierung soll erleichtert werden. Dazu sollen erschwingliche Bankkredite, spezielle Kreditlinien oder vollständig öffentlich finanzierte Renovierungen einschließlich ermäßigter Steuersätze für Renovierungsarbeiten und Renovierungsmaterialien gewährt werden. Finanzielle Zuschüsse und Beihilfen sollen vor allem schutzbedürftige Haushalte erhalten. Sofern die Mitgliedstaaten Eigentümern finanzielle Anreize für die Renovierung vermieteter Gebäude anbieten, soll sichergestellt sein, dass die finanziellen Anreize sowohl den Eigentümern als auch den Mietern zugutekommen.

Mieterschutz und Obergrenzen für Mieterhöhungen

Die Mitgliedstaaten sollen Schutzmaßnahmen für sozial schwache Haushalte einführen. Dabei ist u. a. die Gewährung von Mietzuschüssen, die Einführung von Obergrenzen für Mieterhöhungen oder die Einführung eines „Pay-as-you-save-Finanzierungssystems“ für Mieterhöhungen vorgesehen, mit dem sichergestellt wird, dass Mieterhöhungen die Einsparungen bei den Energierechnungen nicht übersteigen.

Fazit und Ausblick

Auf die vielen (EU-)Immobilieneigentümer*innen dürften in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erhebliche Sanierungspflichten und -kosten zu kommen. Unbestritten ist zwar, dass der Gebäudesektor einen erheblichen Teil des CO2-Ausstoßes verursacht und effektive Maßnahmen zum Klimaschutz hier zwingend erforderlich sind. Die Geschwindigkeit sowie die diversen Anforderungen aus verschiedenen Gesetzen und Gesetzesvorhaben dürfte aber eine Vielzahl an Immobilieneigentümer*innen – sowie letztlich auch Mieter*innen – trotz etwaiger staatlicher Förderung finanziell überfordern und im Extremfall zu Notverkäufen führen.

Hinsichtlich des vom EU-Parlament vorgelegten Entwurfes der EPBD bleibt zwar abzuwarten, in welcher verbindlichen Ausgestaltung die EPBD beschlossen wird. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auf Grundlage des „EU-Sanierungszwangs“ sich die meisten Eigentümer*innen über kurz oder lang mit umfassenden Renovierungspflichten konfrontiert sehen werden, sofern sie nicht in den letzten Jahren einen Neubau nach neuesten energetischen Standards errichtet haben. Auch wenn es fraglich erscheint, ob sich energetische (Mindest-)Anforderungen bei allen Gebäuden technisch umsetzen lassen und ob ausreichend Handwerker*innen zur Verfügung stehen, dürfte das politische Ziel „Klimaneutralität“ im Vordergrund stehen. Da die Sicherstellung des Mieterschutzes zudem eine „Leitlinie“ der EPBD ist, sollten Investoren und vermietende Eigentümer*innen vorsorglich weitere Einschränkungen bei den Mieterhöhungsmöglichkeiten einplanen.

Vor dem Hintergrund, dass den Mitgliedstaaten ein gewisser Handlungsspielraum bei der Festlegung ihres weiteren Sanierungsplans und den Schritten zur Umsetzung der Klimaneutralität zugestanden werden soll, erschien es angesichts der aktuellen Diskussion zum Klimaschutz in Deutschland zunächst denkbar, dass der deutsche Gesetzgeber einen „überobligatorischen“ Maßstab für die Sanierungspflichten nebst Zeitschienen ansetzen wird. Erste Äußerungen der Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sprechen allerdings eher dagegen. Die Ministerin befürwortet einen sogenannten Quartiersansatz. Danach müsse nicht jedes einzelne Gebäude seinen CO2-Ausstoß senken, sondern ein Quartier insgesamt, also z. B. ein Stadtteil oder ein Dorf. Nach Frau Geywitz’ Ansatz sorgten die gut gedämmten Neubauten im Wohnviertel dafür, dass die Altbauten nicht sofort saniert werden müssten, weil nicht jedes Haus einzeln betrachtet werde. Die Ministerin hofft zudem auf freiwillige Maßnahmen bei den Hauseigentümer*innen. Denn wenn das Haus verkauft werde, werde der*die Käufer*in schon allein wegen der hohen Energiepreise sanieren wollen. Beim Kaufpreis schlage sich der Sanierungsbedarf nieder.

Autoren

Dr. Jan Christoph Funcke
Tel: +49 30 208 88 1432

Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1412

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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