Arbeitgeber im Aufwind: Thüringer Landesarbeitsgericht stärkt Zweifel an Krankmeldungen

Gerichte erleichtern weitere Zweifel an Erkrankungen – Hinweisbeschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2025 (2 Sa 4/23)

Mangels weiterer arbeitgeberseitiger Erkenntnismöglichkeiten über den Gesundheitszustand des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin genügt nach der aktuellen Rechtsprechung allein das arbeitgeberseitige Bestreiten unter Verweis auf den engen bzw. unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Krankheitszeiten.

Dies ist nach einem aktuellen Hinweis des Thüringer Landesarbeitsgerichts insbesondere auch dann der Fall, wenn zwischen Erkrankungen sogar Weihnachtsfeiertage und ein arbeitsfreier Urlaubstag liegen.

1.

Das Thüringer Landesarbeitsgericht verweist dazu auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Juni 2023 (2 Sa 20/23).

Die Parteien stritten dort über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 17. Januar 2022 bis 27. Februar 2022. Die Klägerin war vom 13. Juni 2020 bis zum 12. Juni 2022 als Servicekraft beschäftigt. Ab dem 16. Oktober 2021 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst aufgrund einer neurologischen Erkrankung (Diagnoseschlüssel G54), später aufgrund eines Hodgkin-Lymphoms (Diagnoseschlüssel C81). Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, es liege ein einheitlicher Verhinderungsfall vor, da die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei.

Schon die erste Instanz wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Es sah die Klägerin als darlegungs- und beweisbelastet für die Behauptung an, dass die erste Erkrankung vor dem 17. Januar 2022 ausgeheilt und die neue Arbeitsunfähigkeit gesondert eingetreten sei. Da die Arbeitsunfähigkeit ohne Unterbrechung fortbestand und die Klägerin bereits im Oktober 2021 eine entsprechende Behandlung angekündigt hatte, hielt das Gericht einen einheitlichen Verhinderungsfall für naheliegend. Die ärztliche Bescheinigung vom 16. Januar 2022 bestätige, dass die neurologische Behandlung am 16. Januar 2022 beendet worden sei. Die Beklagte hat den erhobenen Zahlungsanspruch mit der Begründung abgelehnt, dass die Erkrankung, welche zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 17. Januar 2022 geführt habe, bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden habe, die Ausheilung der ersten, neurologischen Erkrankung nicht am Sonntag, den 16. Januar 2022, erfolgt gewesen sei.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung der Klägerin zurück, da sie keinen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte.

2.

Maßgeblich für die Entscheidung ist auch nach der Einschätzung des Thüringer Landesarbeitsgerichts wieder einmal der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls.

Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nämlich nur dann, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit führte. Der*Die Arbeitnehmer*in muss daher beweisen, dass die Ersterkrankung vollständig ausgeheilt war und erst die weitere Erkrankung eine neue Arbeitsunfähigkeit begründete, auch wenn dazwischen, so das LAG Thüringen, sogar eine kurze Zeitspanne arbeitsfreier Tage liegen.

Entscheidend ist danach auch nicht der Abschluss der Behandlung, sondern der Nachweis der tatsächlichen Ausheilung der Erkrankung. Diesen Beweis konnte die Klägerin auch nicht erbringen. 

Auch der Verweis auf eine ärztliche Vernehmung reicht danach nicht aus. Vielmehr muss der*die Arbeitnehmer*in konkret darlegen, dass die Krankheit tatsächlich ausgeheilt war. Hier wurde jedoch nicht erläutert, warum die Behandlung beendet wurde, und insbesondere kein Beweis für die vollständige Genesung angeboten. 

Zudem muss der*die Arbeitnehmer*in belegen, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Zweiterkrankung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt begann. Allein die Berufung auf eine ärztliche Bescheinigung, die eine Arbeitsunfähigkeit ab diesem Datum bestätigte, reicht nicht aus.

3.

Der Arbeitgeber hatte zudem auch im Fall des jüngsten Hinweisbeschlusses gewichtige Indizien dafür vorgebracht, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruhte, die bereits während der ersten Arbeitsunfähigkeit bestand.

In diesem Fall liegt die Beweislast bei dem*der Arbeitnehmer*in. Er*Sie hätte konkret darlegen und beweisen müssen, dass die Arbeitsunfähigkeit neu eintrat.

Hinweis für die Praxis

Die Auffassung des Thüringer Landesarbeitsgerichts hält u. a. an den Vorgaben der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Urt. v. 11. Dezember 2019 (5 AZR 505/18), fest und entwickelt diese erfreulicherweise weiter wie auch etwa das BAG in einem ebenfalls bereits an dieser Stelle besprochenen Sachverhalt.

Vor allem ist danach zu beachten, dass mangels weiterer arbeitgeberseitiger Erkenntnismöglichkeiten über den Gesundheitszustand des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin allein das arbeitgeberseitige Bestreiten unter Verweis auf den engen bzw. unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Krankheitszeiten genügt. Sogar geringe zeitliche Unterbrechungen sind für den Arbeitgeber insoweit unschädlich.

Die Gerichte betonen dabei, dass die Richtigkeit der Behauptung, dass eine Arbeitsunfähigkeit ab einem bestimmten Datum eingetreten ist, nicht entscheidend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Arbeitsunfähigkeit bereits vor diesem Datum aufgrund der bestehenden Erkrankung eingetreten war.

Danach trifft den*die Arbeitnehmer*in für Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit die Darlegungs- und Beweislast, wenn er*sie in unmittelbarer Folge einer den Sechs-Wochen-Zeitraum überschreitenden Krankheit Entgeltfortzahlung aufgrund einer neuen Ersterkrankung geltend macht und sich der Arbeitgeber auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls beruft.

Fazit

Liegen aufgrund auffälliger Zeitzusammenhänge oder anderer konkreter Verdachtsmomente Zweifel an dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, sollten Arbeitgeber den Sachverhalt möglichst frühzeitig dokumentieren und aufarbeiten.

Diese Informationsbasis kann sodann in einem späteren möglichen Verfahren genutzt werden, um die doch oft schwierige Erkenntnismöglichkeiten zu erleichtern und so die Darlegungs- und Beweislast erfolgreich umzukehren. Gelingt dies, so muss der*die Arbeitnehmer*in konkrete Tatsachen vortragen, um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erhalten.

Autor: Andreas Thomas

Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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