Übertragung einer fremdfinanzierten Immobilie gegen Darlehensübernahme bei vorweggenommener Erbfolge kann Steuern auslösen
Hintergrund
Gemäß § 23 EStG unterliegen private Veräußerungsgeschäfte der Einkommensteuer, wenn zwischen der Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks nicht mehr als zehn Jahre liegen. Die Übernahme von Darlehen führt als entgeltliche Gegenleistung bei einer Schenkung zu einer teilentgeltlichen Übertragung. Hierbei stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine steuerpflichtige Veräußerung vorliegt.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Jahr 2014 ein teilweise fremdfinanziertes bebautes Grundstück. Innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist übertrug er die Immobilie im Jahr 2019 auf seine Tochter. Der Verkehrswert der Immobilie betrug zu diesem Zeitpunkt 210.000 €. Im Rahmen der Übertragung übernahm die Tochter ein noch valutierendes Bankdarlehen in Höhe von 115.000 €.
Urteil des BFH
Der BFH entschied, dass bei der Übertragung der Immobilie eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen Teil und einen voll unentgeltlichen Teil vorzunehmen ist. Der Veräußerungsgewinn des entgeltlichen Teils ist nach § 23 Abs. 3 EStG zu ermitteln und zu versteuern. Der BFH stellt klar: Ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn kann auch dann entstehen, wenn das Entgelt unterhalb der historischen Anschaffungskosten liegt. Maßgeblich für die Berechnung sei das Verhältnis des Entgelts in Form der übernommenen Verbindlichkeit zum Verkehrswert. Vorliegend führt das zu einem entgeltlichen Anteil der Übertragung von 115.000/210.000 = 54,76 %. Der Veräußerungsgewinn ergibt sich durch Gegenüberstellung des Entgelts (übernommenes Darlehen) mit den entsprechend anteiligen historischen Anschaffungskosten.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des BFH ist für die steuerliche Gestaltungsberatung bei der Übertragung von Grundstücken und sonstigen Wirtschaftsgütern im Privatvermögen von großer Bedeutung. Die Entscheidung zeigt auf, dass selbst bei vermeintlich unentgeltlichen Schenkungen steuerliche Fallstricke entstehen können, die insbesondere bei Übertragungen innerhalb der Familie zu unerwarteten Steuerfolgen führen können. Eine ähnliche Problematik dürfte auch vorliegen, wenn Anteile an einer grundbesitzenden Familiengesellschaft bestehen und sich Darlehen im Vermögen der Gesellschaft befinden.
Autor*innen: Sven-Oliver Stoklassa, Emily Ahrendt
Want to know more?