BGH: Die Mietkündigung einer künftig überwiegend gewerblich genutzten Wohnung („Wohnzimmerkanzlei“) ist zulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden (Urt. v. 10. April 2024 – VIII ZR 286/22), dass einem*einer Eigentümer*in, der*die seine*ihre vermietete Eigentumswohnung sowohl zu Wohnzwecken als auch für seine*ihre Rechtsanwaltskanzlei nutzen möchte, ein berechtigtes Interesse an der ordentlichen Kündigung nach der Generalnorm des § 573 Abs. 1 BGB zustehen kann, wenn ihm bei verwehrtem Bezug ein anerkennenswerter Nachteil entstünde.

Da keine Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliege, sei auch die zehnjährige Sperrfrist gemäß § 577a BGB Kündigungsbeschränkung (Kündigungsbeschränkung bei Wohnraumumwandlung) nicht anwendbar.

Sachverhalt und Vorinstanzen

Der Rechtsanwalt und Kläger erwarb die Eigentumswohnung im Jahr 2018. Im Jahr 2021 kündigte er dem Beklagten ordentlich. Zur Begründung führte er u. a. aus, die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken zu nutzen zu wollen, überwiegend jedoch für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt. Sein Mietverhältnis über die bisher von ihm genutzten Kanzlei- und Wohnräume ende demnächst. Dieser Wunsch stelle ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar („Betriebsbedarf“). Das Bezirksamt erteilte zudem die erforderliche (teil-)gewerbliche Zweckentfremdungsgenehmigung. Die Räumungsklage scheiterte in den Vorinstanzen. Das Landgericht(LG) Berlin verneinte einen „gewichtigen“ Nachteil des vermietenden Klägers, der die Wohnung nach Umwandlung in Wohneigentum erworben hatte. Dabei wertete es den Sachverhalt anhand des § 577a BGB, der eine zehnjährige Sperrfrist vorsieht, die im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erwerbs durch den klagenden Vermieter erst zum Jahr 2028 abliefe.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH gab dem klagenden Vermieter recht, hob das Urteil auf und verwies die Sache im Rahmen der Revision zurück an das LG Berlin.

Rechtsfehlerfrei sei das LG Berlin zwar noch davon ausgegangen, dass kein Fall des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliege, da die beabsichtigte geschäftliche Nutzung der Mieträume die beabsichtigte Nutzung für eigene private Wohnzwecke überwiege und insofern auch die zehnjährige Kündigungssperrfrist gemäß § 577a BGB nicht gelte.

Rechtsfehlerhaft habe das LG Berlin hingegen ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1 BGB verneint. Es habe der Abwägung zwischen dem Erlangungsinteresse des Klägers und dem Bestandsinteresse des Beklagten einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es angenommen habe, die Vorenthaltung der Mietsache müsse für den Kläger nicht lediglich einen beachtenswerten Nachteil, sondern deshalb einen gewichtigen Nachteil begründen, weil die Kündigung innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist gemäß der Vorschrift des § 577a BGB erklärt worden sei. Die Vorschrift des § 577a BGB diene aber gerade nicht einem umfassenden Schutz des Mieters vor einer ordentlichen Kündigung nach der Bildung von Wohnungseigentum und anschließender Veräußerung des neu geschaffenen Eigentums.

Es handele sich um eine Ausnahmevorschrift, die auch dann nicht (analog) auf andere Kündigungsgründe im Sinne des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden sei, wenn der Vermieter sein berechtigtes Interesse an der Kündigung aus Umständen herleite, die einer Eigenbedarfssituation ähnelten. 

Dass dem Anwalt ein „beachtenswerter Nachteil“ bei verwehrtem Bezug entsteht, hält der BGH hier durchaus für möglich: Ein solcher Nachteil könne nach dem BGH vorliegen, weil der Mietvertrag über die bisherigen Wohn- und Kanzleiräume nach dem Vortrag des Klägers ende und er daher auf die Nutzung der gekündigten Wohnung angewiesen sei. Das LG Berlin wird nun klären müssen, ob dem Kläger ein „beachtenswerter Nachteil“ bei verwehrtem Bezug entstünde.

Fazit und Ausblick

Der BGH hat mit der Entscheidung seine bisherige ausführliche und ausdifferenzierte Rechtsprechung sowohl zum Berufs- und Geschäftsbedarf wie zur Anwendung des § 577a BGB bestätigt. Es ist zunächst immer eine ausführliche Bewertung des in der Praxis sehr unterschiedlichen Interesses des Vermieters erforderlich.

Wird lediglich ein Teil der Räume zu Wohnzwecken genutzt, so kommt es bezüglich der Kündigungsvoraussetzungen auf den Schwerpunkt der Nutzung an. Von einer Verwendung zu Wohnzwecken kann dann ausgegangen werden, wenn nur der untergeordnete Teil zu geschäftlichen Zwecken genutzt wird. In diesem Fall muss eine Kündigung sich an den Tatbestandsvoraussetzungen des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB messen lassen und – soweit einschlägig – den Fristerfordernissen bzw. Kündigungsbeschränkungen gemäß § 577a BGB. Soll dagegen eine überwiegende oder ausschließliche gewerbliche Nutzung der Wohnung erfolgen, müssen (nur) die Kündigungsvoraussetzungen der Generalnorm gemäß § 573 Abs. 1 BGB vorliegen (vgl. bereits BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16).

Nach dem BGH weise der Entschluss eines Vermieters, in der Mietwohnung überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen, eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen wolle. In diesen Fällen reiche es daher aus, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde. Wollte der Vermieter die Wohnung dagegen ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, liege eine größere Nähe zur Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor. Angesichts des Umstands, dass der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden soll, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen.

Autor: Christoph von Loeper

Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 2-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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