Vermeidung von Überraschungen im Bauablauf und Kosten bedeutet Schonung des Baubudgets

Schlaglichter auf die aktuelle Rechtsprechung und Rechtsentwicklung.

1.     Auf die Vereinbarung einer wirksamen Vertragsstrafenklausel im Bauvertrag/VOB-Vertrag achten

Eine Vertragsstrafenklausel ist regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen (also als Teil der AGB) und Verwender ist bei öffentlichen Aufträgen in der Regel die öffentliche Hand. Gesicherte Rechtsprechung deckelt die Vertragsstrafe auf max. 5 % (BGH NJW 2003, 1805), wobei die Bezugsgröße mal die Auftragssumme und mal die Abrechnungssumme ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden, eine Vertragsstrafenklausel in einem Einheitspreisvertrag, die an die Überschreitung der Fertigstellungsfrist anknüpft und als Bezugsgröße die Auftragssumme (netto oder brutto) bestimmt, sei aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn bei einem Einheitspreis sei eine nachträgliche Reduzierung des Auftragsvolumens denkbar, sodass die Bestimmung der Auftragssumme als Bezugsgröße dazu führe, dass der nach Aufmaß zu bemessende (geringere) Vergütungsanspruch um mehr als 5 % verringert werde. Als Bezugsgröße für die maximale Vertragsstrafe von 5 % sei daher bei einem Einheitspreisvertrag ausschließlich die Abrechnungssumme zu bestimmen, damit die Vertragsstrafenklausel in AGB wirksam sei.

[BGH, Urteil vom 15. Februar 2024, VII ZR 42/22, NJW 2024, 1413].

2.     Bloß keine Anordnungen zur Bauzeit

Die Bauzeit ist für den Auftragnehmer Teil seiner Kalkulationsgrundlagen. Anordnungen zur Bauzeit sind daher von § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B nicht erfasst; diesen muss der Auftragnehmer keine Folge leisten. Bei der Anordnung handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll (BGH Baurecht 19 92,759). Störungen des Bauablaufs, selbst wenn aus der Sphäre des Auftraggebers stammend, sind nicht als Anordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 VOB/B zu werten, sodass auch ein Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ausscheidet.

Der BGH hat nun entschieden, dass weder die Information des Auftraggebers über eine aus seiner Sphäre stammende Behinderung des Bauablaufs als Anordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 VOB/B zu werten ist noch die Übersendung eines entsprechend geänderten Bauablaufplans, wenn mit diesem lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird, und auch dann, wenn verlängerte Ausführungsfristen zeitlich konkretisiert werden.

Da einseitige Willenserklärungen stets auslegungsfähig sind, ist stets darauf zu achten, bauzeitliche Anordnungen gegenüber dem Auftragnehmer zu vermeiden, ebenso die Übersendung von Bauablaufplänen, da es stets auf den Einzelfall ankommt. Denn folgt der Auftragnehmer einer bauzeitlichen Anordnung, hat er Anspruch auf eine Beschleunigungsvergütung.

[BGH, Urteil vom 19. September 2024, VII ZR 10/24, NJW 2024, 3716]

3.     Der mühsame Weg zu einem Entschädigungsanspruch bei unverschuldeter Bauablaufstörung aus der Sphäre des Auftraggebers

Auch wenn den Auftraggeber kein Verschulden an einer Bauablaufstörung (Behinderung der Leistungen) trifft, steht dem Auftragnehmer grundsätzlich ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB zu. Doch der Auftraggeber kann aufatmen – der BGH hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung unter Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen für einen Entschädigungsanspruch erforderlich sind – eine kostspielige und langwierige Mammutaufgabe für den Auftragnehmer.

[BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024, VII ZR 147/22 (Nichtzulassungsbeschwerde gegen OLG Celle, Beschluss vom 24. Juni 2022, 14 U 27/22 zurückgewiesen)]

4.     Aufstockungsklage des Architekten gegen die öffentliche Hand – unverändert ein Damoklesschwert

Das Preisrecht der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom 10. Juli 2013 (HOAI 2013) verstößt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019, C-377/17, BauR 2019, 1624) gegen die Dienstleistungsrichtlinie vom 12. Dezember 2006.

Die Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI 2013 ist demnach zwar richtlinienwidrig, doch die öffentliche Hand darf sich nicht zu ihren Gunsten gegen eine sogenannte Aufstockungsklage (Abrechnung des Honorars nach den Mindestsätzen) durch den Architekten auf die Richtlinienwidrigkeit berufen. Dafür müsste die öffentliche Hand die Richtlinie umsetzen, was bisher nicht erfolgt ist.

Die Mindestsätze der HOAI 2013 sollte daher auch die öffentliche Hand weiterhin nicht unterschreiten, um nicht von einer Aufstockungsklage des Architekten überrascht zu werden.

[BGH, Beschluss vom 14. Februar 2024, VII ZR 221/22, BauR 2024, 959]

5.     Die anerkannten Regeln der Technik als vereinbarte Beschaffenheit treiben die Kosten und verhindern innovatives Bauen (z. B. Gebäudetyp E oder modulares Bauen)

Der BGH wertet die anerkannten Regeln der Technik (und deren Einhaltung zum Zeitpunkt der Abnahme der Leistungen) als vertraglich vereinbarten Mindeststandard und eine Abweichung von ihnen als Werkmangel (BGH NJW 2013, 1226).

Der Referentenentwurf des Gebäudetyp-E-Gesetzes vom 21. Juni 2024 springt auch nach Auffassung der Arbeitskreise I und VI des 10. Deutschen Baugerichtstages (Tagung am 23. und 24. Mai 2025) zu kurz. Die Diskussion über Änderungen und auch moderate Gesetzesanpassungen an die Erfordernisse der Bauwirtschaft und die (privaten und öffentlichen) Bauherren nimmt Fahrt auf, konkrete Empfehlungen liegen auf dem Tisch. Forvis Mazars wird über den Fort- und Ausgang berichten.

Autor: Dr. Stephan Cramer

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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