Umsatzsteuer bei Bildungsleistungen – Finanzverwaltung schafft Klarheit

Bereits im Newsletter „Public Sector“ 1/2025 haben wir über die ab 1. Januar 2025 gültigen Änderungen bei der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG informiert. In diesem Zusammenhang hatten wir auch den Entwurf eines entsprechenden Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) erwähnt, welches nunmehr am 24. Oktober 2025 in endgültiger Fassung veröffentlicht wurde. Inhaltlich hat das BMF zumindest in einigen Punkten seine zuvor rigide Auffassung entschärft und zudem eine insgesamt dreijährige Übergangsfrist vorgesehen.

Das BMF-Schreiben dient der Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses zu § 4 Nr. 21 UStG aufgrund der Änderung zum 1. Januar 2025 durch das Jahressteuergesetz 2024.

1. Übergangsregelungen

Die Neuregelungen des § 4 Nr. 21 UStG sowie des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2025 sind grundsätzlich auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2024 erbracht wurden bzw. erbracht werden. Das BMF-Schreiben enthält jedoch eine umfassende Nichtbeanstandungsregelung für Leistungen, die bis zum 31. Dezember 2027 ausgeführt werden. Die Finanzverwaltung beanstandet insoweit nicht, wenn der Unternehmer weiterhin seine Leistung in der am 31. Dezember 2024 geltenden Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlassesals umsatzsteuerpflichtig bzw. umsatzsteuerfrei – also nach den bisherigen Spielregeln – behandelt.

Auch bis Jahresende 2025 von der zuständigen Landesbehörde ausgestellte Bescheinigungen, dass Bildungsleistungen – wie nach der alten Gesetzesfassung vorgesehen – auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, werden von der Finanzverwaltung für die Veranlagungsjahre 2025 ff. anerkannt.

2. Anwendung von BFH-Entscheidungen zu Bildungsleistungen

LeistungVeranlagungsjahre bis einschließlich 2027Veranlagungsjahre ab 2028BFH-Urteil
Kurse: „Sofortmaßnahmen am Unfallort“umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfreiumsatzsteuerfreiV R 52/06 
vom 10.1.2008
Supervisionen für Schul- und Hochschulunterricht von Privatlehrernumsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfreiumsatzsteuerfreiV R 3/13
vom 20.3.2014
Schwimmunterricht einer Schwimmschuleumsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfreiumsatzsteuerpflichtigV R 32/21
vom 16.12.2021
von Privatlehrern erteilter Schwimmunterricht als SchulunterrichtumsatzsteuerfreiumsatzsteuerfreiV R 19/13
vom 5.6.2014

 

3. Wesentliche inhaltliche Änderungen in Abschnitt 4.21 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE)

3.1.   Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen

Leistungen, die dem Schul- und Bildungszweck dienen, werden ausführlich in Abschn. 4.21.1 UStAE beschrieben. Das BMF unterteilt darin in

  • Schul- und Hochschulunterricht (Abschn. 4.21.1 Abs. 3 - 7 UStAE),
  • Aus- und Fortbildung und berufliche Umschulung (Abschn. 4.21.1 Abs. 8 - 14 UStAE) sowie

in mit diesen Leistungen eng verbundene Umsätze (Abschn. 4.21.1 Abs. 15 f. UStAE), sofern sie von Bildungseinrichtungen und Schulen erbracht werden (Abschn. 4.21.1 Abs. 18 UStAE). Zusätzlich werden nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehörenden Leistungen benannt (Abschn. 4.21.1 Abs. 17 UStAE).

Das BMF-Schreiben stellt auch klar, dass eine Aufzeichnung, die zusätzlich und ohne gesondertes Entgelt neben einer Präsenzveranstaltung oder einem Live-Streaming bereitgestellt wird, eine Nebenleistung zur Bildungsleistung ist. Dankenswerterweise geht das BMF damit noch weiter, als in seinem Schreiben vom 8. August 2025, wonach noch anhand allgemeiner Grundsätze beurteilt werden sollte, ob eine (einzige) einheitliche Leistung vorliegt oder stattdessen mehrere selbstständige Leistungen vorliegen (wir berichteten darüber im Newsletter „Public Sector“ 3/2025 https://www.forvismazars.com/de/de/ueber-uns/aktuelles/presse-medien/newsletter/newsletter-public-sector/newsletter-public-sector-3-2025/bmf-und-online-bildungsleistungen).

Lehrgänge und Streamingangebote, die nach dem Fernunterrichtsgesetz zugelassen sind, sind (stets) Bildungsleistungen.

Schul- und Hochschulunterricht ist als Teil eines integrierten Systems für die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen anzusehen. Dieser Unterricht folgt regelmäßig einem längerfristig angelegten Lehrplan. Der Unterricht umfasst auch Tätigkeiten zur Vermittlung sowohl praktischer als auch theoretischer Kenntnisse, die der Vertiefung und Festigung der von den Schülern und Studenten in Bildungseinrichtungen erworbenen Kenntnisse dienen (Abschn. 4.21.1 Abs.4 UStAE).

