Keine klare Linie bei Reiseleistungen – EuGH-Beschluss Dragoram Tour, C-763/23, vom 25. Juni 2024

Leistungen von Reisebüros/Reiseveranstaltern unterliegen der Margenbesteuerung, geregelt in § 25 UStG bzw. 306 ff. MwStSystRL. Bei der Frage, ob eine Reiseleistung aus einem Leistungsbündel bestehen muss, erscheinen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) widersprüchlich.

Sachverhalt

Das rumänische Reisebüro Dragoram Tour kaufte im eigenen Namen Flugtickets ein und verkaufte sie mit einem Preisaufschlag an natürliche Personen weiter. Abgesehen von Informations- und Beratungsleistungen in Bezug auf die Flugtickets erbrachte Dragoram Tour keine weiteren Leistungen.

EuGH-Entscheidung

Nach Ansicht des EuGH könne der Fall eindeutig anhand der Urteile Alpenchalet Resorts (C-552/17 vom 19. Dezember 2018) und Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej gegen C. sp. z o.o. (C-108/22 vom 29. Juni 2023) gelöst werden. In beiden Fällen hatte der EuGH entschieden, dass auch eine isolierte Beherbergungsleistung unter die Sonderregel fallen kann. Dementsprechend falle der Verkauf der Flugtickets durch Dragoram Tour unter die Margenbesteuerung für Reiseleistungen, obwohl außer den genannten keine weiteren Leistungen erbracht wurden.

Der EuGH sah zwar den Zweck der Margenbesteuerung für Reiseleistung darin, die Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich daraus ergeben, dass Reisebüros/Reiseveranstalter verschiedene Leistungen beziehen und erbringen, die unterschiedlichen Ortsbestimmungsregeln unterliegen. Durch die Sonderregelung ist der Leistungsort einheitlich am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Reisebüros/Reiseveranstalters. Jedoch würde der Vereinfachungszweck verfehlt, wenn man Reiseleistungen mit nur einem Leistungselement von der Margenbesteuerung ausnähme.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung widerspricht Abschnitt 25.1 Abs. 2 UStAE. Demnach ist für die Anwendung von § 25 UStG grundsätzlich ein Leistungsbündel erforderlich. Eine Ausnahme gilt nur für isolierte Beherbergungsleistungen. Ob dies nach dem Beschluss in der Rechtssache Dragoram Tour noch haltbar ist, erscheint fraglich.

Die EuGH-Rechtsprechung bietet aber auch keine klare Richtschnur für eine deutsche Neuregelung: Der vorliegende Beschluss sowie die Entscheidungen Alpenchalet Resorts und C. sp. z o.o. sind in der Tat konsistent. Unklar ist allerdings die Abgrenzung zu der EuGH-Entscheidung Star Coaches (C-220/11 vom 1. März 2012). Hier verkaufte ein Transportunternehmen bei Subunternehmern eingekaufte Busbeförderungsleistungen, erbrachte jedoch keine weiteren Leistungen. Der EuGH sah das Fehlen weiterer Leistungen als Ausschlusskriterium an und verneinte die Anwendung der Margenbesteuerung.

Die Begründung, die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Margenbesteuerung diene der Vereinfachung, überzeugt nicht; denn wenn nur ein einziges Element verkauft wird, besteht die Schwierigkeit verschiedener Leistungsortsregeln nicht. Außerdem führt die Margenbesteuerung für Reisekunden, die Unternehmer sind, zu einer Mehrbelastung, da sie mangels offenen Ausweises der Umsatzsteuer in der Rechnung keinen Vorsteuerabzug geltend machen können. Die Margenbesteuerung geht hier zulasten der steuerlichen Neutralität.

Autorin: Nadia Schulte 

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