Keine Pflicht zum Ausgleich von Unterdeckungen ohne Kalkulation

Mit Beschluss vom 16. Mai 2025 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) klargestellt, dass eine Gemeinde nicht verpflichtet ist, Kostenunterdeckungen aus Vorjahren bei der Gebührenkalkulation auszugleichen, wenn für den betreffenden Zeitraum keine Kalkulation durchgeführt wurde (4 CS 25.564).

Hintergrund

Ein Landratsamt hatte einen Gemeinderatsbeschluss beanstandet, weil dieser bei der Neufestsetzung der Abwassergebühren die Ergebnisse der Vorjahre nicht berücksichtigt hatte. Die Aufsichtsbehörde sah darin einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Kernaussage des Gerichts

Der BayVGH stellte klar: Die Pflicht zum Ausgleich von Unterdeckungen setzt zwingend voraus, dass eine Vorkalkulation für den betreffenden Zeitraum vorliegt. Ohne eine solche Kalkulation existiere kein „Bemessungszeitraum“ im Sinne des Gesetzes – und damit auch keine ausgleichspflichtige Unterdeckung. Führe die Gemeinde oder der sonstige Einrichtungsträger also keine (Vor-)Kalkulation durch, so gebe es keinen Bemessungszeitraum, an dessen Ende sich eine Über- oder Unterdeckung ergeben könnte. Eine gegebenenfalls auszugleichende Unterdeckung könne dementsprechend nur dann eintreten, wenn die tatsächlichen Kosten von den kalkulierten oder die tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung von der kalkulierten abgewichen seien.

Begründung

  • Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG („die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben“) setze einen kalkulierten Zeitraum voraus.
  • Die Gesetzesmaterialien bestätigten, dass „Bemessungszeitraum“ und „Kalkulationszeitraum“ synonym verwendet werden.
  • Ein Ausgleich ohne Kalkulation würde bedeuten, dass auch neue Gebührenschuldner für vergangene Unterdeckungen herangezogen würden – das ist rechtlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Ein Ausgleich nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 KAG führe dazu, dass für in der Vergangenheit entstandene Kostenunterdeckungen teilweise Gebührenschuldner herangezogen würden, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Unterdeckungen solche noch nicht gewesen seien. Diesem – den Ausgleich einem besonderen Rechtfertigungsdruck aussetzenden – Umstand trage der Gesetzgeber sowohl durch die zeitliche Begrenzung des Ausgleichs als auch durch die Forderung eines Bemessungs- bzw. Kalkulationszeitraums Rechnung. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass auch im Fall einer fehlenden Kalkulation ein Ausgleich zumindest möglich sein soll, hätte er einen solchen nicht an die Situation am „Ende des Bemessungszeitraums“ anknüpfen dürfen; ob eine solche gesetzliche Regelung (verfassungsrechtlich) zulässig wäre, kann nach dem BayVGH dahingestellt bleiben.

Folge

Die Beanstandung des Gemeinderatsbeschlusses war rechtswidrig. Der vom Landratsamt in seinem Bescheid betonte Aspekt, dass die Kreditaufnahme durch eine Gemeinde die „letzte Einnahmebeschaffungsmöglichkeit“ darstellt (vgl. Art. 62 Abs. 3 GO), rechtfertigt keine abweichende Auslegung des Art. 8 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 KAG. Auch die Verpflichtung zur Neufestsetzung der Gebühren und die angedrohte Ersatzvornahme wurden aufgehoben. Die Interessenabwägung fiel zugunsten der Gemeinde aus. 

Autor: Dr. Hans-Martin Dittmann

 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Want to know more?