Psychotherapeut*innen in Ausbildung und Weiterbildung – was Arbeitgeber bei der Vergütung beachten sollten
Vergütung von Psychotherapeut*innen in Ausbildung
Als Resultat bestehen aktuell das alte und das neue Ausbildungsmodell nebeneinander. Für ambulante und klinische Einrichtungen bringt diese Umstellung zahlreiche Unsicherheiten mit sich. Vor allem in den Bereichen der Vergütung der Auszubildenden und der Refinanzierung der Ausbildungsmodelle stellen sich viele Fragen. Das Bundesarbeitsgericht musste sich kürzlich mit der Vergütungsthematik auseinandersetzen und hat inzwischen für etwas mehr Klarheit gesorgt. Nachfolgend zeigen wir die allgemeinen Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Ausbildungsmodell auf und ordnen die aktuelle Rechtsprechung zur Vergütung von Psychotherapeut*innen in Ausbildung bzw. Weiterbildung ein.
Reform – Koexistenz der Ausbildungsmodelle
Die Reform des Psychotherapeutengesetzes hat zu einer Koexistenz der verschiedenen Ausbildungsmodelle geführt. Bei beiden Modellen besteht die Ausbildung zum/zur Psychotherapeut*in aus einem Bachelor- und Masterstudium sowie einer anschließenden postgradualen Aus- bzw. Weiterbildung. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Ausbildungsmodellen betrifft den Zeitpunkt der Approbation. Nach dem alten Modell konnte die Approbation nach dem erfolgreichen Studium und der anschließenden postgradualen Ausbildung beantragt werden. Im neuen Modell sind die Studieninhalte bereits auf die Approbation ausgerichtet, sodass der Antrag auf staatliche Zulassung zur Behandlung bereits nach dem erfolgreichen Studienabschluss und der bestandenen staatlichen Prüfung gestellt werden kann. Folglich wurde der Zeitpunkt der Approbation im neuen Modell nach vorn verlagert, was grundsätzlich einen großen Einfluss auf die Auszubildendeneigenschaft und die arbeitsrechtliche und ggf. tarifvertragliche Einordnung der Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) hat.
Das Nebeneinander des alten und des neuen Modells erfordert eine Übergangsregelung. Auszubildende, die ihre Psychotherapeutenausbildung nach dem alten Modell – also vor dem 1. September 2020 – begonnen haben, können diese noch bis 2032 abschließen. In Härtefällen ist eine Verlängerung der Frist bis 2035 möglich. Auszubildende, die ihre Ausbildung nach dem 1. September 2020 begonnen haben, werden nach dem neuen Modell ausgebildet. Noch komplexer wird die Ausbildungsstruktur dadurch, dass auch ein Quereinstieg von Psychologiestudenten in das neue Ausbildungsmodell möglich ist.
Arbeitgeber müssen die Mindestvergütung von Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) beachten
Vor der Reform des PsychThG wurden Psychotherapeut*innen in Ausbildung häufig kein Arbeitnehmerstatus zuerkannt. Dies führte dazu, dass kein einheitliches Vergütungssystem bestand. Die ambulanten und klinischen Einrichtungen konnten die Vergütungsmodalitäten individuell regeln, sodass die Vergütungshöhe der Psychotherapeut*innen in Ausbildung stark variierte.
Nach der Reform gilt § 27 PsychThG als Übergangsregelung zugunsten der Psychotherapeut*innen in Ausbildung (PiA), die ihre Ausbildung nach dem alten Modell abschließen. Im aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. April 2025 (9 AZR 122/24) wurde festgestellt, dass Psychotherapeut*innen in Ausbildung ein monatlicher Verdienst in Höhe von mindestens 1.000 Euro gegenüber dem Träger der klinischen Einrichtung zusteht, in der sie ihre praktische Tätigkeit absolvieren. Dies setzt jedoch voraus, dass die praktische Tätigkeit in Vollzeit abgeleistet wird, § 27 Abs. 4 S. 1 PsychThG. Wird sie in Teilzeit verrichtet, reduziert sich die Vergütung entsprechend. Der Anspruch auf Mindestvergütung besteht als gesetzlicher Anspruch eigenständig neben dem arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch.
Liegt die vereinbarte Vergütung unterhalb der gesetzlichen Mindestvergütung in Höhe von 1.000 Euro, hat der Psychotherapeut*in in Ausbildung gegenüber dem Träger der klinischen Einrichtung einen Differenzanspruch, der die vertragliche Vergütungsabrede korrigiert. Gleichzeitig bildet die gesetzliche Mindestvergütung eine Art Sockel, der automatisch in jeder höheren Vergütungsabrede enthalten ist. Daraus folgt, dass die vereinbarte Vergütung bestehen bleibt, wenn sie die gesetzliche Mindestvergütung übersteigt.
