Standort unter Druck – die Automobilbranche in Deutschland zwischen Krise und Neuausrichtung

Eine aktuelle Umfrage unter Führungskräften zeigt ein klares Bild: Nur 18 % blicken optimistisch auf die Zukunft der Branche im Inland. Dieser Stimmungswert ist alarmierend, aber angesichts der aktuellen Herausforderungen nicht überraschend.

Zentrale Herausforderungen im Überblick

1. Technologischer Wandel: Elektromobilität, Digitalisierung und KI

Der Umstieg vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität stellt das etablierte Geschäftsmodell vieler Hersteller infrage. Gleichzeitig wird der Automobilbau zunehmend IT-getrieben. Laut unserer aktuellen C-Suite-Studie Manufacturing haben 77 % der Unternehmen eine Strategie zur digitalen Transformation, doch die Umsetzung ist oft inkonsistent – insbesondere bei KI: Nur 49 % haben eine Strategie für diskriminative KI, obwohl 76 % KI bereits intern einsetzen.

Die Erwartungen an KI sinken: Nur noch 47 % der Führungskräfte glauben an einen großen Einfluss auf ihr Unternehmen – ein Rückgang um 17 Prozentpunkte im Vergleich zu 2024.

2. Wettbewerb und geopolitische Risiken

Wettbewerber aus China und den USA drängen mit Macht auf den Markt. Gleichzeitig belasten geopolitische Spannungen, Handelsbarrieren und hohe Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hersteller. Die aktuelle C-Suite-Studie Manufacturing von Forvis Mazars zeigt: 31 % der Führungskräfte sehen politische Instabilität als Wachstumshemmnis, ebenso viele nennen die Energiepreise als Herausforderung.

3. Strukturprobleme und Standortnachteile

Hohe Produktionskosten, Fachkräftemangel und langsame Genehmigungsverfahren belasten insbesondere mittelständische Zulieferer. 45 % der Unternehmen berichten von Schwierigkeiten bei der Rekrutierung – vor allem bei Berufseinsteigerinnen und -einsteigern sowie Fachkräften im mittleren Management.

4. Rückgang bei Umsatz, Beschäftigung und Exporten

2024 sank der Umsatz der deutschen Automobilindustrie um 5 %, bei Zulieferern sogar um 8 %. Rund 19.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Die Exporte nach China brachen um 17 % ein – nach einem Minus von 18 % im Vorjahr.

Strategische Prioritäten für die Zukunft

1. Transformation und Innovation beschleunigen

Die digitale Transformation ist laut unserer aktuellen C-Suite-Studie Manufacturing die wichtigste strategische Priorität für die nächsten drei bis fünf Jahre. Dabei stehen Effizienz, Produktivität und Sicherheit im Fokus. Unternehmen wie NIO zeigen, wie durch gezielte F&E-Investitionen (z. B. 19,8 % des Umsatzes) technologische Führungspositionen aufgebaut werden können.

2. Restrukturierung und Kostenoptimierung

Die Branche steht unter Druck, Kosten zu optimieren und gleichzeitig in neue Technologien zu investieren. 29 % der Führungskräfte nennen Restrukturierung als Top-Priorität. Carve-outs – also gezielte Ausgliederungen von Unternehmensteilen – gewinnen als strategisches Instrument an Bedeutung.

3. Neue Arbeitsmodelle und Talentstrategien

Flexible Arbeitsmodelle, hybride Strukturen und gezielte Talententwicklung sind entscheidend. Gleichzeitig setzen viele Unternehmen auf Personalabbau, um Kosten zu senken. Die Fähigkeit, strategische Visionen zu entwickeln und schwierige Entscheidungen zu treffen, wird als wichtigste Führungsqualität genannt.

4. Nachhaltigkeit und ESG

Obwohl die ESG-Berichterstattung in der Branche rückläufig ist (von 72 % auf 54 %), fühlen sich 75 % der Unternehmen gut vorbereitet. Zwei Drittel integrieren Nachhaltigkeit bereits in ihre Finanzberichterstattung. Dennoch sehen 60 % ESG eher als Kostenfaktor denn als Chance.

Fazit: Zwischen Realismus und strategischem Mut

Die Unsicherheit am Standort Deutschland ist Ausdruck eines tiefgreifenden strukturellen Wandels. Entscheiderinnen und Entscheider müssen sich von alten Erfolgsrezepten lösen – ohne die industrielle Stärke aufzugeben.

Trotz aller Herausforderungen bietet die Zukunft auch Chancen. Wer heute entschlossen handelt, klare Prioritäten setzt und seine Organisation neu ausrichtet, kann nicht nur bestehen, sondern wieder eine Führungsrolle einnehmen.

Wirtschaftliche Resilienz, technologische Exzellenz und gesellschaftliche Verantwortung – diese drei Elemente sollten das Leitbild der Transformation sein. Die deutsche Automobilindustrie hat die Kraft zur Erneuerung. Jetzt ist der Moment, sie zu nutzen.