Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Bypassstaub-Rohmehl-Gemisch ist grundsätzlich Abfall

Auswirkungen für Zementhersteller und Entsorger

Am 28. Mai 2025 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW; 10 S 2112/24) entschieden, dass das in Zementwerken anfallende Bypassstaub-Rohmehl-Gemisch grundsätzlich als Abfall einzustufen ist, sofern nicht die gesamte Menge des Materials einer gesicherten und rechtmäßigen Verwendung zugeführt wird.

Hintergrund des Verfahrens

Die Antragstellerin betreibt ein Zementwerk und verwendet das dort anfallende Bypassstaub-Rohmehl-Gemisch teilweise als Nebenbestandteil in Zement und Spezialbindemitteln, verkauft einen Teil an Dritte und gibt einen weiteren Teil als Abfall zur Verwertung ab. Das Regierungspräsidium Tübingen hatte mit Bescheid festgestellt, dass es sich bei dem Gemisch um Abfall handelt und – abhängig von den Schadstoffgehalten – um gefährlichen oder nicht gefährlichen Abfall. Zudem wurde eine tägliche Beprobung des Materials angeordnet.

Kernaussagen des Urteils

Das Gericht stellt klar: Ein Produktionsrückstand kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall eingestuft werden, wenn die Verwendung der gesamten Menge gesichert ist. Sei dies nicht der Fall, gelte das Material als Abfall; es sei denn, der weiterverwendete Teil sei bei Entstehung abgrenzbar und gekennzeichnet. Die Antragstellerin habe nicht nachweisen können, dass das gesamte Material weiterverwendet werde – ein Teil werde regelmäßig als Abfall entsorgt. Auch die Existenz eines Marktes oder wirtschaftlicher Vorteil für das Material sei nicht überzeugend dargelegt worden.

Die Feststellung der Abfalleigenschaft sei rechtmäßig und basiere auf den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV). Für die Einstufung als gefährlicher oder nicht gefährlicher Abfall könnten die „Technischen Hinweise zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) herangezogen werden. Die angeordnete tägliche Beprobung des Materials sei ebenfalls rechtmäßig und notwendig, um die Schadstoffgehalte zu überwachen und den weiteren Umgang mit dem Material abfallrechtlich korrekt zu steuern, da nur so festgestellt werden könne, ob einzelne Chargen die Grenzwerte überschreiten. Monatsdurchschnittsproben reichten nicht aus, da die Werte stark schwanken könnten. Überschritten die Schadstoffgehalte (z. B. Blei, Chrom VI) bestimmte Grenzwerte, liege gefährlicher Abfall vor. Die Registrierung des Materials nach der Europäischen Chemikalienverordnung REACH (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien) habe lediglich Indizwirkung für die fehlende Abfalleigenschaft, sei aber nicht entscheidend.

Fazit

Das Urteil des VGH BW stellt klar, dass Produktionsrückstände wie das Bypassstaub-Rohmehl-Gemisch in Zementwerken grundsätzlich als Abfall gelten, sofern nicht die gesamte Menge einer gesicherten und rechtmäßigen Verwendung zugeführt wird.

Empfehlung

Unternehmen, die Produktionsrückstände weiterverwenden möchten, sollten frühzeitig sicherstellen, dass die gesamte Menge des Materials einer rechtmäßigen und nachweisbaren Verwendung zugeführt wird. Die Dokumentation und Kennzeichnung der verwendeten und entsorgten Mengen ist essenziell, um eine Einstufung als Abfall zu vermeiden. Zudem empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung der abfallrechtlichen Vorgaben und eine enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden, insbesondere bei der Beprobung und Bewertung von Schadstoffgehalten.

Autorin: Maria Elisabeth Grosch

 

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