EuGH-Vorlage: „Planmäßiges Zusammenwirken“ i. S. d. § 57 Abs. 3 AO als Beihilfe?

Mit Beschluss vom 22.05.2025 hat der 5. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH; V R 22/23) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Fragen zur beihilferechtlichen Zulässigkeit der gemeinnützigen Regelung zum „planmäßigen Zusammenwirken“ (§ 57 Abs. 3 AO) vorgelegt. Sollte der EuGH die Regelung als unzulässige Beihilfe bewerten, bestände nach Gemeinschaftsrecht ein Durchführungsverbot, d. h., das Gesetz dürfte nicht mehr angewendet werden. Dies hätte weitreichende Auswirkung, da eine Vielzahl von gemeinnützigen Einrichtungen und Konzernen von dieser Regelung unter Änderung der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags Gebrauch gemacht haben.

Ausgangsverfahren

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde § 57 Abs. 3 AO zum 20.12.2020 wirksam. Nach dieser Regelung können auch Körperschaften, die nur mittelbar gemeinnützige Zwecke erfüllen, z. B. wie im Urteilsfall eine Servicegesellschaft durch Erbringung von Verwaltungsdienstleistungen an gemeinnützige Körperschaften, selbst auch als gemeinnützig anerkannt werden. Sie sind dann nicht nur von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, sondern können ggfs. umsatzsteuerlich privilegiert werden.  

In dem Vorverfahren entschied das Finanzgericht (FG) Hamburg (Urteil vom 26.09.2023 – 5 K11/23), dass eine von der Finanzverwaltung geforderte Aufnahme detaillierter Regelungen in den Satzungen der Beteiligten (sog. „doppeltes Satzungserfordernis“) dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Hiergegen legte die Finanzverwaltung Revision beim BFH ein. Es ging in der ersten Instanz noch nicht um beihilferechtliche Fragestellungen.

Der BFH bestätigt in seiner Beschlussbegründung die Entscheidung des FG Hamburg. Allerdings sah sich der BFH verpflichtet, zunächst kein Urteil zu verkünden, sondern dem EuGH sinngemäß die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Stellt eine Steuerbegünstigung (nach § 57 Abs. 3 AO) für marktgängige Leistungen ohne eigene unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit eine Beihilfe i. S. d. EU-Rechts dar?
  2. Stehen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen (Mittelverwendung und Vermögensbindung) der Annahme einer Beihilfe entgegen?
  3. Falls eine Beihilfe vorliegt – handelt es sich um eine (zulässige) Altbeihilfe oder eine von der EU-Kommission zu genehmigende Neuregelung?

In seinen Ausführungen vertritt der BFH die Auffassung, dass im Ergebnis eine genehmigungspflichtige neue Beihilfe vorliegt.

Praxisfolgen

Nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers sollte die Einführung des § 57 Abs. 3 AO die in der Praxis vielfältig anzutreffende Arbeitsteilung zwischen gemeinnützigen Einrichtungen und ihren ausgegliederten Servicegesellschaften erleichtern. Die Möglichkeit hat in der Zwischenzeit eine Vielzahl von z. B. Konzernverbünden, aber auch übergreifende Kooperationen umgesetzt.

Sollte der EuGH keine genehmigungspflichtige Beihilfe erkennen, dürfte der BFH die Anforderung der Finanzverwaltung für ein „doppeltes Satzungserfordernis“ verwerfen und damit den Weg freimachen für eine pragmatische Umsetzung des „planmäßigen Zusammenwirkens“.

Sollte der EuGH allerdings eine genehmigungspflichtige Beihilfe erkennen, dürften die Kooperationsleistungen (wieder) einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (wGB) zuzurechnen sein. Neben der Versteuerung etwaiger Gewinne wären das Verbot der Erzielung von Verlusten im wGB sowie die Beschränkungen in Hinblick auf den Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel zu beachten. Zudem hätte im Anschluss die EU-Kommission zu prüfen, ob die Beihilfe – nachträglich – genehmigt werden kann. Sollte dieses nicht der Fall sein, könnte sogar eine Pflicht zur Rückzahlung in Anspruch genommener Beihilfen (also Steuervergünstigungen) drohen.

Ob es tatsächlich zu einer Entscheidung des EuGH in dieser Frage kommt, ist allerdings noch offen. Sollten sich die Verfahrensbeteiligten auf eine andere Art der Abhilfe der Ausgangsfrage („doppeltes Satzungserfordernis“) einigen, wäre etwa eine Klagerücknahme möglich, die zu einer Beendigung des Verfahrens vor dem BFH und damit auch dem EuGH führen würde.

Allerdings hat der Vorsitzende des 5. Senats des BFH in einer Kommentierung „seines“ Urteils bereits klargestellt, dass der Senat in diesem Fall bei nächster Gelegenheit eine neuerliche Vorlagefrage an den EuGH stellen würde, inwieweit Regelungen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts (unzulässige) Beihilfen darstellen würden. Zwar wäre es hilfreich, in dieser Frage Rechtssicherheit zu erlangen. Der Aufwand und das Risiko der Prozessführung vergrößern sich hierdurch allerdings deutlich. Um den Diskurs nicht einseitig dem BFH zu überlassen, müsste der Steuerpflichtige in seiner Klagebegründung zusätzlich zu der materiellen Entscheidungsfrage auch noch zur Frage der Beihilfe Stellung nehmen. Dieses könnte durchaus abschrecken, an sich gebotene, Klagebegehren aufgrund des Aufwandes nicht weiter zu verfolgen.

Gern stehen wir für weitere Diskussionen zur Verfügung.

Autoren: Dr. Alexander Becker, Jens Krieger

 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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