1. Übergeben Sie mit warmer Hand
Zugegeben: Der erste und mit Abstand wichtigste Tipp, den Catarina Herbst all ihren Mandant*innen stets gibt, nimmt sich auf den ersten Blick etwas makaber aus. Doch was wäre die Alternative? Wer, gerade als Unternehmer*in, bis zum bitteren Ende um das eigene Ableben einen maximal weiten gedanklichen Bogen schlägt, verhält sich irrational, verschenkt wertvolle Steuersparchancen und macht seinen Nachfolger*innen in der Familie und an der Spitze des Familienunternehmens das weitere Leben unnötig schwer. „Wer dagegen zu Lebzeiten einen großen Teil des privaten wie betrieblichen Vermögens überträgt, ist deutlich im Vorteil“, sagt Expertin Herbst. Dann könnten die Familienunternehmer*innen den Prozess selbst steuern und strukturieren. Dazu gehört auch, die üppigen Freibeträge zu nutzen, die sich alle zehn Jahre in Deutschland bieten. Zudem übersehen viele Unternehmer-Paare laut Herbst häufig, dass jede*r Partner*in diese rollierenden Freibeträge bei der Schenkung an Kinder und Enkelkinder nutzen kann.
Besonders bei Immobilien kann es sich rächen, wenn vermögende Menschen mit einer Schenkung oder Übertragung zu lange warten. Wer etwa als hinterbliebener Ehemann oder als Ehefrau im Todesfall das Familienheim erbt, muss in der Regel zwar keine Steuern zahlen. Doch steuerfrei bleibt die Immobilie nur, wenn der überlebende Ehegatte oder die Ehegattin dort weitere zehn Jahre lang wohnt. „Ich habe schon Dramen erlebt, weil die Hinterbliebenen aus nachvollziehbaren Gründen dort nicht mehr allein leben wollten – es aber mussten, weil sie nicht genug Liquidität hatten, um die anfallende Steuer beim Auszug zu begleichen“, berichtet die Steuerexpertin aus der Praxis. Selbst einen freiwilligen Leerstand akzeptiert das Finanzamt nicht. Es gibt in diesem Fall nur zwei mildernde Umstände: einen eigenen schweren Pflegegrad, der die Nutzung des Hauses oder der Eigentumswohnung unmöglich macht, oder eine Gefängnisstrafe.
2. Starten Sie mit der Übergabe so früh wie möglich – und schenken Sie in Ketten
Besonders bei größeren Vermögen kann es sich lohnen, erste Vermögensteile im Rahmen der Freibeiträge mit 30 oder 40 Jahren treuhänderisch an die eigenen Kinder zu übertragen. Wer damit erst mit 60 oder gar 70 Jahren startet, hat somit mehrere Jahrzehnte lang die völlig legalen Steuersparchancen nicht genutzt. Ehepartner*innen steht alle zehn Jahre aufs Neue ein Freibetrag von 500.000 € zu, jedem Kind immerhin 400.000 € im Zehnjahrestakt, Enkeln 200.000 €. Spannend – und überdies vollständig legal – ist auch das Prinzip der Kettenschenkung: Die vermögende Frau schenkt ihrem Sohn 400.000 € und ihrem Mann weitere 500.000 €, der davon 400.000 € im Rahmen seines eigenen Elternfreibetrags an den Sohn weitergibt. Wichtige Voraussetzung dafür, dass die Finanzbehörden hier mitspielen und keinen Steuerbetrug unterstellen, ist jedoch die Freiwilligkeit. Herbst: „Die oder der Kettenbeschenkte darf in keiner Weise verpflichtet werden, den geschenkten Betrag direkt weiterzugeben, weder durch Auflagen noch durch Widerrufsrechte. Das muss aus freien Stücken erfolgen.“
Catarina Herbst: „Wenn das Vermögen entsprechend groß ist, dann macht es durchaus Sinn, Kindern schon zur Geburt die ersten 400.000 € an Freibetrag zu schenken.“ Die Angst, dass der Nachwuchs mit dem Erreichen der Volljährigkeit die Summe in Sportwagen oder andere teure Luxusgüter umwandelt, lässt sich nach ihren Worten nehmen. Etwa durch die sehr häufig gewählte Variante, sehr jungen Kindern Anteile an einer Immobilienkommanditgesellschaft oder GmbH oder auch einer Kommanditgesellschaft, die dann Aktien oder börsennotierte Indexfonds hält, zukommen zu lassen – und den Gesellschaftsvertrag so zu gestalten, dass ein Ausstieg der Kinder später maximal unattraktiv wäre.
Bei der Übertragung hoher Vermögenswerte an Kinder von drei, vier oder acht Jahren empfiehlt sich zudem eine Schenkung unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs: Dabei wird zwischen der Vermögenssubstanz und dem Vermögensertrag unterschieden. Gerade im Fall von großen Aktiendepots kann das interessant sein: Die Kinder bekommen frühzeitig die reine Aktien-Vermögenssubstanz übertragen. Doch der*die Schenker*in erhält die jährlichen Erträge aus der Anlage – gerade bei gut gefüllten Depots mit dividendenstarken Aktien kann das eine passende Strategie sein.
3. Bemessen Sie Ihr notwendiges eigenes künftiges Vermögen nicht zu knapp
Steuerexpertin Herbst: „Ich stelle bei meinen Beratungen häufig fest, dass Menschen im Alter alles für sich behalten wollen und sich von gar nichts trennen wollen. Aber auch genauso häufig das andere Extrem: Dann rechnen die Übergebenden bei einer Nachfolgeplanung ihre eigenen finanziellen Bedürfnisse viel zu klein.“ Doch wer – meist steuerlich motiviert – alle GmbH-Anteile oder Aktiendepots an Kinder und Enkelkinder frühzeitig überträgt, sollte nicht unterschätzen, dass auch das Leben als Ruheständler*in teuer sein kann. Das gilt im Besonderen für den Fall der Pflegebedürftigkeit – der eigenen oder der des*der Partners*Partnerin. In der Steuerpraxis gibt es viele smarte Mittelwege zwischen den beiden skizzierten Extrempositionen.
Ein Beispiel dazu: Eine ältere Person besitzt ein wertvolles Haus und möchte darin auch so lange selbstbestimmt leben, wie es geht. Umgekehrt spricht aus steuerlicher Sicht viel dafür, die Immobilie frühzeitig zu übergeben. Der bereits erwähnte Nießbrauchsvorbehalt auch bei Immobilien macht es möglich, beides miteinander zu kombinieren: das lebenslange Nutzungsrecht und die steuerliche Optimierung.
4. Nutzen Sie die Gestaltungsmöglichkeiten beim Zugewinnausgleich
In vielen Unternehmerfamilien liegt das Vermögen nach Beobachtungen von Catarina Herbst in den Händen nur einer Person. In diesen Fällen rät sie mit Blick auf eine spürbar reduzierte Steuerlast, die Chance zu nutzen, die sich aus dem „Zugewinnausgleichsanspruch“ ergibt: „Unter bestimmten Voraussetzungen können Betroffene, die zuvor in Gütertrennung lebten, die Zugewinngemeinschaft sogar rückwirkend per Notarvertrag vereinbaren – und danach Zugewinnvermögen komplett steuerfrei und legal an die Ehefrau oder den Ehemann übertragen.“