Höhere Vergütung für Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW)
Nach der Reform des PsychThG erhalten Absolvent*innen nach Abschluss des Psychotherapiestudiums und bestandener staatlicher Prüfung ihre Approbation. Im Anschluss können sie ihre Weiterbildung zum/zur Fachpsychotherapeut*in an einem Institut als Psychotherapeut*in in Weiterbildung (PiW) beginnen. Diese Weiterbildung umfasst einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung (PiW) sind währenddessen bei einer ambulanten oder klinischen Einrichtung in Voll- oder Teilzeit angestellt. Die Vergütung richtet sich im Falle einer Tarifbindung nach dem einschlägigen Tarifvertrag und dessen Entgeltordnung, sodass Psychotherapeut*innen in Weiterbildung (PiW) z. B. im Anwendungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes grundsätzlich in die EG 13 einzugruppieren sind. Liegt keine Tarifbindung vor, sind die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung angemessen zu vergüten. In der Praxis bedeutet dies eine erhebliche Erhöhung der Vergütung und einen entsprechenden enormen Anstieg der Personalkosten der Arbeitgeber.
Finanzierungslücke in der Weiterbildung – Risiken für Arbeitgeber
Bis heute ist die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung ungeklärt, obwohl das Verlangen nach einer gesetzlichen Regelung seit mehreren Jahren öffentlich gefordert wird. Trotz mehrerer Demonstrationen vor dem Bundestag und einer Bundestagspetition ist der Bundesgesetzgeber bislang nicht tätig geworden. Immerhin hat die neue Regierungskoalition die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen und inzwischen einen Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP) vorgelegt, Danach hätten die Weiterbildungsambulanzen von der Vergütung der Krankenkassen für die durch einen Ausbildungsteilnehmenden erbrachten Leistungen jeweils einen Anteil von mindestens 40 Prozent an die/den Auszubildende(n) auszuzahlen (Drucksache 21/1511, Änderungsantrag Nr. 9 zu Art. 3 Nummer 18 BEEP). Die Verbände kritisieren die Vorschläge als zu kurz gegriffen. Damit sei keine Regelung zur Finanzierung der Weiterbildung in Kliniken, Praxen und MVZ vorgelegt worden. Zudem enthielten sie keine sinnvolle Übergangsfinanzierung für die Phase, in der das alte und das neue Modell parallel laufen (so die Bundespsychotherapeutenkammer – BPtH – in der Anhörung des Bundestagsgesundheitsausschusses laut Deutsches Ärzteblatt vom 10. Oktober 2025). Allerdings drängt die Zeit, denn in diesem Jahr haben die ersten Psychotherapiestudierenden ihr Studium abgeschlossen und sind auf einen Weiterbildungsplatz angewiesen. Mangels hinreichender gesetzlicher Regelung zur Finanzierung sind freie Weiterbildungsplätze rar gesät. Die Gefahr, dass einige Absolvent*innen keinen Weiterbildungsplatz erhalten, sich ihre Ausbildung dadurch auf unbestimmte Zeit verzögert und das Angebot psychotherapeutischer Behandlungen mangels Nachwuchs verringert, ist durchaus realistisch.
Solange keine verbindliche Regelung zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung besteht, ist nicht mit einem flächendeckenden Angebot von Weiterbildungsstellen zu rechnen. Andererseits besteht angesichts der sanktionierten Vorgaben zur Mindestausstattung in Psychiatrien nach der PPP-RL (Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie) ein nicht unerheblicher Druck, Absolvent:innen mit Approbation nach dem neuen Modell einzustellen.
Die Finanzierung der Weiterbildungskosten – insbesondere der Gehälter für Psychotherapeut*innen in Weiterbildung und der Honorare für Weiterbildungsbefugte – kann nicht allein von ambulanten oder klinischen Einrichtungen getragen werden und stellt insoweit ein erhebliches finanzielles Risiko dar.
Fazit
Ambulante und klinische Einrichtungen stehen vor der Aufgabe, ihre bestehenden Verträge mit Psychotherapeut*innen in Ausbildung zu überprüfen und gegebenenfalls an die Vorgaben des reformierten PsychThG anzupassen. Gerade bei Psychotherapeut*innen in Ausbildung während der Übergangsphase bestehen in der Praxis erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Beschäftigungskonditionen und der tarifkonformen Eingruppierung im Falle der Anwendbarkeit der Branchen- und Flächentarifverträge. Bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Vergütungsanpassung können erhebliche Nachzahlungspflichten entstehen. Gleichzeitig ist die Einstellung von Psychotherapeut*innen in Weiterbildung mit höheren Kosten und finanzieller Unsicherheit verbunden.
Bei Fragen zur Vergütung, zu den Übergangsregelungen oder zur tariflichen Eingruppierung von Psychotherapeut*innen in Weiterbildung können Sie gern auf uns zukommen. Wir unterstützen Sie bei der Erstellung rechtssicherer Arbeitsverträge oder der Gestaltung spezifischer tarifvertraglicher Regelungen (z. B. im Rahmen eines Haustarifvertrags).
Autor*innen: Niklas Karstens, Marion Plesch
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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