Die Stiftung Familienunternehmen zeichnet ein klares Bild: In den USA sind Vorschriften für Unternehmen in vielen Bereichen liberal, die Bürokratielast fällt im internationalen Vergleich gering aus. Doch Donald Trump genügt das nicht. Er setzt auf eine radikale Deregulierung, um die Wirtschaft zu entfesseln. Seit seinem Amtsantritt hat er Bundesvorschriften zur Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) aufgehoben, Umweltauflagen gelockert und die Regulierung von Finanzunternehmen abgeschwächt. Zudem gilt: Für jede neue Regel müssen zehn bestehende gestrichen werden.
Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird dieser Kurs das Wachstum der US-Wirtschaft tatsächlich ankurbeln. Bei Unternehmen vor Ort findet er Zustimmung: Viele Regulierungsansätze seien zwar gut gemeint gewesen, ihre Umsetzung aber über das Ziel hinausgeschossen, erklärt Suzanne P. Clark, Präsidentin der US-Handelskammer. Dirk Cockrum, Compliance-Experte und Managing Director im Bereich ESG und Climate Risk bei Forvis Mazars in den USA, erwartet ebenfalls positive Effekte für Unternehmen. Gleichzeitig warnt er jedoch vor überzogenen Erwartungen an eine Vereinfachung der Regulierungslandschaft.
„Die Komplexität wird weiterhin hoch bleiben“, betont Cockrum. Denn auch wenn Bundesvorschriften entfallen, bleibe das regulatorische Gefüge fragmentiert. Sein Kollege Thomas Kienzle verdeutlicht dies am Beispiel des Datenschutzes: Eine einheitliche nationale Regelung existiert nicht, stattdessen gelten unterschiedliche Vorschriften auf Branchen- und Bundesstaatsebene. „Dazu gehören etwa der ‚Health Insurance Portability and Accountability Act‘ für Gesundheitsdaten, der ‚Gramm-Leach-Bliley Act‘ für Finanzdaten oder der ‚California Consumer Privacy Act‘ für den Schutz personenbezogener Daten in Kalifornien“, zählt Kienzle auf.
Überschneidungen von Bundes- und Staatenrecht fordern Unternehmen heraus
Obwohl diese Vorschriften oft weniger streng sind als europäische Standards und viele Firmen gar nicht betreffen, stellt die unübersichtliche Rechtslage selbst eine Herausforderung dar. „Unternehmen müssen Datenschutzregelungen individuell prüfen und umsetzen, abhängig von Branche und Standort“, erklärt Kienzle, der als Managing Director bei Forvis Mazars den German Desk leitet – ein Team, das Unternehmen mit Geschäftsinteressen in Deutschland und den USA berät.
Aufgrund der föderalen Struktur der Vereinigten Staaten existieren auch in Bereichen, die durch Bundesgesetze geregelt sind, oft parallele Vorschriften auf Ebene der Bundesstaaten. „Viele der 50 Staaten formulieren weitergehende Anforderungen oder weichen vom Bundesrecht ab – häufig branchenspezifisch“, erläutert Cockrum. So sieht das arbeitgeberfreundliche US-Bundesrecht keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vor, Gesetze in Staaten wie Kalifornien oder New York dagegen schon. Auch die Finanzaufsicht variiert: New York reguliert Banken strikter als das Bundesrecht. Cockrum sieht zwei Strategien, um darauf zu reagieren: „Einige Unternehmen setzen konsequent die strengsten existierenden Vorschriften um, um auf der sicheren Seite zu sein. Andere verlassen sich auf spezialisierte Compliance-Teams oder Berater*innen vor Ort.“
Diese komplexe Regulierungslandschaft könnte unter dem neuen republikanischen Präsidenten noch undurchsichtiger werden. Cockrum erwartet, dass demokratisch regierte Staaten ihre legislativen Befugnisse nutzen werden, um Trumps Deregulierung etwa im Bereich des Umweltschutzes mit eigenen, strengeren Gesetzen auszugleichen. Solange keine entgegenstehenden Bundesvorgaben existieren, ist das zulässig. In Zweifelsfällen entscheiden die Gerichte – die ohnehin eine zentrale Rolle im US-Regulierungsumfeld spielen.
