Die Übergabe von einer Generation zur nächsten ist im familiengeführten deutschen Mittelstand seit Jahrhunderten geübte Praxis. Doch wenn wie bei Schöffel, dem ältesten familiengeführten Outdoor-Unternehmen der Welt, ein 26-Jähriger den Staffelstab übernimmt, ist das keine Nachfolge wie jede andere. Wie Vater und Sohn zusammen mit dem Firmenbeirat die Übergabe von langer Hand planten, wie Peter Schöffel mit der ungewohnten Rolle in zweiter Reihe klarkommt und was Jakob Schöffel als neuer Group-CEO jetzt verändern möchte, berichten die beiden im Interview mit dem Board Briefing.
Peter Schöffel, Sie haben im Februar dieses Jahres den Firmenslogan „Ich bin raus“ sehr persönlich genommen und Ihre Position an der Spitze der Schöffel Gruppe für Ihren Sohn Jakob freigemacht. Und das mit nur 63 Jahren – ein Alter, in dem die meisten Festangestellten noch nicht im Ruhestand sind und viele Familienunternehmer*innen erst so richtig durchstarten. Warum so früh?
Peter Schöffel: Es waren weniger persönliche Motive, wie der Wunsch nach selteneren 60-Stunden-Wochen und mehr Zeit für Hobbys, Freunde und Familie. Das hat auch eine Rolle gespielt, klar, aber vor allem ist unser Unternehmen an einem Wendepunkt angekommen. Das betrifft sämtliche Prozesse, die Digitalisierung, die gesamte Denke. Die Veränderungen sind so groß und so weitreichend, dass es richtig ist, in diesem Zuge auch die Spitze der Firma neu zu ordnen. Letztlich fällt der Generationenübergang genau in die passende Zeit. Und Jakob ist dafür der optimale Nachfolger.
Fällt es Ihnen leicht, loszulassen?
Peter Schöffel: Das ist fraglos ein tiefer Einschnitt für mich nach mehr als 30 Jahren an der Spitze des Unternehmens. Aber zum einen haben wir zwei diesen Entschluss nicht über Nacht getroffen. Zum anderen bin ich nicht auf der Flucht, sondern noch häufiger in der Firma, um Jakob mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn er es wünscht. Aber ich komme nun nicht mehr jeden Tag ins Büro und habe kein Problem mit der Erkenntnis, dass es auch ohne mich geht. Die Friedhöfe sind voll mit unersetzlichen Menschen. Ich entdecke mehr und mehr das Leben neben dem Job: in der Natur, mit der Arbeit in unserer gemeinnützigen Stiftung oder als Opa eines Enkelkindes.
Jakob Schöffel: Entscheidend für den Erfolg einer Nachfolge ist nicht nur, dass die Nachfolgerin oder der Nachfolger gut vorbereitet ist. Auch diejenigen, die übergeben, müssen reif dafür sein. Das scheint uns beiden gut gelungen zu sein. Andernfalls wärst du sonst noch viel näher Tag für Tag an mir dran, Dad, und ich hätte weniger Gestaltungsfreiraum. Genieße gern deine neue Freizeit auf dem Mountainbike, beim Wandern oder beim Fliegenfischen. (lacht)
Sie haben gerade das Unternehmen von der siebten auf die achte Generation übertragen. Das klingt nach einem Selbstläufer bei all der Vorarbeit und den Blaupausen Ihrer Ahn*innen.
