Überstundenvergütung bei Arbeitsleistung in Pausenzeiten

Arbeiten während festgelegter Pausenzeiten können Über- bzw. Mehrarbeitsstunden darstellen. Für diese und deren Anordnung tragen Arbeitnehmer*innen aber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. LAG Saarland, Urteil vom 29. November 2023 – 2 Sa 82/21).

Sachverhalt

Die Klägerin war als Assistenzärztin bei der Beklagten, einem Klinikbetreiber, von 2017 bis 2019 in Teilzeit (75 Prozent) beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der TV-Ärzte/VKA Anwendung.

Die Klägerin arbeitete regelmäßig, d. h. fast an jedem Arbeitstag, weitaus länger als die dienstplanmäßig vorgesehenen sechs Stunden. Dabei wurde ihr von dem Zeiterfassungssystem bei über sechsstündiger Arbeitszeit eine Pause in Höhe von 30 Minuten und 45 Minuten bei Überschreitung einer achtstündigen Arbeitszeit abgezogen. Die Klägerin verlangte Bezahlung der festgelegten und vom Zeiterfassungssystem automatisch abgezogenen Pausen, da sie die Pausen nie in vollem Umfang in Anspruch hätte nehmen können. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass sie in der Zeit, in welcher sie länger in der Klinik geblieben sei, um die Patient*innen zu versorgen, eine Pause habe einlegen können. Ihre Pausenzeiten seien als Überstunden zu vergüten.

Eine im beklagten Klinikbetrieb bestehende Betriebsvereinbarung sah festgelegte Pausenzeiten sowie eine Korrekturmöglichkeit und Gutschrift nicht genommener Pausen vor, sofern die Pause aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte und der*die Beschäftigte dies begründen kann. Die einschlägige Regelung des § 14 TV-Ärzte/ VKA sieht vor, dass „die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit“ gilt. Nach Auffassung der Klägerin gibt die tarifliche Vorschrift der beklagten Krankenhausgesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür auf, dass die Pause tatsächlich genommen worden ist.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtete sich die klägerische Berufung.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Saarland hat die Berufung zurückgewiesen und entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Überstundenvergütung hat. Die Klägerin habe die geltend gemachten Überstunden bereits nicht hinreichend dargelegt, sei aber darlegungs- und beweisbelastet für die Erbringung der Überstunden. Das Erscheinen oder Verbleiben am Arbeitsplatz und die Arbeitsaufnahme als solche sowie die Behauptung, nie eine Pause eingelegt zu haben, reiche hierfür nicht aus. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass in Krankenhäusern tätige Ärzte die Pausen durcharbeiten müssen, gebe es nicht. Die Beklagte habe die Ruhepause tatsächlich gewährt, da die zeitliche Lage und Dauer der Pause vor deren Beginn ausweislich der Betriebsvereinbarung festgestanden habe. Es liege dann beim Beschäftigten, diese Leistung anzunehmen. Die Anordnung der Pause ergebe sich auch aus dem geregelten automatischen Pausenabzug, da dieser der arbeitszeitrechtlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Ruhepause nach sechs Stunden Arbeitszeit entspreche. Die Klägerin habe allerdings nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass es ihr unmöglich gewesen sei, die Pause zu nehmen. Gleiches gelte für eine etwaige Veranlassung der Beklagten, die Pausen durchzuarbeiten. Die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Korrekturmöglichkeit habe die Klägerin zudem nicht genutzt.

Die Darlegungs- und Beweislast für überobligatorische Arbeitsleistung beurteile sich im Übrigen nach den für die Vergütung von Überstunden entwickelten Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts. Die seit der Entscheidung des EuGH bestehende Pflicht zur Messung der Arbeitszeit bzw. zur Zeiterfassung habe dabei keine Auswirkung auf die die Klägerin treffende Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für genommene Pausen werde auch nicht durch § 14 TV-Ärzte/VKA auf den Arbeitgeber übertragen, da § 14 TV-Ärzte/VKA ausschließlich arbeitszeitrecht[1]liche, jedoch keine vergütungsrechtliche Bedeutung habe. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche Arbeiten sie zu den Pausenzeiten gemacht haben will oder dass eine betriebliche Notwendigkeit für die Überstunden bestanden habe. Da die Beklagte nicht wusste, dass die Klägerin keine Pause machte, u. a. weil sie nie ein Korrekturformular gemäß der bestehenden Betriebsvereinbarung ausfüllte, könne die Beklagte entsprechende Überstunden auch nicht gebilligt oder geduldet haben.

Praxishinweise

Für Klinikbetreiber und vergleichbare Arbeitgeber im Gesundheitsbereich ist das Urteil insofern relevant, als das LAG an den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen der Darlegungs und Beweislast bei Vergütungsansprüchen von überobligatorischen Arbeitsleistungen festhält, und das auch im Falle von behaupteten Arbeitsleistungen während der Pausenzeiten. Das Gericht urteilt insoweit, dass auch in Pausenzeiten erbrachte Arbeitsleistungen und insbesondere auch die jeweilige Veranlassung durch den Arbeitgeber (z. B. Anordnung oder Duldung) im Einzelnen darzulegen sowie zu beweisen sind. Dies dürfte denen, die sich darauf berufen, wahrscheinlich nur im Ausnahmefall gelingen.

Die Rechtsfragen, ob §14 TV-Ärzte/VKA die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess ändert und ob ein automatischer Pausenabzug auch nach der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 – C-55/18 – zur Zeiterfassung zulässig ist, haben grundsätzliche Bedeutung, sodass seitens des LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde. Ein entsprechendes Revisionsverfahren ist mittlerweile beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 5 AZR 51/24 anhängig.

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