BMF rudert bei Online-Bildungsleistungen mit neuem Schreiben vom 08.08.2025 teilweise zurück – und das ist gut so
BMF und Online-Bildungsleistungen
Hintergrund und Anwendungsregelungen
Im Rahmen des Ende 2024 in Kraft getretenen Jahressteuergesetzes 2024 wurde § 4 Nr. 21 und Nr. 22 UStG zum 01.01.2025 unter Druck der Europäischen Kommission neu gefasst. Zuvor hatte das BMF mit Schreiben vom 29.04.2024 (III C 3 – S 7117-j/21/10002 :004) noch Stellung zu Umsätzen aus digitalen Bildungsleistungen in vorheriger Gesetzesfassung genommen. Einen Überblick über die Neuregelungen im Bereich der Bildungsleistungen und diesbezügliche Äußerungen der Finanzverwaltung haben wir bereits in unserem Newsletter „Public Sector“ 1/2025 gegeben.
Mit dem aktuellen Schreiben vom 08.08.2025 (III C 3 – S 7117-j/00008/006/043) wird das vorangegangene Schreiben vom 29.04.2024 nun aufgehoben und inhaltlich ersetzt (Tz. 2, 15). Das Schreiben soll in allen offenen Fällen gelten. Soweit Leistungen vor dem 01.01.2026 erbracht werden, dürfen sich Anbieter noch auf die Regelungen des Schreibens vom 29.04.2024 beziehen. Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug (Tz. 18).
Auffassung der Finanzverwaltung im neuen Schreiben
Weitgehend bleibt die Finanzverwaltung bei ihrer bereits im April 2024 mitgeteilten Auffassung zu digitalen Bildungsleistungen:
- Vorproduzierte Inhalte als elektronische sonstige Leistungen gem. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG oder deren (Weiter-)Verbreitung als sog. Rundfunk- bzw. Fernsehdienstleistung gem. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 UStG sind weiterhin nicht nach § 4 Nr. 20 UStG von der Steuer befreit. Auch kommt hier der ermäßigte Steuersatz aus § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG nicht in Betracht (Tz. 3–5).
- Live-Streaming und hybride Angebote können als sonstige Leistungen gem. § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG und gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a und b UStG von der Steuer befreit sein. Daneben kommt eine Ermäßigung des Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG in Betracht (Tz. 6–8).
- Dienstleistungskommissionen sind auf die Voraussetzungen des § 3 Abs. 11 oder Abs. 11a UStG sowie die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG in der Leistungskette zu prüfen.
Änderungen werden insbesondere im Rahmen der Ausführungen zu Leistungskombinationen vorgenommen. Die umfassende Differenzierung zwischen einheitlichen Leistungen eigener Art (Tz. 12 unter Abschnitt V. a) des Schreibens vom 29.04.2025) und selbstständigen Leistungen (Tz. 12 unter Abschnitt V. b) des Schreibens vom 29.04.2025) entfällt ersatzlos.
Bisher galt: Wurde neben Live-Unterricht (mit oder ohne Interaktionsmöglichkeit der Teilnehmer*innen) zusätzlich eine Aufzeichnung bereitgestellt, war die gesamte Leistung als einheitliche Leistung steuerpflichtig. Hingegen sollte es sich bei einem separaten Entgelt für die Aufzeichnung um eigenständige Leistungen handeln. Diese Ansicht wird jetzt vom BMF korrigiert. Nun wird – wie im Umsatzsteuerrecht zutreffend – nach der neuen Tz. 12 anhand allgemeiner Grundsätze beurteilt, ob eine (einzige) einheitliche Leistung vorliegt oder stattdessen mehrere selbstständige Leistungen vorliegen.
Abgestellt wird somit nicht mehr allein auf die Vereinbarung eines Entgelts, sondern auf die Ansicht des sog. Durchschnittsverbrauchers. Die vorzunehmende Beurteilung entspricht damit letztlich auch den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung, die auch die Finanzverwaltung im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) grundsätzlich niedergelegt hat (Abschnitt 3.10. UStAE, Stand: 08.08.2025).
Fazit und Praxishinweise
Es ist zu begrüßen, dass hinsichtlich der Abgrenzungsfrage zur Einheitlichkeit der Leistung nun den allgemeinen Grundsätzen zu folgen ist – und nicht ausschließlich für digitale Bildungsleistungen im Widerspruch zum UStAE allein auf ein einheitliches Entgelt abgestellt wird.
Dennoch gilt festzuhalten, dass nun mit der „Rückkehr“ zur Beurteilung nach den allgemeinen Grundsätzen auch die dort verorteten Unsicherheiten im Rahmen der Auslegung für die Steuerpflichtigen bestehen bzw. „wiederaufleben“.
Steuerpflichtige, die ihr Angebot und dessen vertragliche Grundlagen basierend auf dem (alten) Schreiben vom 29.04.2025 vermeintlich rechtssicher umgestellt haben, sollten nun die von ihnen erbrachten Leistungen einer neuerlichen Prüfung unterziehen. Insbesondere in Hinblick auf mögliche Vorsteuerkorrekturen könnte auch eine erneute Umstellung des Angebots geboten sein, was in der Regel erneuten Organisationsaufwand mit sich bringt.
Ab dem 01.01.2026 sollen die neuen Regelungen ganz allgemein für alle Umsätze dieser Art gelten. Die Übergangsregelungen erfassen nach ihrem (etwas ungenauen) Wortlaut jedoch Leistungen, die bereits begonnen haben und erst im Folgejahr mit Beendigung umsatzsteuerlich als ausgeführt gelten (z. B. mehrmonatige oder mehrjährige Aus- und Fortbildungen), sodass de facto eine (unechte) Rückwirkung des neuen Schreibens eintreten könnte.
Nur Hinweis: Auch das neue BMF-Schreiben geht nicht auf eine mögliche Zulassungspflicht nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ein. Wer Kurse mit der Möglichkeit zu Rückfragen anbietet, benötigt aber häufig eine Zulassung gem. § 12 FernUSG der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU). Besteht eine solche Pflicht, ist die ZFU als Landesbehörde auch für die Ausstellung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG zuständig. Fehlt diese Zulassung, könnten erhebliche zivil- und umsatzsteuerrechtliche Folgen drohen.
Autor: Torsten Volkmann
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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