Die Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung umfasst

  • Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie
  • jegliche Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen. Hierbei ist auf deren konkrete Eignung abzustellen, d.h. es muss den Teilnehmern ermöglicht werden, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten beruflich zu nutzen (Abschn. 4.21.1 Abs. 8 UStAE).

Das BMF nimmt auch eine Abgrenzung zu Beratungsleistungen vor: Keine berufsbildenden Leistungen sind Leistungen in der Art einer Unternehmensberatung, die nicht im engeren Sinn der Bildung der Teilnehmer, sondern der Verbesserung der Betriebsführung dienen.

Daher fallen auch Schulungsmaßnahmen unter die Steuerbefreiung, die

  • die Aufnahme an einer (Hoch-)Schule oder Fach(hoch-)schule ermöglichen, z. B. Musikunterricht (Instrumental- und Vokalunterricht), Unterricht im künstlerischen Bühnentanz oder Unterricht in darstellender und bildender Kunst. Hiervon umfasst sind sowohl Musikunterricht als auch Kurse der tänzerischen Früherziehung, Kindertanzen und klassischer Ballettunterricht für Kinder ab 3 Jahren. Maßgeblich für die Einordnung als Ausbildungsleistung ist allein die Ausgestaltung des angebotenen Unterrichts. Diese Leistungen können unter den vorgenannten Voraussetzungen unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen des Lernenden (z. B. Alter, Kenntnisstand) bzw. dessen Intention unter die Steuerbefreiung fallen. (Abschn. 4.21.1 Abs. 11 UStAE),
  • lediglich einen mittelbaren Bezug zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit aufweisen (z. B. Leistungen der allgemeinen Qualifikation wie IT-Schulungen, Computer-, Sprach- und Kommunikationskurse (Abschn. 4.21.1 Abs. 12 Satz 2 UStAE).

Da die Dauer der berufsbildenden Schulungsmaßnahme für eine eventuelle Steuerbefreiung unerheblich ist, kann diese auch im Rahmen einer Tagesveranstaltung oder von Vortragsreihen erfolgen (Abschn. 4.21.1 Abs. 13 UStAE).

Neu in den Umsatzsteueranwendungserlass werden mit den umsatzsteuerfreien Bildungsleistungen eng verbundene eigenständige Leistungen aufgenommen. Sie unterliegen ebenfalls der Steuerbefreiung, sofern sie ebenso wie die Bildungsleistung von einer Bildungseinrichtung gem. § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. a UStG erbracht werden und für die Ausübung der Bildungsleistung unerlässlich sein. Zu solchen eng verbundenen Umsätzen gehören (vgl. Abschn. 4.21.1 Abs. 16 UStAE):

  • Pausenverpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum, wie z. B. bei Kaffeepausen (vgl. Abschn. 4.21.1 Abs. 17 Nr. 2 UStAE),
  • inhaltlich den Unterricht ergänzendes Lehr-, Lern- oder Verbrauchsmaterial, soweit es sich nicht um eine Nebenleistung handelt,
  • entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine andere Lehreinrichtung (vgl. EuGH, Urteil v. 14.6.2007, C-434/05, BFH/NV Beilage 2007 S. 389),
  • Restaurations- und Unterhaltungsleistungen, die der Ausbildung von Studenten dienen und die für einen eingeschränkten Nutzerkreis und zu nicht kostendeckenden Preisen erbracht werden (vgl. EuGH, Urteil v. 4.5.2017, C-699/15, BFH/NV 2017 S. 1005),
  • Leistungen von Schülerfirmen und Schülergenossenschaften, die rechtlich unselbständig in die Organisationsstruktur der Schule integriert sind.

Keine eng verbundenen Umsätze sind danach (vgl. Abschn. 4.21.1 Abs. 17 UStAE):

  • entgeltliche Forschungstätigkeit von Hochschulen sowie
  • entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an Teilnehmende (Ausnahme: Pausenverpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum) sowie Unterbringung der Teilnehmenden.

3.2.   Nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen

Sind Veranstaltungen und Kurse von ihrer Zielsetzung auf „bloße Freizeitgestaltung“ gerichtet, ist die  Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG ausgeschlossen. Eine solche Zielsetzung ist anzunehmen, wenn die Veranstaltung lediglich den organisatorischen Rahmen für eine Gelegenheit zum Ausüben einer Freizeitaktivität bietet, wie z. B. animierte Tanzabende, eine bloße Produktherstellung (u. a. das Töpfern einer Vase, die Fertigstellung eines Adventskranzes) oder das bloße Ausüben einer Tätigkeit (u. a. Kochen, Kalligraphieren). Ob die Unterrichtsleistung den Charakter einer Veranstaltung hat, die lediglich den Rahmen für eine Gelegenheit zum Ausüben einer Freizeitaktivität („bloße Freizeitgestaltung“) bietet, kann jedoch nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden (Abschn. 4.21.2 Abs. 1 UStAE).

