Kein begünstigtes erbschaftsteuerliches Wohnungsunternehmen trotz erheblicher gewerblicher Zusatzleistungen bei der Vermietung
Erbschaftsteuerliches Wohnungsunternehmen
Hintergrund
Das Erbschaftsteuergesetz sieht für Betriebsvermögen weitreichende Verschonungsmöglichkeiten vor. Dabei wird im Wesentlichen zwischen begünstigtem Vermögen („gutes“ Vermögen) und sog. Verwaltungsvermögen (nicht verschontes, „schlechtes“ bzw. „schädliches“ Vermögen) unterschieden. Der Katalog des Verwaltungsvermögens ist in § 13b Abs. 4 ErbStG abschließend geregelt. Danach gehört gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG insbesondere Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Findet hingegen die Rückausnahme für sog. Wohnungsunternehmen i. S. v. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d) ErbStG Anwendung, stellt der Grundbesitz kein schädliches Verwaltungsvermögen dar und wird erbschaftsteuerlich verschont.
Ein Wohnungsunternehmen setzt insbesondere voraus, dass der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. v. § 14 AO erfordert. Während die Finanzverwaltung bei mehr als 300 eigenen Wohnungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb annimmt, vertritt die Rechtsprechung eine sehr restriktive Auslegung. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 24. Oktober 2017 (II R 44/15) bereits klargestellt, dass bei einer Wohnungsvermietung nur dann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen sei, wenn Zusatzleistungen erbracht werden, die das übliche Maß bei langfristigen Vermietungen übersteigen, sodass die Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter annehmen muss. Die Finanzverwaltung hat auf das Urteil mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.
Urteil FG Münster
Das FG Münster knüpft an die restriktive Rechtsprechung des BFH an und geht sogar darüber hinaus. Hinsichtlich der Frage, ob die Vermietung der Wohnungen als solche einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordere, lässt das FG Münster insbesondere die optional angebotenen, zusätzlichen gewerblichen Leistungen nicht genügen. Vielmehr seien nur solche Sonderleistungen maßgeblich, die für den Mieter verpflichtend sind und über die übliche Vermögensverwaltung hinausgehen.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist für die Beratungs- und Nachfolgepraxis unerfreulich. Es ist davon auszugehen, dass der BFH im anhängigen Revisionsverfahren (II R 39/24) seiner bisherigen restriktiven Auslegung zum erbschaftsteuerlichen Wohnungsunternehmen treu bleiben und die Entscheidung des FG Münster bestätigen wird. Aufgrund dieser restriktiven Auslegung der Rechtsprechung dürfte die Rückausnahme des erbschaftsteuerlichen Wohnungsunternehmens weitgehend leerlaufen. Aus Praxissicht werden Übertragungen von Wohnungsunternehmen damit auch weiterhin nur mit vorheriger Absicherung durch eine verbindliche Auskunft rechtssicher möglich sein. Alternativ können Übertragungen durch Rückforderungsrechte abgesichert werden. Ob dies jedoch mit Blick auf den Gesetzeszweck und dem aktuellen Wohnungsmangel zielführend ist, ist fraglich.
Autoren: Sven-Oliver Stoklassa, Lennard Deutsch
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