Jakob Schöffel: Wenn es so einfach wäre … Die Nachfolge ist jedes Mal ein neuer Staffellauf mit unbekanntem Ausgang. Es gibt keine Garantie, dass der Stab nicht doch zu Boden fällt. Der Moment, in dem man das Staffelholz übergibt, muss von beiden Läufern gut vorbereitet werden. Von dem, der übergibt, und von dem, der übernimmt. Das haben wir bei Schöffel als dem ältesten Outdoor- und Bekleidungsunternehmen der Welt bis heute in der Tat sieben Mal mit Erfolg geschafft. Darauf sind wir stolz. Zugleich sind die erfolgreichen Nachfolgelösungen der Vergangenheit keine Gewähr dafür, dass es beim nächsten Mal auch reibungslos läuft. Ganz im Gegenteil: Mit zunehmender Größe und Beschäftigtenzahl steigt die Fallhöhe von Generation zu Generation. Nach meiner festen Überzeugung werden die Grundlagen für eine erfolgreiche Nachfolge nicht in der Firma gelegt, sondern in der Familie. Im Unternehmen kann ich mich über lange Zeit professionell verstellen und hinter Zahlen, Akten oder Laptops verstecken. In der Familie, beim gemeinsamen Frühstück oder Abendbrot, gelingt das nicht. Wie ich hier als Familienunternehmer auftrete, das prägt meine Kinder und entscheidet maßgeblich darüber, ob sie später in meine Fußstapfen treten wollen oder nicht.
Viele Familiennachfolgen scheitern heute daran, dass es keine Kinder gibt oder zumindest keine, die von Vater oder Mutter übernehmen möchten. Sie, Peter Schöffel, hatten mit ihren zwei Kindern dagegen die Qual der Wahl. Fiel Ihnen die Entscheidung zwischen Ihrem Sohn und Ihrer Tochter schwer?
Peter Schöffel: Sie sprechen damit den entscheidenden Punkt für eine gelingende Nachfolge in der Familienfirma an. Viele Chefinnen und Chefs von Familienfirmen sind zugleich Mütter und Väter. Es ist unfassbar schwer bis unmöglich, die Frage nach der richtigen Nachfolgerin oder dem richtigen Nachfolger rein objektiv zu beantworten. Elterliche Gefühle lassen sich nicht auf Befehl ausblenden. Daher haben wir frühzeitig einen Unternehmensbeirat eingerichtet, der exakt für solche Situationen da ist. Wir wollten klare, objektive Entscheidungsgrundlagen und keine Willkür. Jede Nachfolgerin und jeder Nachfolger an der Spitze von Schöffel muss zwei Bedingungen erfüllen: ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium und mindestens zwei Jahre im Ausland. Auch wenn sich unsere Tochter Johanna bereits vor acht Jahren gegen den Einstieg in die Familienfirma entschieden und eine andere Karriere eingeschlagen hat, bedeutete das für Jakob keinen Selbstläufer auf den Stuhl des CEO.
Jakob Schöffel, nach der Absage Ihrer Schwester war der Weg für Sie seit Langem vorgezeichnet. Ist das nicht eine unglaubliche Last, wenn Sie mit damals 18 Jahren erfahren haben, dass es in der Familiennachfolge nur noch auf Sie ankommt?
Jakob Schöffel: Mein Vater hat ganz recht – das war kein Selbstläufer. Wir hätten den Posten auch extern besetzen können, das stand durchaus zur Diskussion. Was mich persönlich betrifft: Ich habe niemals Druck oder eine extreme Erwartung gespürt. Dem Unternehmen fühle ich mich von Kindsbeinen an eng verbunden. Mein erster richtiger Berührungspunkt war 2004, als ich als kleiner Junge aus Anlass unseres 200-jährigen Firmenjubiläums die Kinder-Skikollektion auf dem Laufsteg präsentieren durfte. Dieses Erlebnis hat sich mir eingebrannt und hat mich geprägt: In dieser Firma wollte ich eines Tages eine tragende Rolle spielen. Als ich dann nach meinem Abitur anfing, Betriebswirtschaft zu studieren, begann ich parallel mit ersten kleineren Projekten im Unternehmen. Doch danach führte mich der Weg erst einmal fort aus Schwabmünchen – zu einer Strategieberatung, kurz in die Trendforschung, zum Masterstudium nach Portugal und Australien und anschließend zu einem Impact-Fonds nach München. Ich hätte mir auch gut vorstellen können, dort noch länger zu bleiben oder weitere externe Stationen dranzuhängen …
… bis sich vor rund zwei Jahren Ihr Vater bei Ihnen meldete mit einem rein geschäftlichen Anliegen.
