Arbeitsrecht über die Staatsgrenzen hinweg – Crossborder-Telework
Was kompliziert klingt, hat längst Einzug in die globale Arbeitswelt gehalten und kann die Lösung dafür sein, um die spezielle Fachkraft für das eigene Unternehmen zu gewinnen, dem Bedürfnis der Mitarbeiter*innen nach bestimmten Lebensmodellen gerecht zu werden oder neue Absatzmärkte zu erschließen.
In Abgrenzung zur Geschäftsreise und zur Entsendung, also der vorübergehenden Tätigkeit im Ausland, handelt es sich bei dem sogenannten Crossborder-Telework um ein auf Dauer angelegtes Arbeitsmodell, das durchaus funktionieren kann, wenn der berühmte „Dreiklang“ beim Auslandseinsatz beachtet und geklärt ist: arbeitsrechtlicher Status, Sozialversicherung und Steuer.
1. Einsatz weltweit
Wir wagen die mutige Aussage hierzu, dass Crossborder-Telework in allen Ländern ausgeübt werden kann – es kann allerdings sehr teuer für den Arbeitgeber und/oder den*die Arbeitnehmer*in werden, wenn das Sozialversicherungsrecht nicht kompatibel ist oder Steuerabkommen fehlen oder nachteilige Regelungen enthalten.
Es sind folglich die betroffenen Staaten und auch die konkrete Tätigkeit des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin nach den (möglicherweise bestehenden) Sozialversicherungs- und Steuerabkommen zu prüfen und zu beleuchten, nach welchen Regelungen sich das Arbeitsrecht zwingend richten muss.
Eine generelle Aussage dazu ist daher leider nicht möglich, es bedarf immer einer Einzelfallprüfung. Da das Modell aber weit verbreitet ist, sollte davor nicht zurückgeschreckt werden: Der Beratungsmarkt verfügt zwischenzeitlich über eine große Expertise und kann auf Erfahrungswerte zurückgreifen, und mitunter kann die Lösung auch einfach sein.
2. Einsatz innerhalb der EU
Aus den Entwicklungen der vergangenen Wochen wurde deutlich, dass die innereuropäische Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung ist. Wir möchten daher nachfolgend aufzeigen, welchen Regeln Crossborder-Telework innerhalb der EU folgt.
a) Sozialversicherung
Das Sozialversicherungsrecht innerhalb der EU ist vereinheitlicht – kann eine solche Aussage aufrechterhalten werden? Das Ergebnis ist ein klares Jein!
Eine Vereinheitlichung scheitert bereits daran, dass es kein einheitliches europäisches Sozialversicherungssystem gibt. Die einzelnen Sozialversicherungssysteme sind allerdings nicht geschlossen, sondern ermöglichen z. B. die Anerkennung von Arbeitszeiten im Ausland oder den Wechsel des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin in das System eines anderen Landes.
Möglich ist das insbesondere durch die in der Praxis sehr wichtige EU-Verordnung VO (EG) 883/2004.
Aus dieser Verordnung ergibt sich im ersten Prüfungsschritt, welches Sozialversicherungsrecht auf ein Anstellungsverhältnis anwendbar ist, wenn das Anstellungsverhältnis einen Bezug zu mehreren Staaten hat. Hierbei gilt das Highlander-Prinzip: „Es kann nur eines geben.“
Der Ausgangspunkt ist der Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird. Damit ist nicht der Sitz des Arbeitgebers entscheidend, sondern – im Falle von Crossborder-Telework – der Wohnort des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin. Sonderkonstellationen, bei denen der*die Arbeitnehmer*in z. B. regelmäßig in mehreren Staaten tätig ist, oder auch die Behandlung von Grenzgänger*innen sollten genau überprüft werden.
Wichtig ist hierbei immer, die zuständigen Träger zu involvieren und die Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts abzusichern.
b) Arbeitsrecht
Ein zentraler Punkt bei der Gestaltung derartiger Arbeitsverträge ist die stets zu klärende Vorfrage, welches Arbeitsrecht gilt. Im Gegensatz zum Highlander-Prinzip können die Regelungen mehrerer Staaten relevant werden und müssen bei der Erstellung der Verträge und insbesondere bei der Ausfüllung des Arbeitsverhältnisses beachtet werden.
Welches nationale Arbeitsrecht gilt, bestimmt das sogenannte „internationale Privatrecht“, das auch als die „Rom-Verordnung“ bekannt ist.
Der Grundsatz hier ist, dass die Arbeitsvertragsparteien selbst bestimmen können, welches Recht anwendbar sein soll. Die Wahl des anzuwendenden Rechts kann sich aber auch aus den Umständen des Vertrages ergeben. Es kann daher sowohl das Arbeitsrecht des Wohnsitzstaates des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin vereinbart werden als auch das Arbeitsrecht des Sitzes des Unternehmens oder auch das Recht eines Staates, das keinen Bezug zu dem ausgeübten Anstellungsvertrag hat.
Um den*die Arbeitnehmer*in vor dem Entzug wesentlicher Schutzvorschriften zu schützen, hat die von den Parteien getroffene Rechtswahl aber Grenzen: Dem*Der Arbeitnehmer*in darf nicht der Schutz entzogen werden, der ihm*ihr ohne Rechtswahl zustünde.
Entscheiden sich die Parteien daher für einen Arbeitsvertrag, der dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, muss immer auch das Arbeitsrecht des Wohnsitzstaates einbezogen werden.
c) Steuerrecht
Im Hinblick auf das Steuerrecht wird leider vergeblich nach einer Verordnung oder Ähnlichem gesucht. Ein vergleichbares Regelwerk gibt es im Steuerrecht schlicht nicht und weder die VO (EU) 883/2004 noch die Rom-Verordnung helfen hier weiter.
Im Falle von Crossborder-Telework müssen die beteiligten Staaten und deren jeweilige Rechtsbeziehung zueinander betrachtet werden. Oftmals werden als bilaterale Verträge „Doppelbesteuerungsabkommen“ geschlossen, die entgegen ihrem Wortlaut keine Doppelbesteuerung auslösen, sondern vielmehr eine solche Besteuerung verhindern. Überraschend ist hierbei, dass tatsächlich nicht alle Staaten innerhalb der EU solche Abkommen ausgehandelt haben.
Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, wo die Einkommensteuer zu entrichten ist – eine pauschale Aussage kann nicht getroffen werden. Dies insbesondere deshalb nicht, da es auch auf die individuelle Situation des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin ankommt.
Fällt der Blick schnell auf das Einkommensteuerrecht, muss zwingend geprüft werden, ob durch den Einsatz eines*einer Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin eine unerwünschte Betriebsstätte im Ausland begründet wird, da dies eine Steuerpflicht des Unternehmens im Ausland auslösen kann. Dieses Risiko ist nicht zu vernachlässigen.
Fazit
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen innerhalb der EU ein empfehlenswertes Mittel sein kann, um Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen, die Vernetzung innerhalb der EU zu stärken und neue Absatzmärkte zu erschließen. Dennoch sollte die Einsteuerung und Abwicklung in jedem Einzelfall sorgfältig vorbereitet werden, da es gerade keine „Blaupause“ geben wird, die in jedem Fall herangezogen werden kann.
Für weiterführende Fragen und eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Autorin: Melanie Heidrich
Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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