FG Hamburg: Kein „doppeltes Satzungserfordernis“ für Kooperationen im Sinne des § 57 Abs. 3 AO

Insbesondere für gemeinnützige Krankenhausgesellschaften hat vor allem die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO an Bedeutung gewonnen.

Die Neuregelung ermöglicht auch für Servicetätigkeiten eine unmittelbare Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke. Nunmehr hat das FG Hamburg mit Urteil vom 26. September 2023 (Az. 5 K 11/23) das sogenannte „doppelte Satzungserfordernis“ (entgegen bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung) für nicht erforderlich angesehen. Eine Körperschaft verfolgt – nach Ansicht des Senats – auch dann unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke i. S. d. § 57 Abs. 3 AO, wenn sie mit mindestens einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft satzungsgemäß planmäßig zusammenwirkt, selbst wenn die Satzung des Kooperationspartners keine diesbezügliche Regelung enthält. Auch das unionsrechtliche Beihilferecht steht dem nicht entgegen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt der Entscheidung war, dass die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, die mit Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen gemeinnützige Zwecke verfolgt, die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit nach § 60a AO begehrte.

Im Rahmen dieser Feststellung bat die Finanzbehörde eine ebenfalls gemeinnützige Stiftung, gegenüber der die Klägerin satzungsgemäß ihre Leistungen erbrachte, um Mitteilung, ob sie eine entsprechende Satzungsänderung „bezüglich der Zweckverwirklichung“ durch planmäßiges Zusammenwirken beabsichtige. Die Stiftung hatte eine Satzungsänderung hinsichtlich der Kooperation mit der Klägerin jedoch nicht beabsichtigt.

Daraufhin erklärte die Finanzbehörde (unter Bezugnahme auf den Anwendungserlass der Abgabenordnung1), dass in den Fällen, in denen Körperschaften zur Verwirklichung eines eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecks zusammenwirken, auch die Körperschaft, gegenüber der die Leistungen erbracht werden, diese Zusammenarbeit korrespondierend in ihre Satzung aufnehmen müsse. Aufgrund dessen hob sie den Feststellungsbescheid gemäß § 60a Abs. 1 AO wieder auf.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage.

Entscheidung des FG Hamburg

Das FG Hamburg gab der Klägerin Recht und führte allgemein aus, dass es der Anwendung des § 57 Abs. 3 AO als Konkretisierung des Unmittelbarkeitserfordernisses nicht entgegensteht, dass die Kooperation mit der Klägerin nicht in die Satzung der Stiftung aufgenommen worden ist.

Grundsätzlich muss eine gemeinnützige Körperschaft, um die Steuervergünstigung der §§ 51 ff. AO in Anspruch nehmen zu können, die satzungsmäßigen Zwecke direkt durch eigenes Handeln verwirklichen. Eine mittelbare Zweckverwirklichung ist gemäß § 57 Abs. 3 AO dann unschädlich, wenn die Körperschaft satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht.

Die Finanzbehörde vertrat den Standpunkt, dass ein satzungsgemäßes planmäßiges Zusammenwirken eine Satzungsregelung sowohl der leistungserbringenden als auch der leistungsempfangenden Körperschaft verlangt („doppeltes Satzungserfordernis“). Dies sei notwendig, um eine effektive Kontrolle und Missbrauchsbekämpfung zu ermöglichen.

Im zu entscheidenden Fall vertrat das FG Hamburg die Auffassung, dass ein „doppeltes Satzungserfordernis“ nicht erforderlich sei. Nach dem Wortlaut werde allein auf die Satzung der leistungserbringenden Körperschaft abgestellt. Wobei es ausreichend sei, dass diese satzungsgemäß mit der leistungsempfangenden Körperschaft zusammenwirkt. Die Formulierung der Vorschrift stelle allein darauf ab, dass die leistungsempfangende Körperschaft den Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO entspricht, ohne auf deren Satzung abzustellen. Der gesetzgeberische Wille2 war, dass arbeitsteiliges Zusammenwirken im gemeinnützigen Kontext sowie die Auslagerung von Serviceleistungen erleichtert werden solle. Entgegen der Auffassung der Finanzbehörde bedürfe es auch keiner einschränkenden Auslegung der Norm mit dem Erfordernis die Satzungen aller Beteiligten anzupassen, um effektiv missbräuchliche Gestaltungen verhindern zu können. Vielmehr könne die Finanzbehörde im Verfahren des § 60a AO die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 AO prüfen und Verträge sowie Satzungen aller Beteiligten anfordern.

Fazit und Ausblick/Praxishinweise

Das FG Hamburg macht mit seiner Entscheidung deutlich, dass es in § 57 Abs. 3 AO keinen Anhaltspunkt für ein „doppeltes Satzungserfordernis“ gibt und dieses dem Sinn und Zweck sowie dem gesetzgeberischen Willen, der der Vorschrift zugrunde liegt, zuwiderläuft.

Diese Entscheidung ist zu begrüßen, da gemeinnützige Servicegesellschaften, die ausweislich ihrer Satzung beabsichtigen mit anderen steuerbegünstigten Körperschaft planmäßig zusammenwirken, ihre Kooperationspartner nicht zu einer spiegelbildlichen Satzungsänderung zwingen können. Demnach werden die regulatorischen Hürden für Kooperationen im für Servicegesellschaften in gemeinnützigen Krankenhäusern spürbar herabgesetzt.

Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil des FG Hamburg Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Az. V R 22/23 anhängig ist. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die Rechtsauffassung des FG Hamburg bestätigt und das restriktive Verständnis der Finanzverwaltung beseitigt.

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1 AEAO Nr. 8 zu § 57 Abs. 3 AO.

2 BT-Drs. 19/25160, S. 12, 202.

Christian Hassa
Tel: +49 341 60 03 2187

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