Börsengang: Fitnesskur für Unternehmen

Die Liste der Neuemissionen des Jahres 2025 zeigt: Auch mittelständische Unternehmen in Deutschland haben im aktuellen Umfeld die Chance auf ein erfolgreiches Börsendebüt. Ulrich Sommer, Partner im Management Consulting von Forvis Mazars, erläutert, welche Vorteile mit dem Gang aufs Parkett verbunden sind und wie potenzielle Kandidaten börsenfähig werden.

Für mittelständische Firmen ist es schwieriger geworden, an klassische Bankdarlehen zu kommen. Dem aktuellen, Ende Oktober veröffentlichten „KfW-ifo-Kredithürdenbarometer“ zufolge erleben insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, dass die Geldhäuser bei der Kreditvergabe strengere Maßstäbe anlegen als noch vor drei oder vier Jahren. Gründe dafür sind vor allem steigende Ausfallrisiken aufgrund der lahmenden Konjunktur, die Unsicherheiten im Welthandel und eine verschärfte Regulatorik.

Börsengang schafft finanzielle und organisatorische Flexibilität

Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf alternative Finanzierungsquellen. Neben Private-Credit- und Private-Equity-Finanzierungen ist der Gang an den Kapitalmarkt eine überlegenswerte Option – auch für Mittelständler. Das zeigt ein Blick auf die IPO-Liste 2025: Neben Spin-offs wie Aumovio und TKMS haben auch der Prothesen-Hersteller Ottobock und die Pfisterer Holding ein erfolgreiches Debüt an der Börse gegeben. Die ersten Notierungen lagen mehr oder weniger deutlich über den jeweiligen Ausgabepreisen.

„Mit einem IPO wird das Unternehmen in kleinen Teilen handelbar. Daraus ergibt sich eine Reihe von Vorteilen und neuen Optionen“, sagt Ulrich Sommer, Experte für Börsengänge und Partner bei Forvis Mazars. So entstehen vor allem für Familienunternehmen weitere strategische Möglichkeiten bei der Nachfolgeregelung. „Zugleich wird das Unternehmen mit dem Börsengang sichtbarer und schafft zusätzliches Vertrauen bei einzelnen Stakeholder-Gruppen. Dadurch ist es im Folgenden leichter, andere Finanzierungsinstrumente, wie etwa Anleihen, zu platzieren“, erklärt der IPO-Experte. „Es besteht auch die Möglichkeit, die Attraktivität des Unternehmens für Beschäftigte durch die notwendigen neuen Anforderungen an ein kapitalmarktorientiertes Unternehmen zu erhöhen und damit in Zeiten des Fachkräftemangels die Mitarbeiterbindung zu erhöhen beziehungsweise auch die Gewinnung neuer Mitarbeiter*innen zu erleichtern. Zudem gibt es mit der Börsennotierung eine valide Akquisitionswährung und natürlich auch die Möglichkeit für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme.“

Teilen und herrschen

Sowohl bei Ottobock als auch bei der Pfisterer Holding hat die Eigentümerfamilie nur einen vergleichsweise geringen Anteil der Aktien an die Börse gebracht und die strategische Mehrheit weiterhin behalten. Aber auch ein Börsengang mit einem strategischen Investor von außen, der als Ankeraktionär ein größeres Aktienpaket langfristig hält, ist ein denkbares Konzept, das zusätzliche Spielräume bei der Ausgestaltung des Aktionärskreises bietet. „Grundsätzlich sollte durch ein IPO aber neue Liquidität in das Unternehmen kommen und Wachstum über Eigenkapital finanziert werden können – was gerade bei als risikoreicher angesehenen Geschäftsmodellen oder auch kapitalintensiven Projekten etwa im Bereich KI, Biotech oder Auslandsexpansion eine Rolle spielt, da hierfür eine Kreditfinanzierung kaum zu bekommen ist“, sagt Sommer. Dass die Alteigentümer allein deswegen an den Markt gehen, um ein reines Listing zu erreichen und – nach einer Sperrfrist – Anteile zu veräußern, wird von Investoren erfahrungsgemäß nicht gerne gesehen.