Eine Freizeitaktivität liegt nicht vor, wenn sich Schulungsangebote an Personen richten, die sich ehrenamtlich engagieren wollen (z. B. Kurse zur Ausbildung von Übungsleitern).

Erziehungsleistungen an Kinder und Jugendliche können nach § 4 Nr. 23 Satz 1 Buchstabe a UStG umsatzsteuerfrei sein, insbesondere

  • altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung,
  • Angebote von Musik-, Kunst- und Bewegungserziehung sowie
  • die Vermittlung elementarer Grundfähigkeitenwie sozialer Kompetenz und Werte. 

3.3.   Bildungseinrichtungen

In den Abschnitten 4.21.3 bis 4.21.5 werden die Bildungseinrichtungen wie folgt klassifiziert:

  • Einrichtungen des öffentlichen Rechts
  • Ersatzschulen
  • Ergänzungsschulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen.

Einrichtungen des öffentlichen Rechtssind Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die aufgrund entsprechender Rechtsgrundlagen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbringen.

Die Abgrenzung bzw. Nachweispflichten der Ersatzschulen sind unverändert.

Zu den anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen gehören nunmehr auch Einrichtungen, die Nachhilfeunterricht für Schüler oder Repetitorien für Studenten erteilen. Es ist nicht erforderlich, dass die Bildungseinrichtung ausschließlich Bildungsleistungen erbringt. Die Finanzverwaltung nimmt branchenspezifisch Stellung u.a. zu Integrations- und Berufssprachkursen sowie Integrationsfachdiensten.

Berufsbildende Einrichtungen vermitteln u.a. Kenntnisse und Fähigkeiten der Didaktik und Methodik, der Pädagogik und Lernpsychologie.

3.4.   Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde

Das Bescheinigungsverfahren bleibt. Aus der Bescheinigung muss sich künftig ergeben, dass Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbracht werden (Abschnitt 4.21.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Für die Erteilung der Bescheinigung soll die zuständige Landesbehörde künftig die objektive Eignung der eingesetzten Lehrkräfte, des Lehrplans, der Lehrmethode oder des Lehrmaterials prüfen. Die Bescheinigung weist damit nach, dass die darin benannten Leistungen dem Schul- und Bildungszweck dienen und bindet die Finanzbehörden insoweit als sog. Grundlagenbescheid (Abschnitt 4.21.7 Abs. 2 UStAE).

Werden Leistungen erbracht, die verschiedenartigen Bildungszwecken dienen, ist es ausreichend, wenn die verschiedenen Bildungsmaßnahmen in einer Bescheinigung einzeln benannt werden (Abschn. 4.21.7 Abs. 4 UStAE).

Bei Kooperationsverträgen z. B.

  • für die Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz,
  • für die Ausbildung über eine Helfer- oder Assistenzausbildung und
  • bei Vereinbarungen über die Durchführung des berufspraktischen Teils des Hebammenstudiums nach dem Hebammengesetz,

genügt es, wenn nur die Träger der praktischen Ausbildung eine Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Eine Kopie der Bescheinigung des Trägers der praktischen Ausbildung ist den weiteren an der praktischen Ausbildung beteiligten Einrichtungen als Nachweis ausreichend, wenn ein gültiger Kooperationsvertrag für das Jahr der Bescheinigung vorgelegt wird, den die Kooperations- bzw. Vereinbarungspartner mit dem Inhaber der Bescheinigung geschlossen haben (Abschn. 4.21.7 Abs. 7 UStAE).

3.5.   Privatlehrer

Ein sog. Privatlehrer muss die Unterrichtsleistungen in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erbringen. Er gestaltet und organisiert selbst die Unterrichtseinheiten. Dies gilt unabhängig davon, ob das Thema oder ein Lehrplan vorgegeben sind, z. B. im Rahmen des Franchisings. Der Unterricht muss auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Schülers oder Studenten ausgerichtet sein.

Kein Privatlehrer ist ein Unternehmer, der als selbständiger Lehrer Bildungsleistungen im Rahmen von Verträgen mit Bildungseinrichtungen an diese Einrichtungen erbringt. Diese Leistungen können nur unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. b UStG steuerfrei sein (Abschn. 4.21.8 Abs. 4 UStAE), was wiederum das Vorliegen einer Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde auf Seiten der Bildungseinrichtung voraussetzt. Liegt eine solche Bescheinigung nicht vor, kann diese z.B. aufgrund Beauftragung einer Lehrkraft mit Sitz im Ausland den Regelungen des § 13b UStG („reverse charge“-Verfahren) unterliegen und insoweit zum Steuerschuldner werden.

Autor*innen: Torsten Volkmann, Diana Lehmann

 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.