FG Niedersachsen – Anforderungen an die Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung
Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung
Sachverhalt
Die Klägerin wurde 2009 als Unternehmergesellschaft gegründet. Gesellschafter*innen waren und sind neben einem regionalen Krankenhaus zwei ortsansässige Ärzte, ein Apotheker und eine als Geschäftsführerin der Klägerin in Teilzeit tätige Krankenschwester. Gegenstand des Unternehmens war und ist die Erbringung spezialisierter ambulanter medizinischer Dienstleistungen für Schwerstkranke und Sterbende sowie aller damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen. 2017 beschlossen die Gesellschafter die Umwandlung der Klägerin in eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Nach § 3 Abs. 1 des geänderten Gesellschaftsvertrags verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der AO.
Im Fall der Auflösung sieht der Gesellschaftsvertrag der Klägerin unter § 5 Abs. 2 folgende Regelung vor:
„(2) Bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts [oder] an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft, die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu verwenden hat.“
Im Oktober 2019 beantragte die Klägerin erstmals die Anerkennung als gemeinnützig. Die Beklagte lehnte die Anerkennung ab. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO seien nicht erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag entspreche nicht den Anforderungen der Mustersatzung und die Zwecke seien nicht klar genug formuliert. Die Klägerin legte erfolglos Einspruch ein. Der Beklagte erkannte zwar die Förderung des Wohlfahrtswesens an, bemängelte jedoch das Fehlen einer klaren Formulierung mildtätiger Zwecke im Gesellschaftsvertrag. Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin weiterhin die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit.
Entscheidung des FG
Das FG gab der Klage nicht statt.
Die Ablehnung der Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO sei rechtmäßig. Die in § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags gewählte Formulierung entspreche nicht den formellen Anforderungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO). Es fehle an hinreichend konkretisierten Bestimmungen zur abschließenden bzw. künftigen Mittelverwendung.
§ 61 Abs. 1 AO verlange, dass die Regelungen über die Vermögensbindung bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden. Es müsse genau in der Satzung bestimmt sein, wer das Vermögen zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke erhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO) oder für welchen konkreten Zweck das Vermögen in diesen Fällen verwendet werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO). Außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen oder Bezugnahmen auf Regelungen in anderen Satzungen seien unbeachtlich. Unbeachtlich sei ebenfalls, dass die Geschäftsführung tatsächlich steuerbegünstigten Zwecken entspricht.
§ 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin lasse gänzlich offen, an welche konkrete Empfangskörperschaft das steuerbegünstigt angesammelte Vermögen später übergehen und/oder zur Verwirklichung welcher konkreten steuerbegünstigten Zwecke es eingesetzt werden soll. Die Zwecke seien, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt, so weit wie möglich zu konkretisieren. Die bloße Wiedergabe der Gesetzesbegriffe „gemeinnützig“ und „mildtätig“ reiche nicht aus. Das ergebe sich bereits aus den Anforderungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO).
Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision beim BFH eingelegt (Az. V R 10/24).
Fazit und Ausblick/Praxishinweise
Das FG Niedersachsen stellt klar, dass sich aus der Satzung selbst ergeben muss, wer das Vermögen zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke oder für welchen konkreten Zweck das Vermögen in diesen Fällen verwendet werden soll.
Zur Erlangung und zum Erhalt der Gemeinnützigkeit muss die Satzung sorgfältig überprüft werden. Dabei sind die Festsetzungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) zwingend zu beachten. Diese müssen zumindest inhaltlich übernommen werden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 AO). § 5 der Mustersatzung verlangt für die Vermögensbindung ausdrücklich entweder die Bezeichnung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft (Nr. 1) oder die Angabe eines bestimmten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks (Nr. 2).
Es besteht zwar die Möglichkeit, dass der BFH das Urteil des FG Niedersachsen aufhebt, angesichts des klaren Wortlauts von § 61 AO, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO und § 5 der Mustersatzung ist die Wahrscheinlichkeit jedoch als eher gering einzustufen.
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