Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei verspätetem Einspruch per E-Mail

Die digitale Kommunikation mit dem Finanzamt ist mittlerweile Standard – aber nicht jede elektronische Übermittlung ist auch rechtssicher. Wenn ein Finanzamt ausdrücklich oder konkludent einen Zugang per E-Mail eröffnet, kann ein Einspruch auch auf diesem Weg eingelegt werden. Besonders bei Einsprüchen kommt es auf die richtige Form und den Nachweis des fristgerechten Zugangs an.

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.04.2025 (VI R 2/23) bringt hierzu wichtige Klarstellungen: Legen Steuerpflichtige Einspruch per E-Mail ein und können belegen, dass sie alles Notwendige dafür getan haben, damit dieser Einspruch fristgerecht beim Finanzamt eingehen müsste, können sie den Einspruch wirksam nachholen, wenn die ursprüngliche E-Mail nicht beim Finanzamt eingeht.

Hintergrund

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte ein Steuerpflichtiger seinen Einspruch per E-Mail an das Finanzamt geschickt. Später konnte nicht nachgewiesen werden, dass diese E-Mail tatsächlich beim Finanzamt angekommen ist. Es lagen weder eine Lesebestätigung noch eine Empfangsbestätigung vor. Das Finanzamt behauptete, die E-Mail sei nie eingegangen und verwarf den Einspruch als verspätet, da die Steuerpflichtigen die objektive Feststellungslast für den fristgerechten Zugang ihres Einspruchs tragen.

Der BFH stellte klar: Ein Ausdruck der gesendeten E-Mail oder eine Kopie im eigenen Postfach oder bei Dritten reicht nicht aus, um den fristgerechten Zugang des Einspruchs nachzuweisen. Nur eine Lesebestätigung oder eine explizite Empfangsbestätigung des Empfängers wäre ein sicherer Nachweis des Zugangs gewesen.

Der BFH entschied darüber hinaus aber zugunsten der Steuerpflichtigen, dass sie keine Schuld an der Fristversäumnis trifft, wenn sie alles Erforderliche getan haben, um den rechtzeitigen Zugang ihrer E-Mail zu ermöglichen – also die richtige E-Mail-Adresse verwendet und keine Fehlermeldung erhalten haben. Die unterbliebene Lese- oder Empfangsbestätigung führt zu keinem Verschulden der Steuerpflichtigen. In solchen Fällen kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Das bedeutet: Die jeweilige Handlung – hier: der Einspruch – kann innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses – Bekanntwerden des Nichteingangs der E-Mail – nachgeholt werden und gilt dann als rechtzeitig.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil bezieht sich zwar auf eine Rechtslage, in der die digitale Kommunikation noch nicht gesetzlich geregelt war. Denn seit 2024 regelt § 87a AO, dass ein elektronisches Dokument (z. B. eine E-Mail) dann zugegangen ist, wenn es in der für den Empfang bestimmten Einrichtung in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurde und die Behörde den Zugang des jeweiligen elektronischen Übermittlungsweges eröffnet hat. Der Absender muss aber im Zweifel weiterhin den Zugang nachweisen. Die Aussagen des BFH-Urteils gelten daher auch für die neue Rechtslage ab 2024.

Das BFH-Urteil und die aktuelle Gesetzeslage zeigen, dass der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs eines Einspruchs weiterhin ein zentrales Thema bleibt.

Das hier besprochene BFH-Urteil betrifft den Fall, dass eine E-Mail gar nicht beim Finanzamt eingegangen ist, nicht hingegen den Fall, dass die E-Mail nach Ablauf der Einspruchsfrist beim Finanzamt eingeht. Bei einer ungewöhnlich langen Zeitdauer zwischen Versand und Eingang der E-Mail sollte ebenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich sein, so wie dies zu ungewöhnlich langen Postlaufzeiten entschieden wurde.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte die Einspruchsübermittlung über eine*n Steuerberater*in oder Rechtsanwalt*Rechtsanwältin vornehmen lassen – das schützt vor unnötigen Risiken und gibt Sicherheit im Streitfall.

Autorin: Laura Albrecht

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