Medizinische Versorgungszentren: kein Honorar ohne ärztliche Leitung
Kein Honorar ohne ärztliche Leitung
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall bestand Streit zwischen einem Krankenkassenverband (Kläger) und einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (Beklagte) über die Abrechnung vertragszahnärztlicher Leistungen eines MVZ. Das betroffene MVZ war seit 1. Januar 2021 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die zahnärztliche Leiterin wurde am 29. Juli 2021 aufgrund eines Beschäftigungsverbots infolge Schwangerschaft gemäß dem Mutterschutzgesetz von der Tätigkeit ausgeschlossen. In der Folge – konkret vom 29. Juli bis zum 24. November 2021 – bestand im MVZ keine aktive ärztliche Leitung. Dennoch wurden Leistungen erbracht und gegenüber der Beklagten abgerechnet.
Der Kläger beantragte im Mai 2022 bei der KZV eine sachlich-rechnerische Berichtigung nach § 106d SGB V. Zur Begründung führte er aus, dass das MVZ im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über eine verantwortliche ärztliche Leitung verfügt habe und die Abrechnungsfähigkeit der erbrachten Leistungen daher entfalle. Die KZV lehnte den Antrag ab mit Verweis darauf, dass die Zulassung des MVZ durchgehend bestanden habe. Ein Entzug der Zulassung sei nicht erfolgt, weshalb das MVZ weiterhin zur Abrechnung berechtigt gewesen sei. Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob der Kläger Klage zum Sozialgerichts (SG) München.
Die Entscheidung des SG München
Das SG München gab der Klage statt und stellte klar, dass ein MVZ zur ordnungsgemäßen Erbringung vertrags(zahn)ärztlicher Leistungen tatsächlich über eine ärztliche Leitung verfügen muss. Es führte aus, dass eine ärztliche Leitung erforderlich sei, um die organisatorische und medizinisch-fachliche Gesamtverantwortung sicherzustellen und eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Fehlt eine solche Leitung, so sei das MVZ – ungeachtet des formalen Fortbestehens der Zulassung – nicht zur Abrechnung befugt.
Das SG betonte, dass zwischen der Zulassung und der faktischen Abrechnungsberechtigung zu differenzieren sei. Während die Zulassung formalen Charakter habe, sei die Berechtigung zur Abrechnung an die tatsächlichen Voraussetzungen – insbesondere das Vorhandensein einer Leitung – geknüpft. Die Entscheidung stützt sich maßgeblich auf § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V, wonach ein MVZ eine ärztlich geleitete Einrichtung sein muss. Nach Auffassung des SG liegt im Fehlen der ärztlichen Leitung nicht nur ein Organisationsdefizit, sondern ein rechtlicher Mangel vor, der die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen aufhebt. Bereits begrifflich könne ein MVZ ohne ärztliche Leitung nicht als solches im Sinne des § 95 SGB V angesehen werden. Die ärztliche Leitung sei integraler Bestandteil der Strukturvoraussetzungen. Ihre Abwesenheit während eines relevanten Zeitraums führe somit zu einem rückwirkenden Verlust der Abrechnungsberechtigung.
Darüber hinaus sei auch ein vollständiger Wegfall des Honoraranspruchs nicht als unverhältnismäßig oder unbillig zu werten. Vielmehr stelle die sachlich-rechnerische Berichtigung gemäß § 106d SGB V ein sachgerechtes Mittel zur Korrektur rechtswidriger Abrechnungen dar.
Auswirkungen für die Praxis und Fazit
Die Entscheidung hat erhebliche praxisrelevante Konsequenzen für die Träger von MVZ. Es ist unerlässlich, dass zu jedem Zeitpunkt eine ärztliche Leitung verfügbar ist. Fällt diese – sei es aufgrund von Krankheit, Mutterschutz oder Kündigung – weg, muss unverzüglich eine Vertretung benannt oder ein entsprechender Antrag bei den Zulassungsgremien gestellt werden. Eine fehlende Leitung über einen auch nur temporären Zeitraum kann zu einem vollständigen Vergütungsverlust führen.
Als Vorsorgemaßnahme kann etwa bereits bei der Zulassung eines MVZ eine stellvertretende ärztliche Leitung benannt (bzw. beantragt) werden.Im Ergebnis sind die MVZ-Träger daher gut beraten, die gesetzlichen Anforderungen aus § 95 SGB V ernst zu nehmen und jederzeit für eine ordnungsgemäße ärztliche Leitung zu sorgen – im Interesse der Rechtssicherheit, der Patientenversorgung und der eigenen wirtschaftlichen Stabilität.
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