FG Münster: kein Anspruch einer gemeinnützigen Stiftung auf Erstattung abgeführter Kapitalertragsteuer
Kein Anspruch: Erstattung der Kapitalertragsteuer
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts in der Verwaltung der B GmbH. Die Stifterin A verstarb im Jahr 2017. Zum Vermögen von A gehörten mehrere Kommanditaktien. In ihrem Testament hatte A ihren Ehemann E als Alleinerben eingesetzt und als Vermächtnis verfügt, dass die B GmbH einen Teil der Kommanditaktien erhalten soll. Das Vermächtnis stand unter der Auflage, dass die B GmbH als Stiftungsträgerin fungieren soll. Sie sollte die Kommanditaktien als nicht rechtsfähige Stiftung verwalten, entsprechend der als ungefähres Muster dem Testament beigefügten Satzung. Die restlichen Kommanditaktien vermachte die A fünf anderen gemeinnützigen Stiftungen. Die B GmbH sollte die Dividenden aus den Kommanditaktien als Zustiftungen in den Vermögensstock dieser fünf Stiftungen leisten, solange und soweit diese die Voraussetzungen des § 52 (AO) erfüllen und einen Vermögensstock haben. A ordnete die Testamentsvollstreckung an.
2018 legte die Klägerin dem Finanzamt (Beklagte) einen Satzungsentwurf vor. Dieses erklärte, dass die Voraussetzungen des § 60a AO erfüllt seien. Der feststellende Bescheid könne aber erst nach der Errichtung der Stiftung erlassen werden. 2020 wurde die Satzung der Klägerin beschlossen. Daraufhin erließ das Finanzamt am 23. Juni 2020 den Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen.
Bereits in den Jahren 2017, 2018 und 2019 wurden Dividenden aus den Kommanditaktien auf ein Depot ausgezahlt, das auf den Nachlass der Stifterin lautet. Die Bank führte die entsprechenden Kapitalertragsteuern zzgl. der Solidaritätszuschläge ab. Die Klägerin beantragte die Erstattung dieser Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge, was die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2021 ablehnte. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, der jedoch am 8. Juli 2021 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass sich erst aus der Satzung von 2020 der Zweck der Stiftung und die Zweckverfolgung entnehmen ließen. Dagegen wehrte sich die Klägerin vor dem FG.
Entscheidung des FG
Das FG gab der Klage nicht statt. Die Zahlung der Kapitalertragsteuer und der Solidaritätsbeiträge sei mit Rechtsgrund erfolgt. Die Steuerzahlung sei auch im Einzelfall nicht unbillig.
1. Die Steuerzahlung erfolgte mit Rechtsgrund (§ 37 Abs. 2 AO)
Der Steuerabzug bei Kapitalerträgen ist bei gemeinnützigen Organisationen nicht vorzunehmen (§ 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG). Voraussetzung dafür sei jedoch, dass durch eine Bescheinigung des Finanzamtes nach § 60a AO die Gemeinnützigkeit nachgewiesen wird (§ 44a Abs. 7 Satz 2 AO). Diese Bescheinigung konnte die Klägerin in den Jahren 2017, 2018, 2019 nicht vorlegen. Zudem stelle eine Kapitalertragsteueranmeldung einen Behaltensgrund dar (§ 168 Satz 1 AO).
2. Keine Unbilligkeit der Steuerzahlung im Einzelfall (§ 227 AO)
Sachliche Billigkeitsgründe gegen die Steuerzahlung bestehen nicht.
Sachliche Billigkeitsgründe liegen vor, wenn die Besteuerung zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. Die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers dürfe nicht generell durchbrochen oder korrigiert werden.
Es komme nicht darauf an, ob vor dem Beschluss der Satzung der Klägerin im Jahr 2020 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 52 ff. AO für eine Anerkennung der Klägerin als gemeinnützig vorgelegen haben. Es sei nicht unbillig, wenn der Steuerpflichtige eine Bescheinigung aus Gründen nicht vorlegen kann, die er weder zu vertreten noch zu beeinflussen hat. Der Gesetzgeber habe das Risiko der Belastung des Steuerpflichtigen trotz Steuervergünstigung bewusst hingenommen.
Eine Unbilligkeit bestünde auch nicht darin, dass die Klägerin die nicht erstattete Kapitalertragsteuer nicht für gemeinnützige Zwecke verwenden kann. Der Gesetzgeber habe bewusst die Vorlage einer Nichtveranlagungsbescheinigung als Voraussetzung für die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug geregelt (§ 44a Abs. 4 Satz 2 EstG). Dadurch solle das Verfahren standardisiert und für den Abzugsverpflichteten risikofreier werden. Zudem werden Steuerausfälle vermieden, die sich aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung durch den Abzugsverpflichteten ergeben könnten.
Auch sonstige Umstände begründen keine Unbilligkeit. A hätte die Klägerin – als zumutbare Alternativgestaltung – schon zu Lebzeiten errichten können, um die streitige Steuerbelastung zu vermeiden. Jedenfalls hätte die Klägerin alsbald nach Eröffnung des Testaments errichtet werden und den als Satzung bezeichneten Vertrag unterzeichnen können. Schließlich hätte die Klägerin gegen die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung gem. § 60a AO im Jahr 2018 vorgehen müssen. Sie hätte vortragen können, dass sie die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuervergünstigung erfüllt hat und deshalb die §§ 52 ff. AO teleologisch zu reduzieren seien, wenn die darin enthaltenen Vorgaben auf andere Weise hinreichend sichergestellt seien.
Das FG Münster hat die Revision vor dem BFH nicht zugelassen.
Fazit und Ausblick/Praxishinweise
Das FG Münster stellt klar, dass es ohne die Vorlage der Bescheinigung nach § 44 Abs. 7 Satz 2 EStG i. V. m. § 60a AO zu einer vom Gesetzgeber gewollten Belastung mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer kommt. Es komme nicht darauf an, ob die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nach §§ 52 ff. AO bereits materiell vorliegen. Weiterhin legt das FG Münster die sachliche Unbilligkeit nach § 227 AO entsprechend der gefestigten Rechtsprechung sehr eng aus.
Die Entscheidung unterstreicht die fundamentale Bedeutung der Bescheinigung nach § 60a AO. Um unerwünschte steuerliche Belastungen zu vermeiden, müssen gemeinnützige Organisationen frühzeitig die Bescheinigung beantragen. Auf einen Erlass einer Steuerzahlung nach § 227 AO kann nur im absoluten Ausnahmefall gehofft werden.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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