Firmenverkauf: So werden aus Unternehmer*innen erfolgreiche Investor*innen

Mit dem Ausstieg aus der eigenen Firma beginnt für Unternehmer*innen eine neue Lebensphase. Viele sind darauf nicht richtig vorbereitet und unterschätzen die Tragweite der Themen, die sich durch die häufig gewählte neue Rolle als Investor*in ergeben. Die Nachfolge-Expert*innen Sybille Arnegger und Stephan Buchwald von Kontora Family Office sprechen im aktuellen Teil unserer Nachfolge-Serie über die finanziellen, strategischen und persönlichen Dos and Don’ts beim Übergang in die neue Lebensphase.

Frau Arnegger, Sie begleiten und beraten seit Jahren deutsche Unternehmer*innen. Wie gut sind diese auf den Tag X, den eigenen Ausstieg aus der Firma, vorbereitet?

Sybille Arnegger: Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Dafür gibt es zu viele verschiedene Konstellationen und Persönlichkeiten. Das Leben ist auch hier sehr vielfältig. Manche*r hat sich bereits vor dem Verkauf sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, was danach folgen soll und mit welchen Strukturen etwa der Start als Investor*in gelingt. Andere stellen sich diese Fragen erst mit oder gar nach dem Verkauf. Klar ist: Nach einem Unternehmensverkauf steht die nächste unternehmerische Aufgabe an. Es geht darum, das plötzlich liquide Privatvermögen aktiv und nachhaltig zu gestalten. Wir sprechen hier über sehr hohe Vermögen, meist im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich. Selbst für bis dato sehr gut verdienende Unternehmer*innen, die die Summe dann praktisch auf einen Schlag auf dem Konto haben nach dem Verkauf, ist das eine ungewohnte Situation. Damit müssen sie erst einmal umgehen lernen. Und genau in dieser Situation sind gute Berater*innen gefragt.

Das hört sich ein wenig so an wie bei Lottogewinner*innen, die unerwartet über Nacht reich werden und auch erst einmal den Umgang mit der neuen Lebenssituation lernen müssen …

Stephan Buchwald: Der Vergleich hat etwas – auch wenn sich Unternehmer*innen im Gegensatz zu Lottogewinner*innen auf den Tag X besser vorbereiten können. Viele ehemalige Unternehmer*innen empfinden nach unserer Beobachtung in dieser Phase eine unerwartete Leere, da ihnen die gewohnte Struktur und Zielsetzung fehlen. Der Übergang von der Position an der Firmenspitze zu Investor*innen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die strategisches Denken, klare Strukturen und die Unterstützung durch Expert*innen erfordert.

Erfolgreiche Unternehmer*innen haben zeit ihres Berufslebens meist die richtigen Entscheidungen getroffen, auch in finanziellen Fragen. Warum können sie das mit und nach dem Exit plötzlich nicht mehr?

Buchwald: So weit würde ich nicht gehen, aber zum einen sind die Fragestellungen ganz andere als im Unternehmen. Zum anderen sind die Themen, um die es geht, vielfältiger und von einer einzelnen Person nicht schnell zu stemmen. Wir erleben sehr häufig, dass unsere Mandant*innen ein bis zwei Jahre nach dem Exit zu uns kommen. Sie haben nach dem Verkauf meist auf eigene Faust losgelegt, das Kapital angelegt und investiert – auf Grundlage der Kontakte zur langjährigen Hausbank oder an der Seite von Freund*innen und früheren Geschäftspartner*innen. Das geschieht in der Regel aus dem Drang heraus, aktiv zu bleiben und nicht aufs Rententeil abgeschoben zu werden – eine Art Selbstbestätigung nach dem Motto: ,Ich kann es noch.‘ Doch meist sind diese Hauruckaktionen wenig nachhaltig, weil der holistische Blick auf den Chance-Risiko-Mix oder auch steuerliche Details fehlt oder der administrative Aufwand unterschätzt wurde.

Was können denn Family-Office-Beratungen wie Ihr Haus besser?

