Aktuelle Entscheidung zur Verwendung ungeeichter Wasserzähler – Konsequenzen für die Gebührenpraxis

Mit Urteil vom 19.08.2025 (Az. 15 K 2823/21) hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine für die kommunale Abgabenpraxis und die Wasserversorgungsunternehmen bedeutsame Entscheidung getroffen: Die Ermittlung des Wasserverbrauchs zur Festsetzung von Frischwassergebühren darf nicht auf der Grundlage eines ungeeichten Wasserzählers erfolgen. Auch eine Schätzung auf Basis der von einem ungeeichten Zähler angezeigten Werte ist unzulässig.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall war auf einem Grundstück ein Wasserzähler installiert, dessen Eichfrist abgelaufen war. Nach einem Leitungsbruch wurde der Zähler ausgetauscht, die Verbrauchsabrechnung für das Jahr 2020 stützte sich jedoch auf die Messwerte des ungeeichten Geräts. Der Grundstückseigentümer wandte sich gegen die Gebührenfestsetzung und argumentierte, dass die Messwerte nicht verwertbar seien.

Kernaussagen des Gerichts

  • Eichpflicht als zwingende Voraussetzung: Nach § 18 Abs. 1 AVBWasserV und den einschlägigen Bestimmungen des Mess- und Eichgesetzes (MessEG) dürfen nur geeichte Wasserzähler zur Verbrauchsermittlung verwendet werden. Die Gemeinde ist verpflichtet, die Eichfristen zu überwachen und rechtzeitig für einen Austausch zu sorgen.
  • Verwertungsverbot für ungeeichte Zähler: Die Verwendung eines ungeeichten Wasserzählers – auch zur Schätzung des Verbrauchs – ist gesetzlich ausgeschlossen. Das Gericht betont, dass Messungen eines ungeeichten Zählers keine Grundlage für Gebührenbescheide sein dürfen. Ein nachträgliches Gutachten oder eine technische Befundprüfung können die fehlende Eichung nicht ersetzen.
  • Schätzung nur auf anderer Grundlage: Ist der Verbrauch nicht durch einen geeichten Zähler feststellbar, muss die Gemeinde auf andere Schätzgrundlagen (z. B. Vorjahresverbrauch, Durchschnittswerte) zurückgreifen. Die Schätzung auf Basis der Werte eines ungeeichten Zählers ist nicht zulässig.
  • Ordnungswidrigkeit: Die Verwendung eines ungeeichten Zählers stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 14 MessEG).

Bedeutung für die Praxis

  • Für Kommunen und Versorger: Die Entscheidung zwingt zu einer konsequenten Überwachung der Eichfristen und zu einem rechtzeitigen Austausch der Zähler. Fehler in diesem Bereich führen zur Unverwertbarkeit der Messwerte und können erhebliche finanzielle Folgen haben.
  • Für Gebührenpflichtige: Betroffene können sich erfolgreich gegen Gebührenbescheide wehren, wenn die Verbrauchsermittlung auf einem ungeeichten Zähler basiert. Die Gemeinde muss dann eine alternative, plausible Schätzung vornehmen.
  • Für die Rechtssicherheit: Das Urteil schafft Klarheit und stärkt die Verbraucherschutzrechte. Es verhindert, dass ungeeichte Messgeräte als Grundlage für Gebührenforderungen dienen.

Fazit

Die Entscheidung des VG Gelsenkirchen unterstreicht die strikte Bindung an das Eichrecht im Bereich der Wasserverbrauchsabrechnung. Für die Praxis bedeutet dies: Ohne gültige Eichung keine verwertbaren Verbrauchswerte – und damit auch keine rechtmäßige Gebührenfestsetzung. Kommunen und Versorger sind gut beraten, ihre Prozesse zur Eichüberwachung zu überprüfen und zu optimieren.

Autor: Philipp Hermisson

 

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