Koalitionsvertrag: Was ist im Arbeitsrecht geplant?
Mindestlohn
Die künftige Koalition betont das Konzept einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission, die sich bei der weiteren Entwicklung des Mindestlohns gesamtabwägend sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren wird. Wörtlich: „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ Seit dem 1. Januar 2025 beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro, die erwartete (und gewünschte) Steigerung wäre im Vergleich zu den Erhöhungen der letzten Jahre überdurchschnittlich. Das Vergütungsgefüge im unteren Niedriglohnsegmente wird sich also weiter verändern.
Fazit: Arbeitgeber sollten diese Entwicklung bei ihrer Profitabilitätsplanung rechtzeitig berücksichtigen.
„Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung“
Die Koalitionsparteien wünschen sich Tariflöhne als Regelfall. Wegen der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit haben sie nur begrenzte Eingriffsmöglichkeiten. Immerhin wollen sie ein Bundestariftreuegesetz schaffen, das für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 € und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 € gelten soll.
Fazit: Unternehmen, die Aufträge des Bundes erhalten und ihr Geschäftsmodell darauf ausgerichtet haben, müssen mit Tariflöhnen kalkulieren.
Flexibilisierung der Arbeitszeit
Mehr Flexibilität soll durch die Einführung einer wöchentlichen (anstatt täglichen) Höchstarbeitszeit erreicht werden. Eine solche Rahmensetzung würde eine tägliche Arbeitszeit auch von mehr als acht Stunden ermöglichen, sofern die wöchentliche Höchstarbeitszeit eingehalten wird. Gleichzeitig wird betont, dass der hohe Arbeitsschutzstandard und die geltenden Ruhezeitregelungen beibehalten werden. Wichtig sind die Hinweise, dass zum einen die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich bleibt und zum anderen die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch und mit angemessenen Übergangsregeln für kleine und mittlere Unternehmen geregelt wird.
Fazit: Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit schafft notwendige und sinnvolle Spielräume für beide Arbeitsvertragsparteien. Eine weitere Lockerung der geltenden Regelungen ist nicht vorgesehen. Stattdessen müssen sich Arbeitgeber auf die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung einstellen.
Digitalisierung im Betrieb
Das Betriebsverfassungsgesetz soll um die Möglichkeit von Online-Betriebsversammlungen, Online-Betriebsratssitzungen, Online-Wahlmöglichkeiten und digitalen Zugangsrechten der Gewerkschaften in die Betriebe ergänzt werden. Allgemein formuliert bleibt die Aussage, dass die künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt Anpassungen an Beschäftigtenqualifizierung und Datenschutz im Betrieb erfordert.
Fazit: Im Betriebsverfassungsrecht werden analoge Rechte um digitale ergänzt werden, woraus sich sowohl technische als auch prozessuale Änderungen im Betrieb ergeben können.
Beschäftigung nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters
Eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist (noch) nicht vorgesehen. Die Beschäftigung nach Erreichen dieser Altersgrenze soll aber attraktiver werden – durch Steuerfreiheit für ein Gehalt von bis zu 2.000 € monatlich, durch rechtssichere Befristungsmöglichkeiten beim bisherigen Arbeitgeber und durch verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten.
Fazit: Arbeitgeber können zukünftig besser mit älteren Beschäftigten planen. Die notwendigen Reformen der großen Sozialversicherungssysteme verlagern die Koalitionsparteien jedoch in eine zukünftige Kommissionsarbeit.
Weitere Pläne
Der Koalitionsvertrag enthält weitere Regelungspunkte, die die Arbeitswelt betreffen und hier stichpunktartig genannt werden:
- Forcierte Fachkräftesicherung: Durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, durch eine qualifizierte Einwanderung, durch digitalisierte und zentralisierte Prozesse und die beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikationen (über eine neue, digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung – „Work-and-Stay-Agentur“)
- Abgrenzung von Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung: Hier finden sich verstreut und knapp Hinweise auf eine Verbesserung des Statusfeststellungsverfahrens, auf eine Genehmigungsfiktion zur Verhinderung von Scheinselbstständigkeit und auf eine Reform der Alterssicherung für Selbstständige.
- Verbesserung von diversen Verfahren: Durch die Vermeidung von Mehrfachprüfungen und Mehrfachdateneingaben („Once-Only-Prinzip“) und durch Digitalisierung (insb. eDeclaration und A1-Verfahren) sollen die Verfahren verbessert werden.
- Steuerliche Anreize: Sie soll es u. a. für Mehrarbeitszuschläge, für die Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten und für die Mitgliedschaft in Gewerkschaften geben.
- Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Hierfür wird eine Kommission eingesetzt, die bis Ende 2025 Vorschläge machen wird. Da die Umsetzung in den Mitgliedstaaten bis Juni 2026 erfolgen muss, ist die Zeit dann sehr knapp und Arbeitgeber sollten sich bereits 2025 mit den Vorgaben der Richtlinie auseinandergesetzt haben.
Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag eine Reihe von arbeitsrechtlich relevanten Vorhaben, die jedoch meistens sehr überblicksartig und programmatisch dargestellt werden. Eine grundlegende Neuausrichtung für eine moderne, digitalisierte Arbeitswelt in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist nicht zu erkennen und war wohl auch nicht zu erwarten. Das weiterhin von der SPD geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat gleichwohl ein ehrgeiziges, anspruchsvolles Arbeitsprogramm vor sich, um den Vorgaben des Koalitionsvertrags gerecht zu werden. Für Arbeitgeber ergeben sich verschiedene Veränderungen, die professionell vorgedacht und gestaltet werden müssen.
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