Trinkwasserleitung auf fremdem Grund: kein Eingriff ins Eigentum bei Scheinbestandteil
Trinkwasserleitung auf fremdem Grund
Sachverhalt: Leitung ohne Grundbucheintrag
Ein Grundstückseigentümer verlangte die Entfernung einer Trinkwasserleitung, die seit 1992 über sein Grundstück verläuft und ein dahinterliegendes Grundstück versorgt. Die Leitung war von der Gemeinde verlegt worden, ohne dass ein dingliches Leitungsrecht im Grundbuch eingetragen wurde. Der Kläger sah darin eine unzulässige Beeinträchtigung seines Eigentums nach Art. 14 GG.
Rechtliche Würdigung: § 95 BGB als Schlüsselnorm
Der BayVGH wies die Klage ab. Die Leitung sei ein sogenannter Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB. Sie sei nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, da sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit diesem verbunden sei – nämlich zur Versorgung eines Dritten. Eigentümer der Leitung bleibe die Gemeinde.
Damit liege keine Eigentumsstörung vor. Die bloße physische Präsenz einer Leitung auf einem Grundstück begründe weder Besitz noch rechtliche Herrschaft über das Grundstück. Auch eine faktische Beeinträchtigung sei nicht ersichtlich, da die Leitung unterirdisch verlaufe und die Nutzung des Grundstücks nicht behindere.
Bedeutung für die Praxis: Infrastrukturrecht und Eigentumsschutz
Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für leitungsgebundene Infrastrukturen, insbesondere in Fällen, in denen keine grundbuchlich gesicherten Leitungsrechte bestehen. Sie zeigt zugleich die Grenzen des Eigentumsschutzes auf: Nicht jede Nutzung eines Grundstücks durch Dritte stellt automatisch eine Eigentumsverletzung dar.
Für Kommunen und Versorger bedeutet das:
- Scheinbestandteile sind rechtlich zulässig, auch ohne Eintragung im Grundbuch.
- Eigentümer können die Entfernung solcher Leitungen nicht verlangen, sofern keine konkrete Beeinträchtigung vorliegt.
- Dennoch ist eine sorgfältige Dokumentation und Kommunikation mit Grundstückseigentümern empfehlenswert, um Konflikte zu vermeiden.
Fazit: Eigentum verpflichtet – aber nicht absolut
Technische Infrastrukturen wie Wasserleitungen können rechtlich zulässig sein, auch wenn sie ohne formale Sicherung über fremde Grundstücke verlaufen. Entscheidend ist die Zweckbindung und rechtliche Einordnung – nicht allein die physische Lage.
Autor: Philipp Hermisson
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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