Umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen eines Arztes im Krankenhaus

Der BFH hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2024 (Az.: V R 10/22) entschieden, dass die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG auch auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin anzuwenden ist, die ein Arzt – auch in der Rechtsform der GmbH – in einem Krankenhaus durchführt.

Sachverhalt

Der Entscheidung des BFH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Firma im Jahr 2009 (Streitjahr) das Wort „Klinik“ enthielt, allerdings nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG erfüllte. Die Klinik-GmbH bot Behandlungen im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie an. Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war ein Arzt. Im Streitjahr hat die Klägerin Operationen in Krankenhäusern durchgeführt. Hierzu kooperierte die Klinik-GmbH mit Krankenhäusern hinsichtlich der Unterbringung/Verpflegung, Räumlichkeiten, Anästhesie, ärztlichen Bereitschaftsdienstes und Nachbehandlung. Der jeweilige Patient erhielt von der Klägerin eine Rechnung über die „Komplettleistung“. Die Klägerin wiederum erteilte dem jeweiligen Krankenhaus eine Gutschrift bzw. erhielt durch das Krankenhaus eine Rechnung über die von ihr bezogenen Leistungen.

Das beklagte Finanzamt hat die Auffassung vertreten, dass die Umsätze der Klägerin nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG in der durch das JStG 2009 geänderten Fassung fallen, da die Klägerin, d. h. die Klinik-GmbH, Schuldnerin der ärztlichen Leistungen sei und nicht der Arzt als ihr Alleingesellschafter und Geschäftsführer. Ebenso sei eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zu versagen, da die Klägerin die dort genannten Voraussetzungen nicht erfülle. Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, dass die streitigen Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei seien, soweit sie medizinisch indiziert gewesen seien. Auf den Ort der Heilbehandlungsleistung komme es insoweit nicht an.

Die Vorinstanz, das FG Schleswig-Holstein, hat in seinem Urteil vom 17. Mai 2022 (Az.: 4 K 119/18) entschieden, dass vorliegend für die medizinisch indizierten Leistungen die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG angewendet werden könne. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG gewährt, da diese Vorschrift nicht neben § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, der allein für die Leistungen der Klägerin in Betracht komme, anzuwenden sei. Indes seien dessen Voraussetzungen ebenso wenig wie diejenigen seiner unionsrechtlichen Grundlage im Streitfall erfüllt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich nicht, dass Heilbehandlungen in einem von einem Arzt betriebenen Krankenhaus regelmäßig nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei seien.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Auffassung des FG Schleswig-Holstein bestätigt und entschieden, dass Leistungen eines Arztes in einem Krankenhaus nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sein können und dem nicht entgegensteht, dass die ärztlichen Heilbehandlungsleistungen durch eine GmbH erbracht werden.

Dabei führt der BFH in seinen Entscheidungsgründen aus, dass bereits durch den EuGH entschieden wurde, dass Heilbehandlungsleistungen, die von einem Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik erbracht werden, unter die entsprechende europarechtliche Befreiuungsvorschrift (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL „Heilbehandlungsleistungen“) von der Mehrwertsteuer fallen können, auch wenn sie nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL („Krankenhausbehandlungen“) erfüllen. Auf den Ort der Leistungserbringung komme es nicht an.

Demgemäß ist der BFH der Auffassung, dass § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG auch auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin anzuwenden ist, die ein Arzt – gleich in welcher Rechtsform er tätig ist – in einem Krankenhaus durchführt. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG wird bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht durch § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG verdrängt (keine lex specialis).

Allerdings hat der BFH die Sache an das FG Schleswig-Holstein als Vorinstanz zurückverwiesen. Das FG hat es nach Auffassung des BFH bei der Prüfung der Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG versäumt, zu beurteilen, ob die Befreiungsvorschrift auch für die „Komplettleistung“ gilt, da bei den vorliegend streitgegenständlichen Leistungen nicht nur ärztliche Heilbehandlungen erbracht worden sind, sondern zusätzlich auch der stationäre Krankenhausaufenthalt umfasst ist. Die Prüfung, ob diese Leistungen steuerfrei sind, kann laut BFH in einem Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.

Fazit

Nach dieser Entscheidung des BFH steht fest, dass ein Arzt, auch wenn dieser in der Rechtsform der GmbH tätig wird, nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen in Räumlichkeiten eines Krankenhauses erbringen kann. Die frühere Verwaltungsauffassung, wonach ärztliche Heilbehandlungen in einem Krankenhaus allein nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zu beurteilen sind, dürfte damit überholt sein, wenngleich in Abschn. 4.14.1 Abs. 1 UStAE noch immer nach dem Ort der Behandlungsleistung differenziert wird.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die vorliegend von der Klinik-GmbH erbrachten „Komplettleistungen“ insgesamt als umsatzsteuerfrei zu behandeln sind, da neben der (medizinisch indizierten) Heilbehandlungsleistung auch Krankenhausbehandlungsleistungen erbracht worden sind.

Im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des FG Schleswig-Holstein ist insbesondere fraglich, wie vorliegend die sonstigen (nichtärztlichen) Leistungen wie z. B. die stationäre Unterbringung und Verpflegung zu beurteilen sind. Diesbezüglich hat das FG insbesondere zu prüfen, ob es sich hierbei um eine – zusammen mit der Heilbehandlung – einheitliche Leistung oder um mehrere selbstständig erbrachte (und zu beurteilende) Leistungen handelt. Der BFH hat in den Entscheidungsgründen Hinweise zu beiden Auffassungen gegeben.

Es bleibt demnach abzuwarten, zu welcher Entscheidung das FG Schleswig-Holstein für die vorliegende Konstellation gelangen wird. Der BFH hat in den Entscheidungsgründen jedenfalls angedeutet, dass er die Behandlung als einheitliche – und insgesamt steuerpflichtige – Leistung als vorzugswürdig ansieht. Diesbezüglich führt er aus, dass im Streitfall für gleichwertige Leistungsbestandteile im Rahmen eines untrennbaren wirtschaftlichen Vorgangs, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, sprechen kann, dass eine zwingend stationär zu erbringende Heilbehandlungsleistung in Bezug auf die damit im Zusammenhang stehende Krankenhausunterbringung durch zwei Leistungselemente geprägt wird und der Unterbringung dabei eine eigenständige und nicht nur der Heilbehandlung dienende Funktion zukommt. In diesem Fall käme eine Steuerbefreiung nicht in Betracht.

Autor*innen: Sonja Fabritius, Oliver Stein

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Want to know more?