Einbeziehung gesetzl. vorgeschriebener Beiträge eines pharmazeutischen Unternehmens an den staatl. Krankenversicherungsträger

Mit Urteil vom 12. September 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Zahlungen, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung an die nationalen Steuerbehörden geleistet und dann vollständig an die gesetzliche Krankenversicherung weitergeleitet werden, einen derartigen Zusammenhang zu den Umsätzen aus der Veräußerung von Medikamenten aufweisen, dass eine solche Zahlung zu einer Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage führt.

Sachverhalt

Die Klägerin („Novo Nordisk“) war eine Gesellschaft dänischen Rechts, die Arzneimittel herstellte und vertrieb. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten verkaufte die Klägerin ihre Arzneimittel in Ungarn. Dabei erfolgten die Arzneimittellieferungen überwiegend über Großhändler an ungarische Apotheken, die als Inlandslieferungen der ungarischen Umsatzsteuer unterlagen.

Die betroffenen Arzneimittel wurden von der staatlichen Krankenversicherung in Ungarn bezuschusst. Danach gewährte die staatliche Krankenversicherung einen Kaufpreiszuschuss („Sozialversicherungszuschuss“) für rezeptpflichtige Arzneimittel, die im Rahmen ambulanter Behandlungen von der Sozialversicherung erstattet werden. Die Zahlung des Kaufpreises für bezuschusste Arzneimittel wurde zwischen dem Krankenversicherungsträger und den Patient*innen aufgeteilt. Letztere zahlten an die Apotheke die Differenz zwischen dem Preis des Arzneimittels und dem Sozialversicherungszuschuss (sog. „Erstattungsgebühr“). Zuschuss und Erstattungsgebühr bildeten zusammen die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage der Lieferungen der Apotheken.

Die Klägerin schloss mit der staatlichen Krankenversicherung „Zuschussvolumenverträge“, nach denen sie in Abhängigkeit zu den Arzneimittellieferungen Rückzahlungen an die Krankenversicherung leistete. Daneben gab es nach nationalem (ungarischen) Recht die gesetzliche Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz (i. H. v. 20 Prozent oder zehn Prozent) des Sozialversicherungszuschusses zu zahlen. Die aufgrund dieser Verpflichtung geschuldeten Beträge wurden auf das Konto der Steuerbehörde überwiesen, die sie unverzüglich auf ein Konto der staatlichen Krankenversicherung überwies.

Die Klägerin begehrte bezüglich der Umsatzsteuer für Januar 2016 eine Verminderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage um die geleisteten Zahlungen gemäß den Zuschussvolumenverträgen sowie den gesetzlichen Verpflichtungen. Die ungarischen Behörden ließen nur die Zahlungen aufgrund der Zuschussvolumenverträge als Entgeltminderung zu. Die Zahlungen aufgrund der gesetzlichen Zahlungsverpflichtung sollten jedoch keine Entgeltminderung darstellen, da sie als eine Steuer i. S. v. Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL angesehen wurden.

Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage wies das vorlegende Gericht darauf hin, dass der EuGH sich noch nicht zu der Frage geäußert hat, ob der Umstand, dass die streitigen Zahlungen aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung geleistet würden, ihre Einstufung als Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 MwStSytRL entgegenstehe. Es legte daher diese Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des EuGH steht Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL der nationalen ungarischen Regelung entgegen, wonach (zwingende) Zahlungen eines pharmazeutischen Unternehmens zugunsten des staatlichen Krankenversicherungsträgers aus den Einnahmen, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt.

Dabei hält es der EuGH für maßgeblich, dass der Steuerpflichtige nicht mehr versteuern muss als das, was er als Gegenleistung für seine Leistung erhält. Im Streitfall stand von vornherein fest, dass die Klägerin eine geminderte Gegenleistung für ihre Lieferung erhält. Da die staatliche Krankenversicherung als Letztverbraucher der Lieferung anzusehen sei und Letztempfänger der Zahlungen des Klägers war, sei die Zahlung einem Zwangsrabatt in Deutschland gleichzustellen. Daraus ergibt sich, dass eine Entgeltminderung nicht nur bei freiwillig vereinbarten Preisnachlässen eingreift, sondern auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung.

In diesem Zusammenhang verteidigt der EuGH auch die Einordnung, dass eine Krankenversicherung auch dann als Letztverbraucher anzusehen ist, wenn rechtlich gesehen der Patient der Empfänger der Arzneimittellieferung der Apotheke ist. Maßgeblich ist für den EuGH, dass die Krankenversicherung diese Lieferung durch eine direkte Zahlung (den Sozialversicherungszuschuss) mitfinanziert.

Bedeutung für die Praxis

Seit dem EuGH-Urteil vom 20. Dezember 2018 (Rechtssache C-462-16, Boehringer Ingelheim Pharma) steht höchstrichterlich fest, dass bei einem gesetzlichen Herstellerrabatt der den Rabatt gewährende Unternehmer berechtigt ist, eine Entgeltminderung und damit eine Minderung der Umsatzsteuer vorzunehmen. Diese Rechtsprechung wird von der deutschen Judikative (BFH vom 8. Februar 2018, BStBl. 2018 II, 676) und der Finanzverwaltung (Abschnitt 10.3 Abs. 7 UStAE) angewandt.

Das nun ergangene EuGH-Urteil reiht sich in diese Rechtsprechung ein. Auch eine Bezuschussung von Arzneimitteln führt – ähnlich wie ein Zwangsrabatt – zu einer Verminderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage.

Autor*innen: Thomas Dennisen und Dr. Kristina Frankus

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