Zweite EuGH-Vorlage zu § 14c UStG bei Endverbraucher*innen entschieden

Am 8. Dezember 2022 (C-378/21) hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass eine falsch ausgewiesene Steuer nicht geschuldet wird, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil die Leistung ausschließlich an Endverbraucher*innen erbracht wurde. Nun klärt der EuGH auf eine zweite Vorlage in derselben Sache offene Zweifelsfragen (C-794/23 vom 1. August 2025).

Hintergrund

Die P-GmbH, Betreiberin eines Indoorspielplatzes, hatte ihre Dienstleistungen mit dem österreichischen Regelsteuersatz von 20 % versteuert, obwohl der ermäßigte Steuersatz von 13 % richtig gewesen wäre. Der EuGH entschied, dass die P-GmbH den Mehrbetrag nicht nach Art. 203 MwStSystRL (entspricht § 14c UStG) als überhöhten Steuerausweis schuldet, weil die Kund*innen ausschließlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte private Endverbraucher*innen gewesen seien und somit das Steueraufkommen nicht gefährdet gewesen sei, Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-378/21).

Das österreichische Bundesfinanzgericht hatte in seiner Nachfolgeentscheidung jedoch eine Sachverhaltsanpassung vorgenommen: Da nicht auszuschließen sei, dass auch zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer*innen unter den Besuchern des Freizeitparks gewesen seien, schätzte es diesen Anteil auf 0,5 %. Daraufhin legte das Finanzamt Revision zum Verwaltungsgerichtshof ein, der dem EuGH den Fall erneut vorlegte, weil dieser Sachverhaltsaspekt noch nicht berücksichtigt worden war.

Zweite EuGH-Entscheidung

Wenn unter den Kund*innen auch Unternehmer*innen sind, kommt es nicht zu einer „Infektionswirkung“ dergestalt, dass für alle Rechnungen Umsatzsteuer nach Art. 203 MwStSystRL geschuldet würde. Jede Rechnung ist für sich zu beurteilen.

Dass mangels Gefährdung des Steueraufkommens keine Steuerschuld entsteht, gilt nur für Rechnungen an Nichtunternehmer*innen, nicht aber für Unternehmer*innen, die die Leistung privat oder für vorsteuerschädliche Zwecke beziehen.

Eine Schätzung des Anteils der Unternehmer*innen bei Kleinbetragsrechnungen im Massengeschäft (bei denen die Empfänger*innen namentlich und hinsichtlich ihres Status nicht bekannt sind) ist zulässig, es sind aber bestimmte Anforderungen an die Schätzung zu stellen. Die Schätzung muss:

  • auf objektiven, aktuellen und nachvollziehbaren Daten beruhen,
  • sich an konkreten Anhaltspunkten orientieren, wie etwa Art der Leistung, Modalitäten der Erbringung, statistische Informationen, Kundenkreis und
  • von dem*der Unternehmer*in widerlegbar sein.

Einordnung

Als Reaktion auf die erste EuGH-Entscheidung hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 27. Februar 2024 ein Schreiben herausgegeben (siehe hier) und dabei unter anderem einige Einschränkungen der Anwendbarkeit formuliert. Die Regelungen wurden in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen. Problematisch sind dabei die folgenden Aussagen des Schreibens:

  • Als Endverbraucher*innen sollen auch Unternehmer*innen gelten, die die Leistung privat oder für eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit beziehen. Dies hat der EuGH nun ausdrücklich ausgeschlossen.
  • Der Ausschluss von der § 14c-Steuer soll nicht greifen, wenn nicht sicher beurteilt werden kann, ob der*die Rechnungsempfänger*in als Unternehmer*in oder als Endverbraucher*in gehandelt hat. Eine Schätzung soll nicht zulässig sein. Der EuGH erlaubt nun die Schätzung ausdrücklich.

Das BMF wird den UStAE entsprechend ändern müssen.

Leider hat das vorlegende österreichische Gericht nicht gefragt, ob Unternehmer*innen, die zu 100 % vorsteuerschädliche Umsätze ausführen, wie Endverbraucher*innen behandelt werden können. Daher trifft der EuGH dazu keine Aussage. Den Ausschluss von Unternehmer*innen, die die in Rede stehende Leistung privat oder für nicht unternehmerische Zwecke beziehen, begründet er damit, dass der unberechtigte Vorsteuerabzug in diesen Spezialfällen beim Finanzamt „durchrutschen“ könnte. Bei den Unternehmer*innen, die zu 100 % vorsteuerschädliche Umsätze ausführen, könnte man argumentieren, dass diese Gefahr weit weniger ausgeprägt ist und daher eine Gleichbehandlung mit Endverbraucher*innen gerechtfertigt sein könnte. Wenn eine solche Sachverhaltskonstellation in Zukunft einem Finanzgericht anhängig würde, würde dies eine weitere Vorlage beim EuGH rechtfertigen. Bis dahin ist die Frage offen.

 

Autorin: Nadia Schulte

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