Denn das Rechtssystem der Vereinigten Staaten basiert auf dem Common Law: Gerichtsurteile können für die Auslegung von Gesetzen entscheidender sein als der oft allgemein gehaltene Gesetzestext. „Die Entscheidung einer einzelnen Richterin oder eines Richters kann branchenweite Auswirkungen haben und etwa bestehende Praktiken zur Einhaltung von Umweltvorschriften obsolet machen“, warnt Cockrum. Besonders heikel: Die Bundesstaaten sind oft an der Umsetzung von Bundesgesetzen (federal laws) beteiligt. Diese können in den einzelnen Staaten unterschiedlich ausgelegt werden, sodass auch die Gerichte manchmal zu abweichenden Urteilen kommen.
Verstöße können harte Strafen nach sich ziehen
Kienzle rät Unternehmen daher, gerichtliche Entwicklungen systematisch zu beobachten und die Erkenntnisse ohne Zeitverzug in ihre Compliance-Strukturen zu integrieren. Wer dies nicht selbst leisten kann, solle am besten auf Branchenverbände oder externe Berater*innen setzen. „Nichtstun ist keine Option“, sagt Kienzle.
Cockrum stimmt zu: „Regulierungsbehörden erwarten, dass Unternehmen Verstöße selbst erkennen und unverzüglich melden“, sagt er. Da Bußgelder oft an die Dauer eines Verstoßes gekoppelt sind, kann jedes Zögern teuer werden. Landet ein Fall vor Gericht, drohen weitere, schwer kalkulierbare Haftungsrisiken: „Richterinnen und Richter haben erheblichen Ermessensspielraum – sie können auch Geld- oder Haftstrafen gegen Führungskräfte persönlich verhängen.“
Wie sich das US-Regulierungsumfeld unter Trump weiterentwickelt, bleibt ungewiss. Während der Präsident einerseits Erleichterungen verspricht, könnten andererseits geplante Importzölle neue Herausforderungen auch für das Compliance-Management mit sich bringen. Kienzle stellt fest: „Trump setzt stark auf Exekutivanordnungen. Dieser Politikstil zwingt Unternehmen zu kontinuierlicher Anpassung.“ Seiner Einschätzung nach bleiben die USA trotzdem ein interessanter Standort, da die Größe und Innovationskraft des Landes enorme Chancen böten.
Experte Cockrum empfiehlt Manager*innen eine Kombination aus Flexibilität, proaktiver Anpassung und lokaler Expertise. „Die USA sind ein attraktiver Markt – für jene, die bereit sind, regulatorische Hürden zu meistern.“
Hinweis: Forvis Mazars ist der Brand-Name des Forvis Mazars Global Network (Forvis Mazars Global Limited) und der beiden unabhängigen Mitglieder: Forvis Mazars, LLP in den Vereinigten Staaten und Forvis Mazars Group SC, einer international integrierten Partnerschaft, die in über 100 Ländern und Regionen tätig ist. Forvis Mazars Global Limited ist eine britische Gesellschaft mit beschränkter Haftung und erbringt keine Dienstleistungen für Mandanten.
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| Land/Rechtsraum | Spezifische Anforderungen | Herausforderungen für Unternehmen | Empfehlungen |
| Vereinigtes Königreich | Strenge Regeln im Bereich Arbeitsrecht, scharfe Kontrollen und harte Strafen | Common Law und Brexit-Folgen gestalten die Regulierungslandschaft unübersichtlich | Kooperatives Verhältnis zu Behörden pflegen und mit Fehlern transparent umgehen |
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