Arnegger: Nun, grundsätzlich haben wir mehr als 300 Personen und Familien in solchen Phasen begleitet. Damit verhindern wir schon einmal, dass jemand das gleiche Lehrgeld zahlt und die gleichen Fehler macht wie andere, schlicht durch das Teilen von Erfahrungswerten.Für uns ist der Ausstieg aus der Familienfirma auch nicht das eine, lebensverändernde Ereignis, sondern tägliche Beratungspraxis. Daher begleiten wir mit einem nüchternen Blick. Die Vermögensverwaltung bringt oft unbekannte Herausforderungen mit sich, bei denen bewährte unternehmerische Methoden überraschend selten angewendet werden. Ein erfolgreicher Ansatz besteht zum Beispiel darin, diesen neuen Lebensabschnitt als eine Art Neugründung zu betrachten – mit klaren Prozessen, einem Business-Modell, geeigneten Expert*innen und moderner Technologie. Wir helfen den Menschen dabei, zu verstehen und damit umzugehen, dass sich in ihrem Leben nicht allein der frühere Besitz an einem Unternehmen in einen hohen Kontostand verwandelt hat; sondern, dass sie in einen neuen Lebensabschnitt eingetreten sind und mit unserer Hilfe die Frage beantworten müssen, was sie mit dem vielen Kapital und der vielen freien Zeit jetzt Sinnvolles anstellen möchten.

Vor solchen Fragen stehen sonst nur Start-ups.

Buchwald: So ist es, der Neustart als Investor*in oder auch Stifter*in ist durchaus in vielen Punkten vergleichbar mit der von Start-up-Unternehmer*innen nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde. Besonders ausgeprägt ist das unter jungen Vermögenden, die etwa mit Ende 20 oder Anfang 30 ihre erste Firma verkauft haben. Die haben rundweg andere Pläne als etwa Ex-Unternehmer*innen, die bereits das 70. Lebensjahr überschritten haben. Doch so individuell unterschiedlich die Pläne aussehen, so vergleichbar sind die Erfolgssäulen für die Zeit nach dem Exit: Es kommt beim Vermögensmanagement auf die richtigen Strukturen an.

Was genau meinen Sie damit?

Arnegger: Vermögensmanagement ist mehr als bloße Verwaltung. Es erfordert strategische Entscheidungen, ähnlich wie in der Unternehmensführung. Der Schlüssel zum Erfolg sind die richtigen Spezialist*innen. Wie im Mittelstand oder bei Konzernen jede Schlüsselposition mit Fachkräften besetzt wird – HR-Manager*innen für die Personalarbeit, ein*e CFO für Finanzen oder ein*e CTO für Technologie –, braucht es auch im Vermögensmanagement ein Team aus Expert*innen. Das reicht von Profis für Buchhaltung und Reporting über Asset-Manager*innen und Vermögens-Controller*innen bis hin zu Steuerberater*innen und Rechtsanwält*innen. In der Praxis erleben wir leider immer wieder, dass vermögende Menschen zu uns kommen, die nach dem Exit ihr Kapital wie ein privates Aktiendepot gemanagt haben. Doch wir sprechen hier über Summen, bei denen das nicht mehr hemdsärmelig funktioniert. Eine einzelne Person, und sei er oder sie noch so erfolgreich als Unternehmer*in gewesen, schafft das nicht. Genau hier kommen Family Offices ins Spiel als koordinierende Instanz zwischen den Expert*innen und der Unternehmerfamilie.

Sich einzugestehen, dass man es selbst nicht hinbekommt als Investor*in, nach einer meist langen und erfolgreichen Unternehmerkarriere, dürfte nicht immer leicht sein, oder?

Buchwald: Es ist ein Lernprozess und erfreulicherweise ist die Suche nach einer gestaltenden Beratung sehr verbreitet. Wie gesagt, kommen viele zu uns, die es erst einmal ein oder zwei Jahre auf eigene Faust probieren wollten. Dann merken sie meist, dass das Mindset von Investor*innen ein anderes sein muss. Es verlangt nach neuen Kompetenzen. Unternehmer*innen, die etwa eine Medizintechnikfirma aufgebaut haben, waren in ihrem Fach Könner*innen, mit einem tiefen Kompetenzwissen. Als Investor*innen müssen sie aber auf ganz viele Themen, Fragen, Geschäftsmodelle und Asset-Klassen blicken. Es geht darum, zu diversifizieren, Renditechancen und Risiken zu streuen und das vorhandene Vermögen langfristig sicher zu vermehren. Das ist etwas komplett Neues als während der Zeit an der Firmenspitze.

Zu den Personen

Sybille Arnegger ist Geschäftsführerin und Leiterin Mandantenbereich, Stephan Buchwald Gründer und Geschäftsführer der Kontora Family Office GmbH. Das Unternehmen hat seinen Sitz am Jungfernstieg in Hamburg.

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