Kein genereller Auskunftsanspruch über den Inhalt anonymer Anzeigen beim Finanzamt
Kein Auskunftsanspruch zu anonymen Anzeigen
Mit Urteil vom 15.07.2025 (IX R 25/24) hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun für mehr Klarheit gesorgt: Ein genereller Anspruch auf Auskunft über den Inhalt einer anonymen Anzeige besteht nicht. Die Finanzbehörde ist auch dann, wenn eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 oder 5 AO zulässig wäre, nicht verpflichtet, diese vorzunehmen. Vielmehr muss sie im Einzelfall eine Ermessensentscheidung treffen und das Informationsinteresse des Steuerpflichtigen gegen das Geheimhaltungsinteresse – insbesondere den Schutz des Anzeigeerstatters gemäß § 30 AO – abwägen. In der Praxis wird dieses Ermessen jedoch regelmäßig zugunsten des Geheimhaltungsinteresses ausgeübt, um die Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung und die Bereitschaft Dritter zur Abgabe von Hinweisen zu schützen.
Hintergrund
Rechtsgrundlage für die Beschränkung des Auskunftsanspruchs ist § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Vorschrift setzt Art. 23 DSGVO in nationales Recht um und regelt, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ausgeschlossen ist, wenn schutzwürdige Interessen Dritter – insbesondere das Steuergeheimnis und das Persönlichkeitsrecht des Anzeigeerstatters – betroffen sind. Die Behörde muss ihre Entscheidung begründen und im Rahmen einer Interessenabwägung prüfen, ob ausnahmsweise das Informationsinteresse des Betroffenen überwiegt. Ein Anspruch auf Offenlegung besteht nur dann, wenn das Ermessen im jeweiligen Fall auf null reduziert ist, also nur eine Entscheidung rechtmäßig wäre – was in der Praxis äußerst selten vorkommt. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn der Betroffene durch die Anzeige schwerwiegende Nachteile erleidet oder nachweislich falsche Behauptungen im Raum stehen, kann das Informationsinteresse überwiegen.
Bedeutung für die Praxis
Ein Antrag auf Akteneinsicht oder Auskunft über den Inhalt einer anonymen Anzeige wird in der Regel abgelehnt. Die Behörde muss ihre Entscheidung jedoch begründen. Wer die Entscheidung des Finanzamts nicht hinnehmen will, weil ihn die Begründung zum Beispiel nicht überzeugt, muss die Monatsfrist für Einspruch und nach einem erfolglosen Einspruch für eine Klage gegen ablehnende Bescheide beachten. Allerdings ist für ein solches Vorgehen unbedingt zu beachten, dass Gerichte bei Ermessensentscheidungen wie der über den Antrag auf Akteneinsicht oder Auskunft nur überprüfen, ob das Finanzamt keinen Ermessensfehler begangen hat. Das Gericht prüft nicht, ob auch eine andere Entscheidung über den Antrag rechtmäßig gewesen wäre. Daher ist ein Vorgehen gegen Ermessensentscheidungen ohne Berater*in an der Seite sehr schwierig, da es dabei um sehr viel Rechtstechnik geht. Führt die anonyme Anzeige sogar zur Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, bleibt das Akteneinsichtsrecht des*der Verteidigers*Verteidigerin übrigens unberührt. Ihm*Ihr kann das Finanzamt nicht die Einsicht in die Akte verwehren.
Autorin: Laura Albrecht
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