BGH – Die Erheblichkeit bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses
Der BGH hat – entgegen der Rechtsauffassung des LG Berlin – klargestellt, dass die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands gemäß §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Var. 2, 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen ist.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf
Der Beklagte ist seit 2005 Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin. Von der Bruttomiete in Höhe von monatlich 704,00 € blieb der Beklagte für den Monat Januar 2018 135,41 € schuldig und für Februar 2018 entrichtete er keine Miete. Wegen dieser Rückstände erklärte der Kläger die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietvertrags. Später glich der Beklagte, der die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB bereits weniger als zwei Jahre zuvor in Anspruch genommen hatte, den Zahlungsrückstand vollständig aus. Das Amtsgericht hat der vom Kläger erhobenen Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben.
Auf die Berufung des Beklagten hat das LG Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Var. 2 BGB nicht gegeben sei. Zwar übersteige der Gesamtbetrag des Mietrückstands von 839,41 € eine Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB). Jedoch sei für den ersten der beiden Monate (Januar 2018) kein „nicht unerheblicher Teil der Miete“ offen geblieben. Der Rückstand für diesen Monat (135,41 €) betrage nur 19 % der Monatsmiete von 704,00 €. Als nicht unerheblicher Rückstand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Var. 2 BGB könne hingegen nur ein Mietanteil in Höhe von „etwa“ einer hälftigen Monatsmiete angesehen werden. Auch die ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB führe nicht zur Beendigung des Mietvertrages, da aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigungserklärung geringen Verzugsdauer die Grenze zu einer „nicht unerheblichen Pflichtverletzung“ nicht überschritten sei.
Urteil des BGH
Der BGH hat der Rechtsauffassung des LG Berlin mit Hinweis auf den Wortlaut des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a Var. 2 BGB eine klare Absage erteilt und bestätigt seine Rechtsprechung zur alten Rechtslage (Urteil vom 15. April 1987 – VIII ZR 126/86), wonach die Erheblichkeit allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen ist. Der Gesamtrückstand sei – wie hier – jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteige. Eine darüber hinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu einer Monatsmiete sehe das Gesetz nicht vor.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung schafft – insbesondere in Berlin – die nötige Rechtssicherheit für Vermieter beim Ausspruch von außerordentlichen Kündigungen gemäß §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Var. 2, 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB.
Ob Extremfälle (z. B. im ersten Monat wird die Miete vollständig nicht entrichtet, im zweiten Monat fehlt nur 1 Cent der Miete) unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben anders zu bewerten sind, hat der BGH offengelassen. Nach der reinen Gesetzeslage reicht ein derartiger Gesamtrückstand für die Kündigung nach §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Var. 2 BGB jedenfalls aus.
Autor
Moritz Tilman Achelis
Tel: +49 30 208 88 1411
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnierenund erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.