BFH stärkt steuerfreie Unternehmensnachfolge an leitende Arbeitnehmer*innen
BFH stärkt steuerfreie Unternehmensnachfolge
Sachverhalt
Die Klägerin war bereits seit vielen Jahren in der Führungsebene einer GmbH tätig und erzielte Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Die GmbH wurde von zwei Gesellschafter*innen gegründet. Da die Unternehmensnachfolge durch den Sohn der Gründungsgesellschafter*innen aufgrund anderweitiger beruflicher Einbindung und fehlender unternehmerischer Erfahrung nicht gewährleistet war, entschieden diese, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung an die Klägerin und vier weitere leitende Mitarbeiter zu übertragen. Dabei war der Sohn mit 74,61 % als Haupteigner bedacht und jedem*jeder der leitenden Mitarbeiter*innen wurde ein Geschäftsanteil von 5,08 % übertragen. Dies war weder an Bedingungen oder Beschränkungen noch an einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft. In dem Vertrag wurde lediglich eine Rückfallklausel dahingehend vereinbart, dass der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung des Anteils zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b, 19a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht gewähre oder gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG zum Nachteil des Erwerbers ändere.
Das Finanzamt wertete den unentgeltlichen Erwerb der Geschäftsanteile der Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf das bestehende und das (zukünftige) weitere Beschäftigungsverhältnis als Arbeitslohn zu berücksichtigenden geldwerten Vorteil. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Der anschließenden Klage gab das Finanzgericht statt. Der Vorteil aus der Anteilsübertragung ist bei objektiver Betrachtung nicht als Entgelt für die nicht selbstständige Arbeit, also nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Klägerin, anzusehen. Mit der Revision rügte das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Entscheidung
Der BFH stimmt in seinem Urteil der Ansicht des Finanzgerichts zu. Grundsätzlich kann der in der schenkweisen Übertragung einer Mitarbeiterbeteiligung liegende Vorteil zwar Arbeitslohn sein, wenn der Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Der „verbilligte“ Erwerb muss dem*der Arbeitnehmer*in aber gerade „für“ seine*ihre Arbeitsleistung gewährt werden. Vorliegend war die Übertragung keine Entlohnung für geleistete Dienste, da die Regelung der Unternehmensnachfolge das entscheidende Motiv war. Die Anteilsübertragungen waren auch nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
Zum Hintergrund
Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 S. 1 EStG), die „für“ eine Beschäftigung gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG).
Nach der BFH-Rechtsprechung liegt der geldwerte Vorteil gerade beim Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung nicht in der übertragenen Beteiligung selbst, sondern vielmehr in der Verbilligung. Beispielsweise kann ein Erwerb einer solchen Beteiligung zum marktüblichen Preis keinen geldwerten Vorteil in diesem Sinne bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2023 – VI R 1/21)
Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn der Vorteil dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag der nicht selbständigen Arbeit darstellt (ständige Rechtsprechung. des BFH vom 1. September 2016 – VI R 67/14). Arbeitslohn kann dabei auch in der Zuwendung eines Dritten bestehen, wenn diese ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, welche der*die Arbeitnehmer*in im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen*ihren Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (BFH-Urteil vom 1. September 2016 – VI R 67/14). Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteil vom 21. Juni 2022 – VI R 20/20).
Auch wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, ist sie vorliegend durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Das Finanzgericht hat überzeugend darauf abgestellt, dass entscheidendes Motiv für die Übertragung für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge war. Dies hat im Vertrag durch die darin vereinbarte erbschaftsteuerliche Rückfallklausel jedenfalls mittelbar Niederschlag gefunden.
Entsprechend ihrem Nachfolgekonzept haben A und B ihren Sohn als Hauptanteilseigner bedacht, zugleich aber dafür Sorge getragen, dass die in der Geschäftsleitung des Unternehmens erfahrene Klägerin und die weiteren leitenden Angestellten mit zusammen 25,39 % der Anteile über die Sperrminorität verfügen und dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können. Die fachliche Kompetenz für die Unternehmensleitung, die die Nachfolger*innen durch ihre (jahrelange) Mitarbeit in dem Unternehmen gezeigt haben, ist bei einer Unternehmensnachfolge ein durchaus essenzielles Kriterium.
Entsprechend sind bei einer Unternehmensnachfolge, die die Übernahme von Leitungsaufgaben voraussetzt, die Nachfolger*innen regelmäßig bereits vor der Anteilsübertragung in dem Unternehmen tätig. Der Sachgrund der Übertragung ist in diesem Fall die Regelung der Unternehmensnachfolge. Vor dem Hintergrund der Förderung der Unternehmensnachfolge durch die §§ 13a, 13b und 19a ErbStG muss dies auch gelten, wenn der*die Nachfolger*in nicht der Unternehmerfamilie angehört. Die Gewährung der steuerlichen Verschonung nach §§ 13a, 13b und 19a ErbStG wurde durch die Rückfallklausel ausdrücklich zur Vertragsgrundlage erklärt.
Praxishinweis
Bei dem Thema werden durchaus steuerliche Fragen aufgeworfen.
Die Entscheidung des BFH ist insbesondere auf die Nachfolgeproblematik, die viele Unternehmen betrifft, sehr zu begrüßen. Der aktuelle KfW-Nachfolgemonitor zeigt auf, dass bis zu 215.000 Unternehmen bis Ende 2025 eine Nachfolgelösung suchen. Davon haben 60.000 bereits Verhandlungen abgeschlossen und ihre Nachfolge geregelt, 58.000 sind noch in konkreten Verhandlungen und haben eine gute Chance auf Nachfolge. Bei 43.000 sind die Nachfolgepläne vermutlich nicht umsetzbar und es kommt zu einer potenziell ungewollten Stilllegung.
Mit den im BFH-Urteil geklärten Rechtsfragen werden praktische Gestaltungsmöglichkeiten für die Nachfolge in Familienunternehmen aufgezeigt. Diese müssen aufgrund mangelnder Familiennachfolge gegebenenfalls auch auf leitende Mitarbeiter*innen zurückgreifen, um ihre Nachfolge zu sichern.
Aus den Entscheidungsgründen wird ersichtlich, welche Kriterien zu beachten sind.
Fazit
Zusammenfassend ist darauf zu achten, dass die verbilligte oder gar schenkweise Übertragung dann zur Gewährung des geldwerten Vorteils veranlasst wurde, wenn diese im Arbeitsverhältnis begründet ist. Der geldwerte Vorteil ist als Arbeitslohn zu versteuern. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein objektiv erkennbares Motiv nicht die Entlohnung, sondern die Unternehmensnachfolge ist.
Ratsam ist es, hierfür vertragliche Regelungen und Gesellschafterprotokolle – so, wie im vorliegenden Fall geschehen – zu führen, damit gegenüber den Finanzbehörden ausreichend dokumentiert ist, welche Motive verfolgt werden.
Wichtig ist, dass die Übertragung nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht wird. Gestützt wird dies auch darauf, wenn der Vorteil nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu dem üblich gezahlten Arbeitslohn steht.
Autor*innen: René Udwari und Svenja Rehberger
Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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