Kündigung bei unentschuldigtem Fehlen? – Warum Arbeitgeber bei Auslandsbezug vorsichtig sein müssen
Kündigung bei unentschuldigtem Fehlen?
Sachverhalt
Ein Logistikmitarbeiter war seit 2019 bei einem internationalen Paketdienstleister beschäftigt. Im Herbst 2024 nahm er genehmigten Urlaub, den er in seiner Heimat Somalia verbrachte. Für die Rückreise am 26.10.2024 hatte er einen Flug über die Hauptstadt Äthiopiens gebucht. Dort wurde ihm jedoch sein Aufenthaltstitel gestohlen, was eine Wiedereinreise nach Deutschland verhinderte. Der Mitarbeiter konnte seine Arbeit am 28.10.2024 nicht wieder aufnehmen und meldete sich auch nicht persönlich bei seinem Arbeitgeber.
Stattdessen ging ein Anruf eines Dritten im Betrieb ein, der sinngemäß mitteilte, der Mitarbeiter sei „in Afrika“. Er legte danach E-Mails vor, mit denen er über den Verlust des Aufenthaltstitels und seine Kontaktaufnahme mit der Botschaft informierte. Der Arbeitgeber mahnte ihn zwischenzeitlich zweimal ab und kündigte schließlich am 20.01.2025 ordentlich zum 31.03.2025.
Der Mitarbeiter kehrte am 04.02.2025 nach Deutschland zurück, nachdem er am 31.01.2025 bei der Deutschen Botschaft sein Visum abholen konnte. Er bot seine Arbeitskraft am Folgetag wieder an. Gegen die Kündigung erhob er Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht Herne erklärte die Kündigung für unwirksam, da die Pflichtverletzung des Mitarbeiters nicht steuerbar war: Er habe seine Rückreise nach Deutschland objektiv nicht antreten können, weil ihm der Aufenthaltstitel gestohlen worden sei – ein Umstand, den er nicht zu vertreten habe. Zudem habe der Arbeitgeber nicht nachweisen können, dass der Mitarbeiter seine Rückkehr absichtlich verzögert oder sich nicht ausreichend um eine Rückreise bemüht habe. Nach Auffassung des Gerichts hätte im konkreten Fall eine Abmahnung – wenn überhaupt – ausgereicht; die Kündigung sei daher unverhältnismäßig gewesen.
Entscheidend war außerdem, dass der Arbeitgeber keine konkreten betrieblichen Auswirkungen durch das Fehlen des Klägers dargelegt hatte. Allein die Unsicherheit über eine Rückkehr genüge nicht, jedenfalls nicht bei einer Abwesenheit von etwa drei Monaten. Für kürzere Fehlzeiten seien konkrete betriebliche Störungen erforderlich, etwa durch fehlende Vertretungsmöglichkeiten oder Planbarkeit.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger weiterzubeschäftigen sei und das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde.
Zum Hintergrund
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte Kündigung nur dann wirksam, wenn dem*der Arbeitnehmer*in eine steuerbare Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, er*sie schuldhaft gehandelt hat und zudem eine negative Prognose für das zukünftige Arbeitsverhältnis besteht. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen – etwa, weil der*die Arbeitnehmer*in die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat – ist die Kündigung unwirksam.
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei vermeintlich unentschuldigtem Fehlen genau prüfen müssen, ob dem*der Arbeitnehmer*in ein Verschulden vorzuwerfen ist. Gerade bei Auslandsreisen können unvorhersehbare Ereignisse wie der Verlust von Reisedokumenten eine objektive Hinderung darstellen.
Für Arbeitnehmer*innen empfiehlt es sich, in solchen Fällen so früh wie möglich Kontakt mit dem Arbeitgeber aufzunehmen und die Situation zu dokumentieren – etwa durch Polizeiberichte oder Botschaftskorrespondenz.
Autor: Andreas Thomas
Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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