Genauso war es. Er bewarb sich faktisch bei mir und machte mir den Einstieg als kommender Group-CEO schmackhaft.
Musste er lange um Sie werben?
Jakob Schöffel: Sagen wir es so – auch das war kein Selbstläufer. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, bewusst Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen und mich dabei auch von unseren drei Beiratsmitgliedern sowie einem externen Coach beraten lassen. Das war und ist ja eine einschneidende Entscheidung – gerade für einen Menschen von Mitte 20 will der Umzug aus einer Millionenstadt wie München ins kleinere Schwabmünchen wohldurchdacht sein. Doch letztlich kam ich zu einem eindeutigen Ergebnis: Das hier ist genau das, was ich will. Ganz unabhängig von dem, was mein Vater sich vorstellte.
Peter Schöffel: Ich bin dankbar, dass sich Jakob so viel Zeit für die Entscheidung genommen und so gründlich in sich gegangen ist. Nichts anderes haben das Unternehmen und die Beschäftigten verdient. Der Zeitpunkt für den Wechsel war nicht nur aus familiären Gründen optimal geplant. Auch marktseitig und technologisch befinden sich unsere Branche und unser Unternehmen derzeit in einem massiven Wandel. Das betrifft die Digitalisierung, unsere Prozesse, unsere gesamte IT-Infrastruktur, aber auch eine neue Unternehmenskultur. Es gab Anfang 2024 zwei Optionen: entweder das Auslaufmodell Peter Schöffel mit noch ein paar Jahren Restlaufzeit in der Batterie, aber nicht optimaler digitaler Erfahrung. Oder den Neuling Jakob Schöffel mit dem idealen Know-how-Hintergrund und viel Elan, für den die Aufgabe etwas früher kam als eigentlich erwartet oder nach dem BWL-Standardlehrbuch für die optimale Nachfolgelösung vielleicht vorgesehen. Wir sind „all in“ gegangen.
Wie hat sich das Verhältnis zwischen Ihnen seit dem Wechsel des Staffelstabs verändert?
Jakob Schöffel: Mein Vater hat sich zurückgezogen und die Rolle eines Art Aufsichtsratsvorsitzenden eingenommen. Ein-, zweimal in der Woche treffen wir uns aber noch fest hinter verschlossenen Türen und reden dann auch mal Tacheles. Uns gelingen die veränderten Rollen sehr gut.
Wie erleben Ihre Beschäftigten das neue Vater-Sohn-Gespann von Group-CEO und „Chairman“?
Peter Schöffel: Von Gespann würde ich nicht sprechen. Die Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen liegt vollständig bei Jakob. Es ist sehr wichtig, dass das auch alle Mitarbeiter*innen im Hinterkopf haben. Es wäre die Hölle, wenn den Leuten nicht klar wäre, wer bei uns das Sagen hat. Das würde die Firma zerreißen.
Das Unternehmen
Schöffel zählt zu den bekanntesten Outdoor-Ausrüstern in Europa. Die Familienfirma aus Schwabmünchen vor den Toren Augsburgs wurde 1804 als Händler vor allem für Strümpfe gegründet. Heute hat Schöffel neben Regenjacken und Hosen für Wanderbegeisterte, Ski- oder Radfahrer*innen auch Arbeitskleidung etwa für Handwerks- und Industrieunternehmen („Schöffel PRO“) im Sortiment. Große Wachstumshoffnungen setzt Jakob Schöffel, seit Februar 2025 neuer Group-CEO in achter Generation, zudem auf die dritte Sparte: „Schöffel TEC“ konzentriert sich auf Kleidung für BMW Motorrad und die textile Ausstattung von Behörden, etwa der Polizei Nordrhein-Westfalen. Die rund 275 Beschäftigten von Schöffel sorgen für einen Jahresumsatz von zuletzt rund 100 Mio. €.
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