BFH zweifelt: Keine steuerpflichtige Schenkung bei disquotalen Einlagen in eine personenbezogene Kapitalrücklage einer GmbH
BFH-Beschluss: II B 43/24 (AdV)
Hintergrund
Gemäß § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG gilt als Schenkung auch eine Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt. Der klassische Anwendungsfall ist die disquotale Einlage, bei der ein Gesellschafter eine Einlage leistet, die nicht dem Verhältnis seiner Beteiligungsquote entspricht. Hierbei wird eine Schenkung an die nicht einlegenden Mitgesellschafter aufgrund der einhergehenden Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile fingiert. Fraglich ist jedoch, ob es auch dann zu einer schenkungsteuerpflichtigen Zuwendung kommt, wenn die Einlagen bewusst einer personen- oder gesellschafterbezogenen Kapitalrücklage zugeordnet werden.
Sachverhalt
Zur Finanzierung von Beteiligungserwerben leisteten die Gesellschafter einer GmbH über mehrere Jahre unterschiedliche Einlagen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft. Die Einlagen wurden – u. a. aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen – personenbezogen zugeordnet und auch entsprechend im Jahresabschluss gesondert gesellschafterbezogen ausgewiesen. Die Gewinnverteilung der Gesellschaft orientierte sich ebenfalls an den individuellen Einlagen und war Gegenstand entsprechender Vereinbarungen.
Obwohl die Einlagen personenbezogen zugeordnet wurden, wertete das Finanzamt die disquotalen Leistungen als steuerpflichtige Zuwendungen im Sinne des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG. Das Finanzgericht München schloss sich dieser Ansicht an.
Beschluss des BFH
Im Rahmen des AdV-Verfahrens trat der BFH der Auffassung der Vorinstanz entgegen und stellte fest, dass eine schenkungsteuerpflichtige Werterhöhung der Mitgesellschafteranteile bei disquotalen Einlagen ausscheidet, wenn zwischen den Gesellschaftern schuldrechtliche Zusatzabreden getroffen werden, wonach die Leistung nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der übrigen Gesellschafter führen soll. Durch eine Verbuchung der Einlage auf einem individualisierten (Kapital-)Rücklagenkonto bleibt kein Raum für die Annahme einer tatbestandlichen Wertverschiebung zugunsten der übrigen Mitgesellschafter.
Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss des BFH ist erfreulich und insbesondere in der Gestaltung von Kapitalmaßnahmen von besonderer praxisrelevanter Bedeutung. Er bestätigt, dass schenkungsteuerliche Implikationen bei disquotalen Einlagen durch eine vorausschauende Vertragsgestaltung – u. a. mittels schuldrechtlicher Vereinbarungen – verhindert werden können. Ob der BFH die Rechtsauffassung in der Hauptsache aufrechterhalten wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Dies gilt jedoch als überwiegend wahrscheinlich, nicht zuletzt, da die Entscheidung auch dogmatisch überzeugt.
Autor*innen: Sven-Oliver Stoklassa, Emily Ahrendt
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