Für einen erfolgreichen Börsengang braucht es nicht nur eine schlüssige Story, die Investoren überzeugt. „Das Unternehmen muss auch die sogenannte Börsenreife – IPO-Readiness – erlangen“, sagt Sommer. Dabei ist es aus seiner Sicht häufig auch der Aufsichtsrat, der nicht nur den Gang an den Kapitalmarkt zusammen mit den Eigentümern anstoßen muss. Er ist dann ebenfalls gefragt, mit der Unternehmensleitung notwendige Strukturanpassungen und Vorbereitungen einzuleiten und zu überwachen. Denn mit dem IPO sind erhebliche Offenlegungspflichten und Transparenzanforderungen zu erfüllen.

IPO bedeutet einmalige und dauerhafte Berichtspflichten

Zu den Herausforderungen rund um die Themen Governance und IPO-Readiness gehören unter anderem die meist notwendig werdende Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS, wenn man in der EU an einem geregelten Markt zugelassen werden möchte, und auch der Wechsel in eine geeignete Rechtsform der Gesellschaft (zumeist in eine AG oder SE). Dazu kommt der Aufbau eines Risikomanagementsystems und eines internen Kontrollsystems sowie bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Einführung der Nachhaltigkeitsberichterstattung entsprechend der CSRD. Zudem müssen die geltenden Publizitäts- und Berichtspflichten erfüllt werden – welche genau, das hängt davon ab, welche Transparenzstandards die Gesellschaft anstrebt, etwa den General oder Prime Standard der Deutschen Börse. „Dazu kommen nach dem gelungenen Börsenstart eine Reihe von Folgepflichten, wie zum Beispiel Quartalsmitteilungen und Halbjahresberichte. Es muss jemanden geben, der sich um die Investor Relations, Ad-hoc-Publizität und zum Beispiel Analystenkonferenzen kümmert. Und Aufsichtsrat und Vorstand müssen mit der Organisation und Durchführung einer Hauptversammlung mit Publikum geschult werden“, zählt IPO-Experte Sommer aus dem Lastenheft auf.

Wirklich „ready“ für die Börse zu werden – das ist nach seinen Erfahrungen für Mittelständler in vielen Fällen ein Kraftakt, für den im Normalfall ein, in den meisten Fäller eher zwei Jahre veranschlagt werden sollten. „Sowohl der einmalige als auch der laufende finanzielle und organisatorische Aufwand für die Umsetzung aller Maßnahmen sowie die Einhaltung aller Berichtspflichten sollten nicht unterschätzt werden“, weiß Sommer. „Der Aufwand ist hoch, aber er muss in Relation zu den Vorteilen gesetzt werden. Unter diesem Blickwinkel ist dann das Ergebnis: Es lohnt sich generell immer!“

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil, der sich aus dem Börsengang ergibt: Die Stakeholder und das Unternehmen als Ganzes profitieren, weil mit den Vorbereitungen auf den Börsengang viel professionellere Strukturen aufgebaut werden. Damit verbessert sich das Niveau von Compliance und Unternehmensführung dauerhaft. Das gilt in der Regel auch für die Qualität der Unternehmensgremien. Für sie wird es mit dem IPO erfahrungsgemäß einfacher, externe Expertise etwa aus dem Umfeld Finance oder Digitalisierung zu gewinnen.

Das bedeutet umgekehrt, dass die Alteigentümer nicht mehr überall die Fäden in der Hand halten – dies meist auch gar nicht mehr können, wenn sie die Übersicht behalten wollen. „Ein geeigneter Wirtschaftsprüfer ist auszuwählen, sollte der bisherige für die Anforderungen im Kapitalmarkt nicht die notwendige Qualifikation mitbringen. Langjährige Steuerberater*innen und Justiziar*innen können als Vertraute und intime Kenner*innen des Unternehmens weiterhin an Bord bleiben“, empfiehlt Sommer. „Aber es braucht in der Regel zusätzliche Expertise, um als Publikumsgesellschaft alle rechtlichen, steuerlichen und regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Eine multidisziplinärer Professional-Service-Partner wie Forvis Mazars, der dieses Know-how aus einer Hand bietet, hat hier sicherlich Vorteile, sei es in der Rolle des Trusted Advisors oder in der eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers.“

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