Soziale Einrichtungen, Persönliches Budget und Steuerfreiheit
Persönliches Budget soziale Einrichtungen
Hintergrund und Sachverhalt
Menschen mit Behinderungen können gem. SGB IX (Neuntes Sozialgesetzbuch zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) Anspruch auf verschiedene Leistungen von Sozialhilfeträgern haben. Diese Leistungen können zum einen als Sachleistungen ausgeführt werden. Daneben kommt nach § 29 SGB IX ein sogenanntes Persönliches Budget in Betracht, das in Geld ausgezahlt wird und das die Betroffenen für Leistungen nach ihrem zuvor ermittelten Bedarf verwenden können.
In dem hier besprochenen Fall hatten Menschen mit Behinderung (Budgetnehmer) bei dem für sie zuständigen Leistungsträger (Budgetgeber) einen Antrag auf Auszahlung eines solchen Persönlichen Budgets gestellt. Daraufhin schlossen Budgetgeber und Budgetnehmer jeweils individuelle Zielvereinbarungen, die sowohl die Höhe des Persönlichen Budgets als auch die Mittelverwendung festschrieben. Darüber hinaus wurde explizit vereinbart, durch wen die Leistungen erbracht werden sollten, nämlich durch die Klägerin, eine GmbH, die Menschen mit Behinderung betreute. Der Budgetgeber erstellte außerdem einen Gesamtplan nach § 121 SGB IX, in dem die Klägerin ebenfalls namentlich erwähnt wurde. In diesem Rahmen konnten die Budgetnehmer das Persönliche Budget frei verwenden.
Die Klägerin behandelte ihre Leistungen als umsatzsteuerfrei und berief sich dabei auf § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG in der im Streitjahr 2020 geltenden Fassung, der zwischenzeitlich abgewandelt in § 4 Nr. 16 n UStG überführt wurde. Danach waren steuerfrei die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von bestimmten gesetzlichen Trägern vergütet worden sind. Hierbei spricht man von Mindestvergütungsquote oder Sozialgrenze.
Streit entstand bzgl. der Frage, ob die Leistungen als von den genannten Trägern vergütet angesehen werden können, obwohl die Budgetnehmer sie selbst aus ihrem Persönlichen Budget bezahlt hatten. Die Klägerin argumentierte unter anderem, dass dies schon aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes so sein müsse, weil die Klägerin sonst schlechter gestellt werde als zum Beispiel Pflegedienste, deren Leistungen nicht aus dem Persönlichen Budget bestritten werden. Eine solche Auslegung von § 4 Nr. 16 l UStG a. F. verstoße außerdem gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL als unionsrechtlicher Grundlage.
BFH-Entscheidung
Der XI. Senat des BFH verwies auf ein eigenes Urteil in einer ähnlichen Sache (XI R 30/20 vom 24. Februar 2021), dem sich auch der V. Senat mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (V R 1/22) angeschlossen hatte. Demnach müsse eine Einrichtung, die sich auf die Steuerfreiheit berufen wolle, als soziale Einrichtung anerkannt sein, wobei Kriterium dafür das Überschreiten der 25-%-Schwelle sei. Mit dieser Schwelle habe der deutsche Gesetzgeber auf unionsrechtskonforme Weise von dem Ermessen Gebrauch gemacht, das Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL hinsichtlich der Anerkennung einräume. Lediglich die Anknüpfung an das Vorjahr sei unionsrechtswidrig gewesen, was der Gesetzgeber später behoben habe. Davon ausgehend liege bei der Klägerin keine unmittelbare Anerkennung vor, weil sie die Zahlungen nicht unmittelbar von den Trägern erhalten habe. Die Gewährung eines Persönlichen Budgets als solche sei keine Anerkennung, wenn sich der Budgetnehmer den leistenden Unternehmer selbst aussuchen könne.
Der Rekurs auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz greife nicht durch, da anerkannte und nicht anerkannte soziale Einrichtungen ungleich seien und daher nicht gleich behandelt werden müssen. Nur der Leistende könne Anknüpfungspunkt einer möglichen Ungleichbehandlung sein, nicht jedoch, wie die Klägerin meinte, die Art der Leistung, weil hier die persönlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit im Streit stehen.
Allerdings könne bei der Erbringung von Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget bezahlt werden, bei einer expliziten Entscheidung des Trägers eine mittelbare Anerkennung der sozialen Einrichtung vorliegen. Entsprechend der genannten Rechtsprechung zum Persönlichen Budget sei Voraussetzung der Steuerbefreiung lediglich, dass der Träger die erbrachten Leistungen kenne und die Kosten hierfür – wenn auch mittelbar – tragen wolle. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Kostenübernahme, auch in Bezug auf die Person des Leistungserbringers, auf einer expliziten Entscheidung des Kostenträgers beruhe. Auch hierin liege dann eine Anerkennung dieser sozialen Einrichtung. Durch die genannte Vereinbarung zwischen Budgetgeber und Budgetnehmer und den Gesamtplan, die beide die Klägerin ausdrücklich nannten, sei diese Voraussetzung erfüllt. Die Leistungen an Personen, die diese aus einem Persönlichen Budget bestritten haben, seien daher bei der Mindestvergütungsquote von 25 % zu berücksichtigen. Damit waren die Leistungen der Klägerin steuerfrei.
Einordnung
Das Persönliche Budget als solches ist nach der nun als gefestigt zu betrachtenden Rechtsprechung des BFH nicht unbedingt ein Problem für die Steuerfreiheit. Allerdings muss darauf hingewirkt werden, dass der Träger sich bei Gewährung des Budgets bereits ausdrücklich auf den Leistungserbringer festlegt. Dass der Umfang der Inanspruchnahme offen ist, spielt dann keine Rolle. Leistungen, die ohne eine solche Festlegung aus dem Persönlichen Budget bestritten werden, sind hingegen nicht in die Mindestvergütungsquote einzurechnen. Dadurch kann es zu steuerpflichtigen Leistungen kommen, was letztlich die betroffenen Menschen mit Behinderung bzw. die Sozialkassen belastet.
Autorin: Nadia Schulte